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Politik

Gambia hofft auf Gerechtigkeit

Katrin Gänsler Banjul
15. August 2017

Folter, Mord und Misshandlungen gehören zur Bilanz der 22-jährigen Herrschaft von Yahya Jammeh in Gambia. Eine neue Kommission möchte diese Zeit jetzt aufarbeiten und Opfer, wie Yusufa Mbaye, entschädigen.

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Versöhnung in Gambia ( Banjul)
Bild: DW/Katrin Gänsler

Yusufa Mbaye schaut auf das kleine Tor, das das Wohnhaus seiner Eltern von der Außenwelt trennt. An manchen Tagen starrt er stundenlang darauf. Um es zu durchqueren, ist die Unterstützung seiner Schwester oder Mutter notwendig. Der 34-Jährige sitzt im Rollstuhl ist und ständig auf Hilfe angewiesen. Schuld daran sind die Vorfälle vom 10. und 11. April 2000.

"Diese Tage werde ich nie vergessen", sagt Mbaye. "Damals protestierten wir Studenten, weil Feuerwehrleute einen unserer Kommilitonen zu Tode gefoltert und Sicherheitskräfte eine 13-jährige Schülerin vergewaltigt hatten. Wir forderten die Regierung in einem Schreiben auf, Maßnahmen zu ergreifen." Doch nichts geschah. "Deshalb organisierte die gambische Studenten-Union eine Demonstration", erinnert sich Mbaye und versucht, so teilnahmslos wie möglich zu klingen.

Neues Gambia: Die Aufklärung alter Verbrechen

Die Studentenproteste gingen in die Geschichte Gambias ein. Die Situation eskalierte, Sicherheitskräfte der gambischen Regierung unter Ex-Präsident Yahya Jammeh erschossen 14 Menschen. Yusufa Mbaye traf eine Kugel im Rücken, weshalb er später Monate lang in Ägypten behandelt wurde. Seitdem ist er gelähmt. Weder konnte er fertig studieren, noch einen Job finden. Mbaye ist darauf angewiesen, dass Freunde und Hilfsorganisationen ihm Geld zustecken.

Späte Gerechtigkeit für die Opfer?

Doch genau das soll sich jetzt ändern, so will es die neue Regierung unter Präsident Adama Barrow. Dieser hatte Jammeh, der Gambia 22 Jahre lang regierte, überraschend im Dezember abgelöst. Jammeh selbst ging nach zähen Verhandlungen und Drohgebärden Ende Januar ins Exil nach Äquatorialguinea. Hinterlassen hat er ein Land, das von Misstrauen geprägt ist und in dem zahlreiche Menschenrechtsverletzungen aufgearbeitet werden müssen.

Versöhnung in Gambia (Banjul)
Justizminister Abubacarr TambadouBild: DW/Katrin Gänsler

Das soll nun die neu gegründete Wahrheits-, Versöhnungs- und Entschädigungskommission tun, erklärt Justizminister Abubacarr Tambadou: "Wir wollen herausfinden, wer an den Misshandlungen beteiligt war, welche Gründe es dafür gab und wie die Taten zusammenhingen. War es vom Staat geplant, von einer Gruppe, von Einzelpersonen?"

Kaum Geld für das Großprojekt

Die Kommission will zudem Opfer entschädigen, etwa mithilfe von Renten oder Stipendien für Waisen. Wie viele Menschen Anspruch darauf haben, soll in den kommenden Monaten ermittelt werden. Für die Aufarbeitung stehen aktuell jedoch lediglich 1,4 Millionen US-Dollar zur Verfügung. Essa Njie, Politikwissenschaftler an der Universität von Gambia, zweifelt deshalb an den ambitionierten Zielen: "Man versöhnt Menschen nicht einfach nur so. Man muss sie auch entschädigen. Doch bei der momentanen Wirtschaftslage wird das für die Regierung sehr schwierig werden."

Sieben Monate nach dem Machtwechsel sind Opfer wie Yusufa Mbaye wenig euphorisch, wenn ihre neuen Politiker überall Werbung für das Projekt machen. Mbaye hat Präsident Barrow im Januar sogar persönlich getroffen, doch seitdem hat er nichts mehr gehört. "Vielleicht gibt es eine Entschädigung, vielleicht auch nicht", sagt er. "Ich bin von der gambischen Regierung nicht überzeugt. Dabei haben wir so viele Briefe geschrieben."

Ein gespaltenes Land soll geeint werden

Noch ist völlig offen, wie viele Fälle vor Gericht landen werden und was mit bisherigen Jammeh-Anhängern geschieht, die noch immer verantwortungsvolle Positionen bekleiden. Politikwissenschaftler Njie fordert, in alle Richtungen zu untersuchen: "Wir müssen eine selektive Gerechtigkeit vermeiden. Seit 1994 sind in diesem Land so viele Verbrechen begangen worden. Wir dürfen uns nicht nur einen bestimmen Bereich und bestimmte Menschen aussuchen."

Versöhnung in Gambia ( Banjul)
Politikwissenschaftler Essa NjieBild: DW/Katrin Gänsler

Für die Zukunft Gambias, wo gerade einmal rund zwei Millionen Menschen leben, ist aber noch etwas anderes von Bedeutung. Nach Jahren der Menschenrechtsverletzungen soll das Land wieder geeint werden. "Wir wünschen uns, dass sich wirklich jeder Gambier von der Kommission repräsentiert fühlt", sagt Justizminister Tambadou über das neue Projekt. "Bei der Gründung der Kommission achten wir deshalb sehr auf die regionale, ethnische und religiöse Zusammensetzung."

Yusufa Mbaye reichen all die Pläne bisher nicht aus. Ihm ist die Kommission zu unpersönlich. Trotzdem hofft er, irgendwann einmal zu erfahren, wer ihm in den Rücken geschossen hat. Sein Wunsch: "Mit allen anderen Opfern aus der Jammeh-Zeit möchte ich Präsident Barrow noch einmal treffen."