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Geballte Kritik vor der ägyptischen Botschaft

Heiner Kiesel19. August 2013

Amnesty International hat in Berlin eine Demonstration gegen die Gewalt der Militärs in Ägypten organisiert. Mursi-Anhänger nutzten die Aktion, um ebenfalls zu protestieren. Ein Bericht von einer angespannten Begegnung.

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Protest von Amnesty International und Mursi-Anhängern vor der ägyptischen Botschaft in Berlin Bild: DW/Heiner Kiesel 19.08.2013
Protest von Amnesty International und Mursi-Anhängern in BerlinBild: DW/H. Kiesel

Alexia Knappmann gehört zum Voraustrupp, aber sie ist nicht die erste an der ägyptischen Botschaft in Berlin. Die Nahost-Expertin von Amnesty International Deutschland sieht leicht irritiert aus, zieht für einen Moment die Augenbrauen zusammen, als sie auf die Gruppe von Demonstranten blickt, die sich schon breitgemacht hat. Gut 15 sind es. "Stopp dem Blutbad" heißt es auf den Schildern, die sie hochhalten, und über einem Porträt des abgesetzten Muslimbruders Mohammad Mursi steht: "Der legitime Präsident von Ägypten."

Das ist nicht die Demonstration, die Amnesty International am Montag (19.08.2013) organisiert hat und die Alexia Knappmann erwartet hat. "Wir wollen eigentlich ein Riesentransparent mit einer Petition gegen die Gewalt und vor allem auch sexuelle Gewalt in Ägypten an den Botschafter übergeben", erklärt sie. Die Amnesty-Aktivistin späht die Straße hinunter - in die Richtung, aus der ihr Demonstrationszug kommen soll. Dann blickt sie wieder auf die Opfer-Fotos, die die anderen aufgebaut haben: Leichen mit verdrehten Gliedern, blutüberströmte Gesichter.

Protest von Amnesty International und Mursi-Anhängern vor der ägyptischen Botschaft in Berlin Bild: DW/Heiner Kiesel 19.08.2013
Amnesty-Aktivistinnen Alexia Knappmann und Selmin Caliskan wollen in die ägyptische BotschaftBild: DW/H. Kiesel

Geschickte Planung der Mursi-Anhänger

Die Aktivisten von Amnesty International begegnen den Demonstranten mit den Mursi-Schildern mit Skepsis. Vor der Machtübernahme des Militärs in Ägypten habe Amnesty International auch immer wieder über Menschenrechtsverletzungen unter der Regierung der Muslimbrüder berichtet, sagt Knappmann. "Die Mursi-Anhänger können ihre Anliegen natürlich auch vorbringen, aber: Das sind hier zwei Veranstaltungen!"

Ali Alawaly will das nicht in Abrede stellen, aber er versteht die Distanzierung nicht. Der kräftig gebaute Ägypter mit dem kurz geschorenen Bart trägt eine rote Schärpe mit der Aufschrift "Gegen den Militärputsch". "Wir haben doch die gleichen Ziele und stehen für Demokratie und Menschenrechte ein." Es gehe doch gar nicht mehr um Mursi, sondern um Gerechtigkeit. Der Ägypter dreht sich kurz weg. Sein Handy klingelt - ein Anruf aus Kairo. "Geht es euch gut? Allhamdulillah, gottseidank!" Er streicht die Schärpe glatt, wieder beunruhigende Nachrichten aus der Heimat. "Dort schießen sie jetzt auch mit Hubschraubern auf die Leute, und hier kümmert sich bisher kaum jemand um unseren Protest", beklagt er sich. Aber nun könnte seine Position mehr Aufmerksamkeit bekommen.

Ali Alawady Protest von Amnesty International und Mursi-Anhängern vor der ägyptischen Botschaft in Berlin Bild: DW/Heiner Kiesel 19.08.2013
Ali Alawady demonstriert gegen die Militärs in seinem LandBild: DW/H. Kiesel

Mursi-Anhäger springen auf den Zug der Amnesty-Aktivisten auf

Eigentlich war die Kundgebung der Militärputsch-Gegner und Mursi-Befürworter vor dem Auswärtigen Amt geplant. Doch dann hatte man die Idee, den Protest mit der Aktion von Amnesty International zusammenzulegen. Die Menschenrechtsgruppe hat einen gewichtigen Namen, außerdem findet dieser Tage auch eine Sitzung des internationalen Rates der Organisation in Berlin statt. "Ägypten ist dabei eines der wichtigsten Themen," berichtet der Ägyptologe Henning Franzmeier, der von der Ratssitzung ebenfalls zur Botschaft gekommen ist.

Die Delegierten dort haben sich mit einem bestürzenden Bericht auseinandergesetzt. Darin berichtet ein Amnesty-Team über Besuche in Krankenhäusern und Leichenhallen in Kairo. Als auffällig bei den Opfern werden die zahlreichen Einschüsse in Kopf und Brust beschrieben. "Die Sicherheitskräfte unterscheiden nicht zwischen friedlichen und gewaltbereiten Demonstranten", fasst Franzmeier zusammen. Damit sich die Situation in Ägypten entspannt, müsste das sich Militär für eine Mäßigung einsetzen, meint der Amnesty-Experte. Aber da bewege sich wenig.

Henning Franzmeier, Ägyptologe - Amnesty International Protest von Amnesty International und Mursi-Anhängern vor der ägyptischen Botschaft in Berlin Bild: DW/Heiner Kiesel 19.08.2013
Ägyptologe Henning Franzmeier vor der ägyptischen BotschaftBild: DW/H. Kiesel

Botschaft für den Botschafter

Franzmeier strafft sich. Jetzt kommen endlich die Demonstranten von Amnesty International um die Ecke: 30 Aktivisten mit gelben Umhängen und Transparenten. Die Mursi-Anhänger mit ihren Pappschildern eilen ihnen entgegen. Vier Männer mit einer Sarg-Attrappe machen neben den Amnesty-Demonstranten kehrt und laufen dann neben ihnen her. Alawady nickt zufrieden. Fotografen, Kameraleute, zwei Reporterinnen mit Notizblock nehmen die Szene auf - die Mursi-Anhänger sind mit dabei.

Protest von Amnesty International und Mursi-Anhängern vor der ägyptischen Botschaft in Berlin Bild: DW/Heiner Kiesel 19.08.2013
Die Mursi-Anhänger schließen zur Amnesty-Gruppe aufBild: DW/H. Kiesel

Vor der Botschaft, als Selmin Çalıskan, die Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, das Transparent mit der Petition hochhält, mischen sich die Mursi-Anhänger unter die Amnesty-Aktivisten. "Stopp dem Massaker" wird neben "Stoppt die sexuelle Gewalt" geschwenkt. Es ist, als ob zwei Bilder übereinander geschoben werden. Dann trennen sich die Gruppen wieder. Knappmann und ihre Generalsekretärin gehen zum Eingang der Botschaft und klingeln. Sie warten, dann lässt sie ein Botschaftsangehöriger hinein. Die Mursi-Anhänger müssen jetzt doch draußen bleiben.