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Gauck fordert bessere Flüchtlingspolitik

Kay-Alexander Scholz30. Juni 2014

Der Bundespräsident fordert eine "ehrliche, pragmatische und nüchterne" Debatte über Flüchtlingspolitik in Europa. Mit Blick auf die Bootsflüchtlinge im Mittelmeer mahnt Gauck einen Kurswechsel an.

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Joachim Gauck: Rede zum Flüchtlingsschutz am 30.06.2014 in Berlin (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

"Tun wir wirklich schon alles, was wir tun sollten?" Diese Frage zum Umgang mit Flüchtlingen hatte Bundespräsident Joachim Gauck erstmalig in seiner Weihnachtsansprache 2013 gestellt. Beim 14. Berliner Symposium zum Flüchtlingsschutz, dem zentralen Treffen der Zivilgesellschaft, Politik und Kirchen, entwickelte er diese Frage weiter und gab eine Antwortrichtung vor: Nicht allein die finanziellen oder politischen Programme würden eine Antwort geben, sagte Gauck vor den rund 100 Teilnehmern des Symposiums, sondern auch die "Art und Weise, wie ehrlich, pragmatisch und nüchtern die Politik und die Gesellschaft die Herausforderungen der Flüchtlingspolitik" diskutiere.

Deutschland und Europa täten viel, um Flüchtlinge aufzunehmen. "Aber nicht so viel, wie es uns selbst manchmal scheint", sagte Gauck. Die Zahl der Asylanträge in Deutschland habe sich im laufenden Jahr gegenüber 2013 verdoppelt. Gemessen an absoluten Zahlen kämen in kein anderes Land Europas mehr Flüchtlinge; dennoch liege Deutschland gemessen an der Bevölkerungszahl nur auf Platz 9. Der Beschluss, nun zusätzliche 10.000 syrische Flüchtlinge aufzunehmen, sei "richtig, wichtig und wertvoll". Kein anderer Staat in Europa habe mit vergleichbaren Programmen auf den Syrienkonflikt reagiert, so Gauck. Dennoch habe sich der Großteil der 32.000 in Deutschland seit Beginn des Konflikts aufgenommenen Syrer auf andere, auch illegale Weise durchschlagen müssen.

Grenzen und Menschenleben schützen

Eine europäische Flüchtlingspolitik habe nicht nur die Grenzen, sondern auch Menschenleben zu schützen. "Ich kann mich nicht daran gewöhnen", sagte Gauck mit Blick auf das Drama der Bootsflüchtlinge im Mittelmeer. "Niemand in Europa sollte sich daran gewöhnen." Denn die Bilder passten nicht zum "Bild, das wir Europäer von uns selber haben".

Gauck mahnte an, die Lasten der Flüchtlingswellen aus Syrien und über das Mittelmeer "gerechter, transparenter und solidarischer" zu teilen. "Einander vorrechnen, was erst der andere tun muss, bevor wir uns selbst bewegen, das sollten wir nicht tun", mahnte Gauck. Denn es seien Flüchtlinge, die "in unserem Europa Zuflucht suchen". Stattdessen schlug der Bundespräsident vor, die Standards in den europäischen Ländern anzugleichen.

"Schwierige Politik ohne Patentlösungen"

Dabei gebe es das Dilemma zwischen dem berechtigen Schutz der EU vor unkontrollierter Zuwanderung und den Rechten derer, deren Leben gefährdet ist. Zudem bewege sich die Politik in einem Spannungsfeld zwischen zwei Abgrenzungen: Gegenüber denen, die wünschten, die "Tore weit aufzumachen für alle Mühseligen und Beladenen" und denen, die sagen, "die Grenzen des Machbaren sei längst erreicht und wir müssten uns besser abschotten". Flüchtlingspolitik sei eine "schwierige Politik ohne Patentlösungen". Man könne nie "allen Bedrohten und Verfolgten Zuflucht und Zukunft bieten".

Auch der deutsche Asylkompromiss von 1993 nach dem Ende der Teilung Europas, der den damals "dramatisch gestiegenen Antragszahlen Rechnung trug", habe dies auf eine "bis heute umstrittene Weise getan". Dennoch, so wiederholte Gauck: "Wir könnten mehr tun". Aber, auch "manches besser und vor allem gemeinsam als Europäer". Die Asylverfahren sollten effektiver und schneller bearbeitet werden können. Menschen ohne Flüchtlingsgrund sollten "auf humane Weise" zurückgewiesen werden.

Migration könne, das hätten Studien längst erwiesen, "ein starker Entwicklungsmotor sein, auch für die Herkunftsländer". Politik sollte den "allseitigen Nutzen" im Blick haben: Hilfe für die Migranten, die aufnehmenden Gesellschaften und auf längere Sicht auch für die Herkunftsländer. Gauck erinnerte daran, dass Migranten viel Erspartes in ihre alte Heimat überweisen würden und damit ähnlich wie Entwicklungshilfe auch Armut bekämpften. Zudem würden sie "Kenntnisse und Werte in ihre Heimat bringen", falls sie zurückkehrten.