"Ein Gigant des 20. Jahrhunderts"
18. Dezember 2013Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hat den ersten sozialdemokratischen Bundeskanzler Willy Brandt als "Giganten des 20. Jahrhunderts" bezeichnet. Es habe selten ein so weit gespanntes politisches Wirken gegeben, sagte Gabriel bei einem Festakt im Willy-Brandt-Haus in Berlin. Der 1992 gestorbene frühere Kanzler, Friedensnobelpreisträger und langjährige SPD-Vorsitzende wäre am 18. Dezember 100 Jahre alt geworden.
Legendär - Brandts Kniefall
Seine Ostpolitik und der Kniefall vor dem Denkmal im Warschauer Ghetto im Dezember 1970 hätten nach der Schuld des Nationalsozialismus neues Vertrauen bei den Nachländern geschaffen und erst den Weg zur deutschen Wiedervereinigung geebnet, sagte Gabriel. Der neue Vizekanzler erinnerte daran: "Willy Brandt war der letzte SPD-Vorsitzende, der noch aus der alten Arbeiterbewegung gekommen ist. Das zeigt, dass Menschen, die aus kleinen Verhältnissen kommen, Großes leisten können."
Brandt wurde als unehelicher Sohn einer Verkäuferin als Herbert Frahm in Lübeck geboren, seinen Vater lernte er nie kennen. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland ging er ins Exil nach Norwegen und Schweden. Dort nahm er seinen "Kampfnamen" Willy Brandt an.
Unter den Gästen in der SPD-Zentrale waren auch Brandts langjähriger enger Freund und Mitarchitekt der neuen Ostpolitik, Egon Bahr (91), sowie der 93 Jahre alte frühere Bundespräsident Richard von Weizsäcker (CDU), und der ehemalige SPD-Chef Hans-Jochen Vogel (87). "Es gibt so viele Bilder Willy Brandts, die wir in uns tragen", sagte der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, der Vorsitzender des Kuratoriums der Brandt-Stiftung ist.
Vor dem Festakt hatten Gabriel, Thierse, der Regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit, und einige andere SPD-Politiker am Grab des 1992 gestorbenen Brandt in Berlin-Zehlendorf einen Kranz niedergelegt.
Politik der Entspannung
Brandt prägte mit seinem "Mehr Demokratie wagen" einen neuen Politikstil der Öffnung. Für seine Ostpolitik, die auf Entspannung und Ausgleich mit der Sowjetunion, Polen, der DDR und den übrigen Ostblockstaaten ausgerichtet war, erhielt Brandt 1971 den Friedensnobelpreis.
Innenpolitisch löste seine Ostpolitik, die auch die Anerkennung der Grenzen in Europa bedeutete, heftige Diskussionen aus. Kritiker, auch aus den eigenen Reihen, warfen ihm den Ausverkauf deutscher Interessen vor.
Der Brandt nicht immer wohlgesonnene Springer-Verlag ehrt ihn für seinen "unermüdlichen Einsatz für die deutsche Wiedervereinigung" mit einer Gedenktafel in Berlin. Sie soll 2014 auf dem Vorplatz des Axel-Springer-Hauses am ehemaligen Mauerstreifen enthüllt werden. Verlegerin Friede Springer erklärte, das "mutige Kämpfen" für die Einheit Deutschlands habe Brandt mit ihrem Mann Axel Springer geteilt. Zum Fall der innerdeutschen Mauer hatte Brandt den Satz geprägt: "Jetzt wächst zusammen, was zusammen gehört."
se/wl (dpa, phoenix)