"Geeintes Russland" siegt trotz Verlusten
9. September 2019Nach den Regionalwahlen in Russland hält die Regierungspartei "Geeintes Russland" nur noch eine dünne Mehrheit im Moskauer Stadtparlament. Nach Auszählung fast aller Stimmen vermeldete die Nachrichtenagentur RIA, die Partei von Präsident Wladimir Putin halte voraussichtlich 26 von 45 Sitzen - das wäre ein Drittel weniger als bislang. 2014 hatte die Partei noch 28 eigenständige Mandate errungen und wurde zudem von zehn weiteren Kandidaten ohne Parteibuch unterstützt. Viele Stimmen wanderten zur Kommunistischen Partei ab, die sich mit 13 statt bisher fünf Sitzen mehr als verdoppelt hat. Die Oppositionspartei Jabloko erreichte drei Mandate, darunter der prominente Politiker Sergej Mitrochin, der sich vor Gericht eine Zulassung zur Wahl erstritten hatte. Kremlkritiker wie der Oppositionspolitiker Alexej Nawalny hatten im Vorfeld der Wahl zum "taktischen Wählen" aufgerufen, um "Geeintes Russland" möglichst viele Mandate abzuringen.
Berichte über Verstöße
Wahlleiterin Ella Pamfilowa und das Innenministerium berichteten von einer Wahl ohne ernsthafte Verstöße. Dieser Darstellung widersprachen allerdings die Menschenrechtsorganisation Golos und andere Beobachter: Sie berichteten von Hunderten Meldungen über Manipulationsversuche und Behinderung von Beobachtern. Im Internet kursierten Fotos von massenweise vorausgefüllten Stimmzetteln für "Geeintes Russland". Stimmen sollen gekauft worden und Mitarbeiter von Staatsbetrieben mit Bussen zu den Wahlbüros gekarrt worden sein. In manchen Landesteilen war die Wahlbeteiligung sehr niedrig, in Moskau lag sie mit 21,63 Prozent etwa auf dem Niveau der Wahl von 2014.
Am Wahltag gab es einige Festnahmen, darunter der Pressesprecher von Golos. Laut dem Bürgerportal OWD-Info wurden mindestens 16 Personen festgenommen, darunter Maria Aljochina, ein prominentes Mitglied der Punkband Pussy Riot. Auch Journalisten seien in Gewahrsam genommen worden.
Wochenlange Proteste
Insgesamt waren am Sonntag 56 Millionen Menschen zur Stimmabgabe aufgerufen, das ist fast die Hälfte aller Wahlberechtigten Russlands. Obwohl in allen 11 Zeitzonen des riesigen Landes lokale und regionale Amtsträger gewählt wurden, lag der öffentliche Fokus stark auf der Hauptstadt. In Moskau waren eine Reihe von Kandidaten der Opposition, insbesondere ausgewiesene Putin-Kritiker, nicht zur Wahl zugelassen worden. Vor der Wahl kam es deswegen wochenlang immer wieder zu massiven Protesten. Sicherheitskräfte drängten die Demonstranten teils gewaltsam zurück, es kam mehrfach zu Festnahmen. Auch Journalisten, darunter ein Reporter der Deutschen Welle, waren zwischenzeitlich festgesetzt worden.
Die Wahl galt als Stimmungstest vor der Präsidentenwahl in zwei Jahren. Amtsinhaber Wladimir Putin genießt zwar immer noch hohes Ansehen im Land. Seine Stellung leidet jedoch zunehmend, weil viele Russen mit der wirtschaftlichen Lage im Land unzufrieden sind. Eine Rentenreform hatte nachteilige Folgen für viele Menschen.
ehl/as (dpa, rtr, afp)