Kritik bei Wahl in Russland
8. September 2019Die Wahlen auf regionaler und kommunaler Ebene galten als wichtiger Stimmungstest für Kremlchef Wladimir Putin und die Regierungspartei Geeintes Russland. Aussagekräftige Ergebnisse werden am Montag erwartet.
Trotz schlechter Umfragewerte wollte die Kremlpartei ihre Macht verteidigen. 56 Millionen Bürger waren zur Stimmabgabe aufgerufen - das ist fast die Hälfte der Wahlberechtigten Russlands. In einigen Regionen war die Beteiligung niedrig. In Moskau stimmten bis zum frühen Abend lediglich 17 Prozent der Wähler ab.
Das Moskauer Innenministerium betonte, dass der Wahltag ruhig verlaufen sei. Zwar seien ihnen mehr als 300 Verstöße gemeldet worden. Dies werde jedoch keinen Einfluss auf das Wahlergebnis haben, beteuerte das Ministerium.
Auch die Beobachter der Menschenrechtsorganisation Golos berichteten von Hunderten Manipulationsversuchen und Behinderungen ihrer Arbeit. Der Pressesprecher von Golos sei ohne Angaben von Gründen festgenommen worden, teilte die Organisation mit.
Zudem wurden nach Angaben des Bürgerportals OWD-Info mindestens 16 Menschen festgenommen, darunter Journalisten, ein Kommunalpolitiker sowie Maria Aljochina, ein prominentes Mitglied der Punkband Pussy Riot.
Oppositionelle wie der Anti-Korruptions-Kämpfer Alexej Nawalny hatten zu einer Protesthaltung aufgerufen und eine "smarte Stimmabgabe" empfohlen. Damit sollten gezielt andere Kandidaten als die der Kremlpartei gewählt werden. Viele Oppositionelle waren wegen angeblicher Formfehler als Kandidaten nicht zugelassen.
Vorwürfe gab es gegen die US-Internetriesen Google und Facebook. Sie sollen sich mit Agitation am Wahltag in Russlands innere Angelegenheiten eingemischt haben, teilte die Medienaufsicht Roskomnadsor mit. Eine Kommission im Parlament werde prüfen, ob ausländische Kräfte versuchten, die Wahl zu beeinflussen. Auch die Videoplattform Youtube werde untersucht.
Dass mehrere Politiker als Kandidaten nicht zugelassen waren, hatte zuletzt Massenproteste ausgelöst. Dabei kam es in den vergangenen Wochen zu massiver Polizeigewalt gegen friedliche Demonstranten. Tausende Menschen waren bei den Demonstrationen für freie Wahlen vorübergehend festgenommen worden. Am Samstag kamen die bekannte Aktivistin Nadeschda Tolokonnikowa und weitere Mitglieder von Pussy Riot vorübergehend in Polizeigewahrsam.
Sie wollten in der Stadt ein Banner mit der Aufschrift "Putin, geh von selbst!" aufhängen. Der Kremlchef gab in Moskau seine Stimme ab. Auf die Frage, ob er sich nicht mehr Vielfalt wünsche, sagte Putin bei der Stimmabgabe, dass nicht die Zahl der Kandidaten, sondern die Qualität ihrer Arbeit wichtig sei.
uh/sti (dpa, afp)