Terrorangriffe und organisiertes Verbrechen
24. Februar 2022Die mosambikanische Provinz Cabo Delgado wird auch das "vergessene Kap" genannt. Obwohl die Provinz reich an natürlichen Ressourcen ist, zählt sie zu den ärmsten Provinzen Mosambiks. An dieser Nordspitze des Landes kämpfen seit Jahren islamistische Milizen gegen die Regierung. Hunderttausende Menschen sind auf der Flucht. Erst Anfang dieser Woche sollen an der Grenze zu Tansania fünf Dörfer komplett niedergebrannt worden sein, sagte das katholische Denis-Hurley-Friedensinstitut der Nachrichtenagentur KNA.
Die Hanns-Seidel-Stiftung hat nun (24. Februar) gemeinsam mit der "Global Initiative Against Transnational Crime" untersucht, welche Auswirkungen der wachsende Terror auf die Region hat. "Wir beobachten bereits, dass einige Elemente von Al-Shabab in andere Provinzen abwandern und dort erneut Anschläge und Gewalt verüben. Das könnte langfristige Folgen für einige Länder in der Region haben", sagte Julian Rademeyer, der führende Autor der Studie und Direktor der Beobachtungsstelle für organisierte Kriminalität für das östliche und südliche Afrika bei der globalen Initiative im DW-Gespräch.
Der Aufstand halte an, so Rademeyer - trotz der Kämpfe gegen die islamistischen Gruppen durch mosambikanische und ruandische Truppen sowie militärische Hilfe aus der Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrikas (SADC).
Lokaler Konflikt weitet sich aus
Die Miliz Al-Shabab (die Jugend) sorgt bereits seit 2017 mit brutalen Angriffen auf staatliche Institutionen und wichtige Handelszentren in Cabo Delgado für Unruhe. Sie wird von den Vereinigten Staaten inzwischen als internationale Terrororganisation gelistet. Laut der Autoren habe sie nichts mit der Dschihadisten-Gruppe Al-Shabaab in Somalia zu tun, sondern sei eigenständig. Es gebe Verbindungen zu dem mit dem "Islamischen Staat" verbündeten Kräften in der Demokratischen Republik Kongo, auch seien Kämpfer aus dem benachbarten Tansania und Südafrika rekrutiert worden, so Rademeyer weiter.
Al-Shabab hat ganze Landesteile in der Provinz unter ihre Kontrolle gebracht. Die Ursachen dafür liegen nicht nur in einem religiös-militant geführten Aufstand, sondern auch in schlechter Regierungsführung und Unterentwicklung, heißt es in der Studie. Das Vorherrschen des organisierten Verbrechens habe die politische Ökonomie der Region geprägt und zum Zusammenbruch der Regierungsführung beigetragen.
Organisiertes Verbrechen beherrscht die Region
Durch den Vormarsch der aufständischen Gruppe verstärkt sich auch illegaler Handel: "Die Provinz Cabo Delgado ein wichtiger Wirtschaftskorridor, und das schon seit Hunderten von Jahren. Aber sie ist auch ein wichtig für illegale Handelsströme, für den Drogenhandel, vor allem für Heroin und Amphetaminen, die aus Afghanistan über den Iran in den Norden Mosambiks gelangen."
Rademeyer zählt auf: Menschenschmuggel, Exporte von illegal geschlagenem Holz, Wildtierprodukten, Edelsteinen und Gold passieren Cabo Delgado. Der Nachbar Südafrika ist der größte Verbrauchermarkt für Heroin in der Region und außerdem ein wichtiger Transitpunkt für die Weiterreise nach Europa und in die USA. Aus Mosambik kommt auch Kokain, das von den Märkten in Brasilien nach Australien verschoben wird, und zwar durch Containerlieferungen an mosambikanische Häfen.
Milizen leben von Raub und Erpressung
Aber die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die Beteiligung von Al-Shabab an den illegalen Wirtschaftszweigen nach wie vor nur einen kleinen Teil ausmacht. Sie finanzierten sich eher durch die Unterstützung lokaler Geschäftsleute sowie durch Bargeld, Waffen und Güter, die bei Angriffen geraubt wurden. Auch durch Entführungen und erpresste Lösegelder.
Ende 2021 gab es Behauptungen, dass Al-Shabab Organe von Opfern von Anschlägen entnimmt und dann international mit diesen Organen handelt. "Wir haben keine Beweise gefunden", betont Rademeyer. Wahrscheinlich zeige das, wie sich Desinformationen in der Konfliktzone verbreiten können und als Propagandainstrument auch von der Regierung genutzt werden.
Die vergessene Zivilbevölkerung stärken
Wenn die Regierung eine Chance haben will, einen dauerhaften Frieden zu schaffen, müsse sie in die lokale Entwicklung investieren und die zivile Bevölkerung stärken, fordert Rademeyer. Doch die werde momentan vergessen.
"Die Sicherheitslage in Cabo Delgado ist nach wie vor sehr fragil", so stuft auch Martin Abang Ewi, Mitarbeiter des Instituts für Sicherheitsstudien in Südafrika die aktuelle Gefahr ein. Die Angriffe hätten sich fortgesetzt, aber sie gingen schon auf die Gebiete Niassa und das wirtschaftliche Zentrum Nampula über. "Die humanitäre Lage verschlechtert sich, die Regierung ist nicht in der Lage, die Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen", sagt Ewi im DW-Interview. "Das Welternährungsprogramm versorgt als einzige Organisation die Binnenflüchtlinge mit Nahrungsmitteln, und ist überfordert."
Humanitäre Not wächst: Kampf um Wasser
Wegen der begrenzten Ressourcen komme es in den Lagern der Vertriebenen zu Spannungen - sie bekämpften sich gegenseitig, besonders aufgrund der mangelnden Versorgung mit Wasser. Krankheiten drohten sich auszubreiten. Fast eine Million Menschen sind laut Ewi durch den Konflikt vertrieben worden. Sie haben ihre Lebensgrundlage verloren, Regenfluten und Wirbelstürme verschlimmern ihre Not.
Ein Lösungsansatz: Die internationale Gemeinschaft müsse einen stärkeren Beitrag leisten. Auch im Kampf gegen den Terror, sagt Ewi. Die mosambikanische Regierung habe zu wenig Kapazitäten, um das allein zu schaffen.