G7 - ein Auslaufmodell?
7. Juni 2018Als Bundeskanzlerin Angela Merkel am Freitagmorgen ins Flugzeug gestiegen ist, um zum G7-Gipfel der Staats- und Regierungschefs nach Kanada zu fliegen, wusste sie bereits, dass ihr unerfreuliche Tage bevorstehen. Zwei Tage lang werden die Staats- und Regierungschefs aus Deutschland, Frankreich, den USA, Kanada, Japan, Italien und Großbritannien auf Einladung der kanadischen G7-Präsidentschaft in Charlevoix tagen. "Jeder weiß, dass es dort schwierige Diskussionen geben wird", sagte die Kanzlerin im Bundestag.
War es beim letzten Gipfel im italienischen Taormina noch lediglich das Pariser Klimaabkommen, bei dem sich US-Präsident Donald Trump gegen die übrigen G7-Partner stellte, so haben sich die USA inzwischen in vielerlei Hinsicht von den Ansichten, Meinungen und Standpunkten der übrigen G7-Staaten entfernt. "Es ist klar, dass gerade durch das Ausscheiden der USA aus dem Klimaabkommen ein Dissens in dieser Gruppe ist", stellt Merkel fest. "Genauso wie durch die Verkündung von Zöllen auf Stahl- und Aluminium, die wir für rechtswidrig halten." Gleiches gelte für die Aufkündigung des Atomabkommens mit dem Iran durch die USA.
Das Abschluss-Kommuniqué steht in den Sternen
Wer wissen möchte, wie verfahren die Lage ist, muss nur einen Blick auf die laufenden Gipfel-Vorbereitungen werfen. Sie haben hart gearbeitet in den vergangenen Wochen und doch sind die sogenannten "Sherpas", die Chefunterhändler der G7-Staaten, noch weit davon entfernt, abgestimmte Positionen zu finden. Bis zum Gipfelbeginn und wahrscheinlich auch darüber hinaus werde intensiv weiter verhandelt, heißt es seitens der Bundesregierung. Man sei noch dabei, eine gemeinsame "landing zone" zu finden, formuliert es ein Regierungsvertreter, der schon einige G7-Gipfel begleitet hat. Diesmal sagt er lediglich, es sei in diesem Jahr nicht leichter als in vorigen Jahren.
Ob der Gipfel am Samstag mit einer gemeinsamen Erklärung enden wird ist mehr als ungewiss, dieser Meinung ist auch die Kanzlerin. Man sei bemüht, das zu erreichen, heißt es von deutscher Seite. Viel Hoffnung gibt es aber nicht. In Taormina wurde die Uneinigkeit beim Klimaschutz am Ende im Kommuniqué festgeschrieben. Doch welchen Wert hätte eine gemeinsame Erklärung noch, wenn man in Kanada mit allen strittigen Themen so verfahren würde?
Alle gegen einen
Hinter die Ergebnisse der letzten G7- und G20-Gipfel dürfe nicht zurückgefallen werden, warnt Angela Merkel. "Wir werden von deutscher Seite darauf achten", verspricht sie. "Ich glaube nicht, dass wir Ergebnisse, die wir noch im letzten Jahr erreicht haben, dass wir die immer weiter aufweichen dürfen."
Inzwischen wird daher ernsthaft darüber nachgedacht, ob es nicht besser wäre, wenn nur der kanadische G7-Vorsitzende zum Gipfelende eine Erklärung abgeben würde. Darin könnte er die gemeinsamen Werte wie Multilateralismus, das Bekenntnis zum freien Handel oder die Übernahme von Verantwortung für den internationalen Klimaschutz betonen. Das sei angesichts der schwierigen Lage "vielleicht der ehrlichere Weg", sagt Merkel. "Es hat keinen Sinn, Unterschiede auch beliebig zuzukleistern."
Harmonie, das war gestern
Doch welchen Wert haben G7-Gipfel dann noch? Ist etwa das Ende dieses politischen Formats in Sicht? Die Staats- und Regierungschefs der G7 verstanden sich bislang als Gemeinschaft, die sich zum Multilateralismus, also dem internationalen Schulterschluss bekannte und zu einer regelbasierten Werteordnung. An diesen Werten soll nicht gerüttelt werden, darauf legt die Bundesregierung den allerhöchsten Wert. "Es gibt nichts Besseres als den multilateralen Ansatz, um die Gestaltung der Globalisierung, die uns alle betrifft, nicht Akteuren zu überlassen, die ausschließlich ihre eigenen Interessen und nicht das Gemeinwohl im Sinn haben", betont die Bundeskanzlerin immer wieder.
Das ändert nichts daran, dass die Harmonie, die viele Jahre lang als Signal von G7-Gipfeln ausgesendet wurde, der Vergangenheit angehören dürfte. Bilder von Staats- und Regierungschefs, die sich in entspannter Runde voller Zuversicht und in bester Laune präsentieren, wird es mit Donald Trump so schnell wohl nicht mehr geben.
"G6 + 1"
Von "zerstrittenem Pack" sprach kürzlich eine kanadische Zeitung. Der französische Finanzminister Bruno Le Maire brachte es nach dem, wie er sagte, "angespannten und schwierigen" Treffen mit seinen G7-Amtskollegen Ende vergangener Woche auf die Formel "G6 plus 1". Eine gemeinsame Abschlusserklärung gab es im kanadischen Whistler nicht. Zu groß waren Unmut und Streit über die von den USA verhängten Strafzölle auf Stahl- und Aluminiumimporte.
Das Finanzministertreffen dürfte einen Vorgeschmack auf den G7-Gipfel am Freitag und Samstag geliefert haben. Nach dem Treffen in Whistler sei es nicht einfacher geworden, weitere Gespräche zu führen, heißt es von deutscher Seite. Auf die G7 verzichten will trotzdem niemand. In diesen Zeiten sei es extrem wichtig, solche Treffen zu haben. Wo sonst gebe es die Möglichkeit, im engen Kreis der Staats- und Regierungschefs persönlich und offen Tacheles zu reden?
Über die gemeinsamen Arbeitssitzungen hinaus wird es in Kanada auch die Möglichkeit bilateraler Treffen geben. So wird Bundeskanzlerin Angela Merkel beispielsweise erstmalig mit dem neuen italienischen Regierungschef Giuseppe Conte sprechen können. Wie sich Italien im Kreis der G7 verhalten wird, bleibt abzuwarten. An der Videokonferenz der Sherpas am Montagabend nahm noch der Vertreter der bisherigen italienischen Regierung teil. Sein Nachfolger soll erst im Verlauf der Woche zum Kreis der Unterhändler hinzustoßen. Auch mit Donald Trump will die Bundeskanzlerin unter vier Augen sprechen. In schwierigen Zeiten müsse man unbedingt noch häufiger als sonst miteinander reden, so Merkel.