Macron helfen, nicht belehren
Seine Wahl war gerade erst einige Stunden her, die Amtseinführung noch eine Woche hin. Und dennoch bekam der künftige Hausherr im Élysée bereits frühzeitig Ratschläge vom Partner auf der anderen Seite des Rheins: Keine Vergemeinschaftung von Schulden, keine Politik auf Pump, keine Sonderbehandlung für Frankreich. So oder ähnlich lauteten die Ratschläge, die Emmanuel Macron von Politkern von Union und FDP mit auf den Weg gegeben wurden
Ja - geht es noch? Kaum ist landauf, landab die Erleichterung gewichen, dass der 39-jährige Begründer von "En marche" mit einem einzigartig pro-europäischem Kurs Marine Le Pen und damit praktisch den Untergang der EU verhindert hat, da wird schon genörgelt, da werden gelbe Karten gezeigt und rote Linien gezogen. Dabei muss es doch gerade für Deutschland jetzt darum gehen, gemeinsam mit Frankreich neue Ideen für Reformen der EU zu entwickeln. Anstatt mit dem erhobenen Zeigefinger zu mahnen, wäre erstmal Zuhören angesagt, was Macron tatsächlich vorhat: Das gebietet die Vernunft - und der Respekt.
Genug Druck von rechts und links im eigenen Land
Meine lieben Landsleute: Gebt ihm doch zumindest jene 100 Tage, die jedem Amtsneuling gewährt werden. Oder wollen wir wirklich, dass Macron gleich zu Beginn Schiffbruch erleidet - unter dem Druck zusammenbricht, den Populisten wie Marine Le Pen von rechts oder Jean-Luc Mélenchon von links auf ihn ausüben? Nein, das kann nicht im europäischen Interesse sein und somit auch nicht im deutschen.
Für die Verantwortlichen in Berlin wie in Brüssel gilt es jetzt, Macrons Reformideen positiv, zumindest aber aufgeschlossen zu begegnen. Und es gilt: Augenhöhe mit Paris zu wahren. Immerhin hat Angela Merkel jetzt angekündigt, mit Frankreich bei Themen wie Investitionen und Stärkung der Euro-Zone Initiativen zu entwickeln.
Emmanuel Macron hat Vorschläge gemacht, wie eine demokratischere, nachhaltige, solidarische EU sowie zukunftsweisende Wege aus der Eurokrise aussehen könnten. Auch in Deutschland wollen viele ein besseres und solidarischeres Europa. Das sind gute Voraussetzungen für eine Revitalisierung des deutsch-französischen Motors, der seit Jahren stottert.
Die Euro-Rettungsmechanismen wurden außerhalb der bestehenden europäischen Verträge geschaffen. Es mangelt ihnen daher sowohl an demokratischer Legitimität als auch an effektiver, parlamentarischer Kontrolle. Lasst uns daher eine Allianz der Parlamente bilden! Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) muss letztlich zu einem Europäischen Währungsfonds umgebaut werden, der unter der demokratischen Kontrolle des Europaparlaments steht. Das ist auch ein klares Signal an all jene, die noch nicht Mitglied im Euro sind: Die Stärkung der Eurozone richtet sich nicht gegen Euch!
Ja zum gemeinsamen Haushalt in der Eurozone
Macron tritt ein für die Idee eines gemeinsamen Budgets für die Eurozone. Ein sinnvoller Vorstoß! Ein solches Budget sollte Investitionen für gemeinsame Innovationen ermöglichen und darüber hinaus Länder in Notsituationen unterstützen.
Das Momentum ist doch da! Der Brexit hat viele Europäerinnen und Europäer wachgerüttelt. In Österreich ist der bekennende Europäer Alexander Van der Bellen Präsident geworden, in den Niederlanden haben die Grünen mit einem Pro-EU-Kurs ein Rekordergebnis bei den Parlamentswahlen eingefahren. Allwöchentlich lassen tausende Bürger den "Pulse of Europe" schlagen.
In Europa kommt man nur gemeinsam voran. Einseitiges Handeln führt ins Abseits, dem grassierenden Nationalismus müssen wir uns entschieden entgegenstellen. Mit unseren französischen Partnern sollten wir uns auf den Weg machen: Hin zu einem Europa, das den internationalen Herausforderungen standhalten kann.
Franziska Brantner ist seit 2013 Bundestagsabgeordnete der Grünen, zuvor war sie vier Jahre Mitglied des Europäischen Parlaments. Sie gehört der gleichen Generation an wie Emmanuel Macron.
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