In den vergangenen Tagen haben sich in der Handelspolitik die Entwicklungen weltweit geradezu überschlagen. Eine Veränderung der ökonomischen Plattentektonik zeichnete sich jedoch schon seit einigen Jahren ab. In der Welthandelsorganisation WTO gibt es einen gefährlichen Stillstand. Bereits seit Amtsantritt von Präsident Trump beobachtet die deutsche Wirtschaft mit Sorge den verstärkten Fokus der USA auf Handelsschutzinstrumente.
Amerika gegen den Rest der Welt?
In der Handelspolitik wird aus dem Slogan "America First" gerade bittere Realität, letztlich schaden sich die USA aber sogar selbst. Mit Zöllen auf Stahl und Aluminium gehen die Vereinigten Staaten einen gefährlichen Sonderweg. Warum NATO-Partner wie Deutschland oder Großbritannien mit ihren Stahlprodukten die Sicherheit der USA gefährden sollen, ist nicht nachvollziehbar. Der Bezug auf eine WTO-Klausel für die nationale Sicherheit wirkt sehr konstruiert und fragwürdig, er könnte sogar die gesamte Welthandelsordnung der WTO ins Wanken bringen. Es scheint sich vorerst gelohnt zu haben, dass Bundesregierung und EU-Kommission in Washington geschlossen vorstellig geworden sind. Die vorläufige Ausnahme der EU von den Strafzöllen ist aber allenfalls ein kleiner Etappensieg. Eine Atempause von fünf Wochen.
Es schaukelt sich hoch
Die Gefahr eines Handelskriegs ist damit aber noch nicht gebannt. Im Gegenteil: US-Präsident Trump hat angekündigt, 25-prozentige Zölle auf chinesische Produkte im Umfang von mindestens 50 Milliarden US-Dollar pro Jahr erheben zu wollen. Grundlage hierfür ist eine Untersuchung über den Diebstahl geistigen Eigentums und erzwungenen Technologietransfer durch China. Die Produktliste umfasst unter anderem Raumfahrt, Informations- und Kommunikationstechnologie und Maschinen. Sie soll in wenigen Tagen für eine 30-tägige Konsultation veröffentlicht werden. Hier zeichnet sich ein großer Konflikt zwischen China und den USA ab.
Aber selbst wenn sich der Konflikt nur auf die USA und China konzentrieren sollte, bleiben deutsche Unternehmen nicht außen vor. Denn sie sind in beiden Märkten stark präsent, etwa mit Niederlassungen oder Joint Ventures. Zölle und Protektionismus zwischen diesen Wirtschaftsgiganten treffen deutsche Unternehmen automatisch. Zwar reagiert China bisher zurückhaltend. Die Stimmen aus Peking lassen jedoch erwarten, dass man den Maßnahmen aus Washington nicht tatenlos zusehen wird.
Welthandelsordnung steht auf dem Spiel
Eine Hoffnung besteht jedoch: Die Spannungen könnten auch dazu genutzt werden, Gespräche über die Akzeptanz globaler Regeln wieder zu intensivieren. Denn wir müssen weiter miteinander reden - in Zeiten globaler Liefer- und Wertschöpfungsketten braucht die Wirtschaft weltweit und insbesondere unsere hochinternationalisierte deutsche Wirtschaft verlässliche und gute Regeln, welche alleine die WTO garantiert. Mit nationalen Maßnahmen aus dem 19. Jahrhundert (Schutzzölle!) werden wir den globalen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts (Aufbau globaler Wertschöpfungsketten!) jedenfalls nicht gerecht. Das Vorpreschen eines einzelnen zerstört das dafür notwendige Vertrauen. Im Welthandel muss die Stärke des Rechts gelten und nicht das Recht des Stärkeren.
Eines gilt es jedoch auch im Blick zu haben: Letztlich wird in der Diskussion auch deutlich, dass derzeit die Rolle Chinas auf den Weltmärkten stark hinterfragt wird. Die Öffnung des Landes schreitet zwar an einigen Stellen voran. Mit den Themen Investitionsschutz, Joint-Venture-Zwang, Datenzugriff und Dumping stehen aber auch viele kritische Themen zur weiteren Diskussion an.
Es gäbe also wahrlich genug zu tun, um unsere gemeinsame Wirtschaft rund um den Globus regelbasiert voranzubringen. Denn wir brauchen weltweit weniger Zölle und Handelsbarrieren - und mehr gemeinsam getragene Spielregeln für guten und fairen Handel.
Dr. Ilja Nothnagel ist Leiter des Bereichs Internationale Wirtschaftspolitik beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag