Alkoholkonsum
17. Mai 2013"Freunde von mir mussten schon häufiger mal nach einer durchzechten Nacht im Krankenhaus behandelt werden." Das erzählt der junge Teheraner Anoush. Er ist Mitte zwanzig und viel unterwegs in der Party-Szene der iranischen Hauptstadt. Dort ist es wegen der aktuellen wirtschaftlichen Engpässe im Land schwer, an Hochprozentiges heranzukommen – vor allem an Spirituosen, die bezahlbar sind.
Gefahr für Leib und Leben
Derzeit müssten für eine Flasche Wodka auf dem Schwarzmarkt umgerechnet mehr als 100 Euro hingeblättert werden, berichtet Anoush. Ein Preis, den sich nur wenige junge Partygänger leisten können. Darum greifen viele Iraner auf Alkohol aus Eigenproduktion zurück. Nicht selten ein gefährlicher Mix, so die Erfahrung des Gerichtsmediziners Arash Okazi. "Eine große Zahl der Alkoholika, die man im Iran auf dem Schwarzmarkt erwerben kann, sind Mischprodukte aus Ethanol und Methanol. Ihr Konsum kann zu einer Alkoholvergiftung führen. Die Folgen sind Erblindung oder sogar der Tod." Einem Bericht der iranischen Organisation für Gerichtsmedizin zufolge starben im Jahr 2010 mehr als 140 Iraner an gepanschtem Alkohol.
Der Staat versucht, diese Entwicklung mit drakonischen Strafen einzudämmen. Seit Bestehen der Islamischen Republik 1979 steht das Trinken von Alkohol unter Strafe. Bei Missachtung drohen Konsumenten und Verkäufern laut Strafgesetzbuch 80 Peitschenhiebe. Artikel 179 sieht für diejenigen, die drei Mal erwischt werden, sogar die Todesstrafe vor. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International verurteilt diese Gesetzgebung und fordert ihre Abschaffung.
Hilflose und korrupte Behörden
Die Zahlen zur Alkoholabhängigkeit im Iran zeigen, wie wenig das Verbot und die harten Strafen tatsächlich abschrecken. Nach offiziellen Angaben sind in der Islamischen Republik etwa 200.000 Menschen alkoholkrank. Beobachter glauben jedoch, dass diese Statistik nicht der Realität entspricht und die Zahl der Alkoholsüchtigen weitaus höher liegt. Denn die Angaben sind seit fünf Jahren stets die gleichen.
Der Staat geht das Problem an, indem er versucht, den Alkoholschmuggel zu bekämpfen. Jährlich werden nach Angaben der halbstaatlichen Nachrichtenagentur "Mehr News Agency" rund 80 Millionen Liter Alkohol illegal in den Iran eingeführt. Die Ware nehme vor allem den Weg über die Nordwestgrenze und werde aus den irakischen Kurdengebieten ins Land geschleust. Der Polizei gelingt laut Statistik dabei lediglich die Beschlagnahmung von etwa 25 Prozent des geschmuggelten Alkohols. Der iranische Parlamentsabgeordnete Eghbal Mohammadi vermutet einen korrupten Sicherheitsapparat hinter den geringen Erfolgsraten. In einigen Fällen kooperierten die Beamten bei der illegalen Einfuhr von Spirituosen mit den Schmugglern und wirtschafteten so Geld in die eigene Tasche, so Mohammadi.
Doch selbst bei einer wesentlich besseren Aufklärungsrate dürfte sich das Problem nicht erledigen. Für die meisten Iraner ist es leicht, an Alternativen wie etwa gefälschte Produkte, Ethanol oder privat hergestellte Alkoholika heranzukommen. "Die Konsumenten haben in der Regel die Telefonnummern der Alkohol-Dealer", sagt der junge Teheraner Anoush, "und wenn es keine Spirituosen auf den Markt gibt, dann greifen die Menschen eben auf härtere Drogen zurück".