Trauer um einen politischen Geist
13. April 2015Günter Grass gehörte zu den bekanntesten Nachkriegsautoren Deutschlands und war bekannt für seine eigenwilligen Ansichten. Aber sein Name wird wohl für immer mit seinem Roman "Die Blechtrommel" von 1959 verbunden bleiben. Jetzt ist der Schriftsteller im Alter von 87 Jahren in Lübeck verstorben.
Keine Kontroverse gescheut
Vertreter aus Politik und Gesellschaft würdigten den in Danzig geborenen Sohn einer Kaufmannsfamilie als Weltliterat und streitbaren politischen Geist. Mit seiner Literatur und seiner Kunst habe er die Menschen in Deutschland bewegt, begeistert und zum Nachdenken gebracht, schrieb Bundespräsident Joachim Gauck in einem Brief an Grass' Witwe Ute. "Sein Werk ist ein beeindruckender Spiegel unseres Landes und ein bleibender Teil seines literarischen und künstlerischen Erbes", so Gauck weiter.
Bundestagspräsident Norbert Lammert würdigte den Staatsbürger Grass, der keine noch so heftige Kontroverse gescheut habe. "Das machte ihn zu einer Instanz in der politischen Debatte, die zuweilen störte und manchmal auch verstörte."
Eine Lücke, die nicht zu schließen ist
Der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, erklärte, sein Tod hinterlässt eine Lücke, die nicht zu schließen sein wird. Mit Günter Grass verlieren wir einen herausragenden Schriftsteller, der wie kaum ein anderer die deutsche Nachkriegs- und Gegenwartsliteratur geprägt hat und dessen Werk weltweit bewundert wird. Seine Bücher und Gedichte bleiben unvergessen.
SPD trauert um Grass
Auch der deutsche Vize-Kanzler Sigmar Gabriel (SPD) und Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) zeigten sich über den Tod des Literaten bestürzt. Seit den 1960er Jahren hatte sich Grass immer wieder in Bundes- und Landtagswahlkämpfen für die SPD engagiert und vor allem mit Willy Brandt einen engagierten Austausch gepflegt. Aus Protest gegen deren Asylpolitik trat er 1992 zwar aus der Partei aus, blieb ihr aber bis zuletzt verbunden.
Mit seinem 1959 erschienenen Roman "Die Blechtrommel" wurde er weltberühmt. Die Reaktionen auf das Werk, das in 24 Sprachen übersetzt wurde, waren überwältigend - sowohl positiv wie negativ. Die spätere Verfilmung von Volker Schlöndorff gewann 1980 als erstes deutsches Werk den Oscar für den besten fremdsprachigen Film. Grass selbst erhielt 1999 den Nobelpreis für Literatur. Er war aber auch als Grafiker, Zeichner und Bildhauer tätig.
Einsatz für die Aussöhnung mit Polen
Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte sich Grass leidenschaftlich für den Verzicht auf die ehemaligen deutschen Ostgebiete und eine Aussöhnung mit Polen ein. Für viele repräsentiert er den Typus des linksliberalen Intellektuellen, der sich antidemokratischen Praktiken jeder Art konsequent verweigerte.
Mitglied der Waffen-SS
Allerdings geriet der Autor 2006 in die Schlagzeilen durch sein Eingeständnis, dass er als 17-Jähriger am Ende des Zweiten Weltkriegs Mitglied der Waffen-SS war. Ihm wurde vorgeworfen, seine SS-Zugehörigkeit zu lange verschwiegen zu haben, während er andere immer wieder wegen ihrer NS-Vergangenheit öffentlich kritisiert habe. Sein im April 2012 in der "Süddeutschen Zeitung" erschienenes israelkritisches Gedicht "Was gesagt werden muss" sorgte ebenfalls für heftige Diskussionen.
Unerwünschte Person
Darin beschuldigte Grass die Regierung Israels, mit einem möglichen militärischen Erstschlag gegen den Iran den Weltfrieden zu gefährden. Politiker und Vertreter des Judentums in Deutschland waren empört und die israelische Regierung erklärte Grass zur unerwünschten Person.
Kulturstaatsministerin Monika Grütters schrieb zum Tode Grass', er habe sich an der deutschen Geschichte gerieben, abgearbeitet und auch manche Interpretation gefunden, die für seine Leser wie für seine Kritiker nur schwer auszuhalten war.
uh/sti (dpa, afp)