G7 und EU wollen Budget der Ukraine sichern
30. Dezember 2023Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat in einer Videobotschaft die westlichen Verbündeten aufgerufen, der Ukraine auch im nächsten Jahr in ihrem Abwehrkampf gegen den russischen Aggressor zu helfen.
Dieser Kampf muss finanziert werden. Die Ukraine erhält deshalb umfangreiche Haushaltshilfen aus europäischen Staaten und den USA sowie direkte Militärhilfen, Lieferungen von Waffensystemen und Munition.
Der ukrainische Finanzminister Serhij Martschenko sagte der Wirtschaftszeitschrift "Forbes", im laufenden Jahr habe die Ukraine 38 Milliarden Euro an Budgethilfen erhalten, damit der Staat weiter Gehälter zahlen und die Infrastruktur aufrechterhalten kann.
Für das kommende Jahr 2024 bezifferte der Finanzminister den Bedarf auf 33 Milliarden Euro. Beunruhigt sei er vor allem für das Jahr 2025, für das es noch keine langfristigen Finanzierungszusagen gebe, so Serhij Martschenko.
G7 prüft Gewinne aus Russlands Auslandsvermögen
Die italienische Präsidentschaft der G7, der Gruppe der sieben führenden westlichen Demokratien, und die Europäische Union arbeiten daran, möglichst langfristige Finanzzusagen für den ukrainischen Staatshaushalt abgeben zu können.
Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni sitzt der G7 im kommenden Jahr vor. Sie will die Ukraine nach eigener Aussage zu einem der Schwerpunkte ihrer Präsidentschaft machen.
Die rechtspopulistische Politikerin gibt sich auf internationalem Parkett gemäßigt und steht ohne Einschränkung für die Unterstützung der Ukraine. Was erstaunen vermag, denn andere rechtsradikale und rechtspopulistische Politikerinnen und Politiker in Europa schlagen sich eher auf die Seite Russlands, das die Ukraine im Februar 2022 angegriffen hatte.
So profiliert sich Ungarns Premierminister Viktor Orban regelmäßig als Störenfried in Brüssel. Beim jüngsten EU-Gipfel Mitte Dezember verhinderte er per Veto die Zustimmung für ein langfristiges EU-Finanzpaket in Höhe von 50 Milliarden Euro bis 2026 für die Ukraine.
Eingefroren, aber nicht beschlagnahmt
Italien will in der Gruppe der Sieben (USA, Kanada, Japan, Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Italien) für Finanzhilfen und militärische Ausrüstung werben. Ob und wie dafür Erträge aus eingefrorenem russischem Vermögen in Europa angezapft werden können, ist unter den G7-Mitgliedern allerdings weiterhin umstritten.
Die Zeitung Financial Times berichtete in dieser Woche, dass Washington darauf dringt, dass die G7 nach mehreren Ankündigungen nun einen Plan vorlegen soll, wie die Gewinne aus einem 300 Milliarden Euro schweren Auslandsvermögen der russischen Staatsbank abgeschöpft werden können.
Allein im EU-Mitgliedsland Belgien liegen bei einer Clearing-Bank 191 Milliarden Euro davon auf Eis, produzieren aber trotzdem Erträge. Das Geld wurde im Zuge der EU-Russland-Sanktionen nicht beschlagnahmt, sondern nur eingefroren. Es gehört also nach wie vor dem russischen Staat.
Belgien hatte sich bereit erklärt, wenigstens die Einkommenssteuern, die auf die russischen Kapitalgewinne anfallen, an den ukrainischen Finanzminister weiterzugeben. Doch noch beim letzten EU-Gipfel äußerten zahlreiche Staaten, darunter Deutschland, Frankreich und Italien, rechtliche und finanzpolitische Bedenken.
Die Stabilität der Gemeinschaftswährung Euro könne in Gefahr geraten, wenn die Finanzmärkte die EU als unsicheren Hafen für Anlagen einstufen könnten, unkten einige Delegationen. Italien fürchtete Sanktionen Russlands gegen die eigene Industrie.
Der Plan, russische Gewinne abzuschöpfen, wurde deshalb von der EU erst einmal verworfen. Jetzt soll ihn die G7 auf Druck der USA offenbar wieder hervorholen.
Und zwar bis zu einem Sondergipfel der G7 um den 24. Februar 2024 herum, den zweiten Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine. Die USA, Kanada und das Vereinigte Königreich sind für eine Nutzung des russischen Auslandsvermögens.
Geld aus der EU soll fließen, auch ohne Ungarn
In der EU wird - mit Ausnahme von Ungarn - zum Jahreswechsel an einem Finanzierungsmodell für die rund 50 Milliarden Euro an Haushaltshilfen gearbeitet. Diese Hilfen will die EU-Kommission der Ukraine für die nächsten drei Jahre zusagen.
Sollte das Russland-freundliche Ungarn bei einem Sondergipfel der EU am 1. Februar in Brüssel nicht zum Einlenken gebracht werden, heiße das nicht, dass kein Geld fließen werde.
Das machte der EU-Ratsvorsitzende Charles Michel bei seiner Pressekonferenz nach dem EU-Gipfel Mitte Dezember auf Fragen von Journalisten deutlich. "Das Geld kommt so oder so, es ist nur umständlicher", betonen EU-Diplomaten, die in diesen Tagen an einem Plan B arbeiten.
Kredite an Kiew aus Extra-Fonds?
Die EU-Kommission hatte vorgeschlagen, eine langfristige "makroökonomische Finanzhilfe" für die Ukraine über den regulären Haushalt der EU abzuwickeln. Dieses Modell wurde bereits im ablaufenden Jahr 2023 angewendet, um insgesamt in monatlichen Tranchen 18 Milliarden Euro an Kiew auszuzahlen.
Dieses Verfahren soll nun verbindlich für mehrere Jahre festgeschrieben werden. Doch Ungarn blockiert, um eigene Forderungen an die EU durchzusetzen.
Sollte es dabei bleiben, würden willige EU-Mitgliedsstaaten außerhalb des gemeinsamen EU-Budgets einen neuen Ukraine-Fonds auflegen. Die EU-Kommission würde für diesen Fonds Kredite aufnehmen, die von den EU-Mitgliedsstaaten (außer Ungarn) garantiert werden.
Dieses Geld würde die Kommission dann an Kiew weiterreichen. Dabei handelt es sich, wie bisher schon, zum überwiegenden Teil um kostenlose Kredite an die Ukraine, nicht um Zuschüsse.
Diese Kriegskredite müsste die Ukraine theoretisch in 35 Jahren zurückzahlen. Die Zinsen für die Kredite übernehmen nach jetzigem Stand der Diskussion die EU-Mitgliedsstaaten.
Sollte die EU nächstes Jahr die zugesagten konkreten Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine aufnehmen, könnten Finanzmittel aus dem EU-Haushalt als sogenannte "Vorbeitrittshilfen" fließen. Der Umfang wäre eher gering und wieder von ungarischer Zustimmung abhängig.
Deutschland an zweiter Stelle bei Ukraine-Hilfe
Ähnlich funktioniert die sogenannte "Europäische Friedens-Fazilität", in die die EU-Mitgliedsstaaten außerhalb des eigentlichen Gemeinschaftshaushalts ihre Beiträge einzahlen. Aus dieser Friedensfazilität werden Militärhilfen der EU für die Ukraine finanziert, oder Mitgliedsstaaten werden daraus für ihre Waffenlieferungen an die Ukraine entschädigt.
2023 flossen rund 5,6 Milliarden Euro an Militärhilfe über diesen Weg an Kiew. Insgesamt kamen seit Kriegsbeginn insgesamt 27 Milliarden Euro an Zuschüssen als Militärhilfen aus EU-Töpfen und vor allem aus nationalen Aufwendungen der einzelnen Mitgliedsstaaten zusammen.
Deutschland liegt hier mit insgesamt 17 Milliarden Euro an der Spitze, heißt es in einer Analyse des Kiel-Instituts für Weltwirtschaft. Damit liegt Deutschland auf Platz zwei hinter den USA.
Noch keine Zusagen aus den USA
Der größte einzelne Geldgeber der Ukraine sind die USA mit bislang 44 Milliarden Euro allein an militärischer Unterstützung seit Ausbruch des Krieges. US-Präsident Joe Biden hat für das nächste Jahr weitere 55 Milliarden Euro an Militär- und Haushaltshilfen für die kriegsgebeutelte Ukraine beantragt.
Bislang verweigern die Republikaner die notwendige Zustimmung im US-Kongress. Sollten die Republikaner im Wahljahr 2024 hart bleiben, könnte es finanziell eng werden für die Ukraine.
Ob andere Staaten die Lücke füllen könnten, ist zweifelhaft, weil es nicht nur um Bargeld, sondern auch um militärisches Gerät und Munition geht, über die nur die USA verfügen. So haben die EU-Staaten große Schwierigkeiten, ihr Versprechen einzuhalten, bis zum Februar eine Million Schuss Munition an die ukrainische Armee zu liefern.
Der Rückhalt für die Ukraine nimmt nach einer Analyse des Kiel-Instituts für Weltwirtschaft ohnehin ab. Nur die USA, Deutschland, Dänemark, Schweden, Finnland und Norwegen hätten in den letzten Monaten wirklich neue Hilfszusagen gemacht.