Gipfel der Spannungen
29. Juni 2019Nach langen zähen Verhandlungen einigten sich die Staats- und Regierungschefs doch noch auf eine gemeinsame Erklärung des G20-Gipfels im japanischen Osaka. Die Meinungsverschiedenheiten beim Handel, Klimawandel und dem Thema Migration konnten noch aufgelöst werden. Besonders wichtig ist aus Sicht der Europäer das erneute Bekenntnis von 19 Industrie- und Schwellenländern sowie der EU zum Pariser Klima-Übereinkommen der Vereinten Nationen. Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte, man habe das gleiche wie im Jahr zuvor beschlossen. Die Verpflichtungen zur Reduktion von C02-Emissionen seien "unumkehrbar". Die USA sind bereits vor zwei Jahren aus dem G20-Konsens ausgeschert, weil US-Präsident Donald Trump den Vertrag zur Eindämmung der Erderwärmung "unfair" findet. Trump wiederholte in seiner Pressekonferenz in Osaka die Kritik und sagte, amerikanische Unternehmen würde er durch zu hohe Umweltstandards nicht belasten. "Außerdem habe ich etwas gegen Windenergie. Die funktioniert schließlich nicht immer, genau wie die Solarenergie", sagte der Präsident.
Lange Zeit sah es so aus, als würden auch Saudi-Arabien, die Türkei, Australien oder Brasilien den Klimaschutz nicht mehr mittragen. Das konnte verhindert werden. Dem französischen Staatspräsidenten gehen die Formulierungen nicht weit genug. Man habe zwar den Status quo erhalten, "aber wir müssen viel weiter voranschreiten", mahnt Emmanuel Macron nach Ende des Gipfeltreffens. Ärmere Staaten, die unter dem Klimawandel besonders leiden, sollen finanziell unterstützt werden.
Handelskonflikte beherrschten den Gipfel
Beim strittigen Thema Welthandel konnte ebenfalls ein Kompromiss gefunden werden. Passagen, die dem auf Strafzölle vertrauenden US-Präsidenten Donald Trump nicht gefielen, wurden gestrichen. Jetzt ist nur noch von "fairem" Handel die Rede, worunter jeder Staat etwas anderes verstehen kann. Die G20 verlangen erneut eine Reform der Welthandelsorganisation WTO. Eine Forderung, die auch in die Abschlusserklärung des letzten Gipfels 2018 in Buenos Aires geschrieben, aber bislang nicht ernsthaft umgesetzt wurde. Welche Regeln die WTO künftig überwachen soll, ist umstritten. US-Präsident Trump nannte die WTO eine ganze schlechte Organisation, von der vor allem China profitiert habe.
Trump will vorerst keine neuen Zölle gegen China
Wichtiger als das Papier der G20 für die aktuellen Handelsstreitigkeiten war das Gipfeltreffen der USA und Chinas, noch während die letzten Sitzungen der G20-Runde liefen. Präsident Trump sagte nach dem 80 Minuten dauernden Gespräch mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping, es sei "hervorragend" gewesen. "Die wollen einen Deal", sagte Trump. Er habe deshalb beschlossen, bis auf Weiteres nicht noch mehr Strafzölle gegen China zu verhängen. "Sie haben zugesagt, bei unseren Farmern jede Menge einzukaufen. Deshalb bekommen sie bald eine Liste mit Dingen, die sie kaufen sollen." Vor allem die Soja-Bauern in den USA beklagen das wegbrechende Geschäft mit China, das seinerseits Importzölle auf Soja verhängt hat. Xi und er hätten vereinbart, die stockenden Verhandlungen über den Handelsstreit wieder aufzunehmen, berichtete Trump. Diese Ankündigung hört man allerdings nicht zum ersten Mal.
Die USA hatten chinesische Waren im Wert von 200 Milliarden Dollar mit Strafzöllen belegt. China hatte entsprechend mit Gegenmaßnahmen reagiert. Kurz vor dem Gipfel in Osaka hatte Trump mit neuen umfassenden Strafzöllen auf weitere chinesische Importe im Wert von 300 Milliarden Dollar gedroht. Xi Jinping fand freundliche Worte für Trump und sagte, Verhandlungen seien besser als Konfrontation. Den G20 versprach Xi, dass China seine Märkte insgesamt weiter für ausländische Firmen öffnen werde. Die Chinesen verlangen, dass der Technikkonzern Huawei von einer schwarzen Liste für Spionagefirmen gestrichen wird. Als ersten Schritt erlaubt es Donald Trump amerikanischen Zulieferern wieder, mit Huawei Geschäfte zu machen. "Wir haben Sachen, die sie selbst nicht herstellen können", sagte Trump. Die US-Lieferanten seien auf den Kunden Huawei angewiesen.
Überall nur beste Freunde
Nicht nur sein Gespräch mit dem kommunistischen Machthaber Xi, sondern auch die Begegnungen mit den Autokraten Wladimir Putin (Russland) und Recep Tayyip Erdogan (Türkei) sowie mit dem absoluten Monarchen Mohammed bin Salman (Saudi Arabien) fand der amerikanische Präsident "großartig". Trump lobte sich selbst: "Ich komme einfach mit jedem klar." Alle G20-Gipfelteilnehmer hätten ihm zu seiner Wirtschaftspolitik gratuliert. "Wir sind halt die tollste Show auf dem Planeten", sagte der Präsident. Xi, Putin, Erdogan und bin Salman seien gute Freunde.
Der amerikanische Geheimdienst CIA vermutet den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman allerdings hinter dem Mord an dem kritischen Journalisten Jamal Khashoggi. Das ficht Donald Trump aber nicht weiter an. Auf Reporterfragen sagte er, bin Salman habe ihm versichert, es würde gegen die Täter in Saudi-Arabien ermittelt und Anklage erhoben. Khashoggi war im saudischen Konsulat in Istanbul im Oktober 2018 ermordet worden.
G20-Gipfel offenbart Spannungen
Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Antonio Guterres, bemängelte, dass dieser Gipfel der 20 wichtigsten Volkswirtschaften ein neues Maß an politischen und wirtschaftlichen Spannungen offenbart habe. Die Spannungen der USA mit dem Iran wurden zwar angesprochen, aber einer Lösung ist man nicht näher gekommen.
"Dass es überhaupt eine Erklärung gibt, gilt in der diplomatischen Welt der G20 bereits als Erfolg", meinte ein EU-Diplomat, der mit den Verhandlungen vertraut ist. Die Gipfel-Dokumente wurden, außer beim Klimaschutz, einstimmig verabschiedet. Die Verpflichtungen sind aber rechtlich unverbindlich und nur politisch bindend. Trotzdem werden etwa 80 Prozent der Absichtserklärungen auch in die Tat umgesetzt, haben G20-Forscher der Universität Toronto herausgefunden. In diesem Jahr erklären die Staats- und Regierungschefs der wichtigsten Länder der Erde, dass sie Internet-Konzerne wie Google oder Facebook künftig gerechter besteuern wollen. Die Gewinne sollen in den Ländern besteuert werden, wo die Kunden sitzen und Umsatz erzeugen. Der physische Sitz des Unternehmens soll anders als bei herkömmlichen Industriebetrieben keine Rolle mehr spielen. Außerdem unterstützt die Gruppe der 20 eine Initiative Japans, Plastikmüll in den Weltmeeren zu vermeiden.
Abstecher zum ziemlich besten Freund Kim
US-Präsident Donald Trump, der auch diesen G20-Gipfel wie alles in Japan "großartig" fand, ist nach Südkorea weitergereist. Dort will er am Sonntag in der Pufferzone zwischen Nord- und Südkorea spontan den nordkoreanischen Diktator Kim Jong Un treffen. Zwei Gipfeltreffen sind zwar bereits ergebnislos geblieben, trotzdem begeistert sich Trump für den "wahren Freund", der ihm offenbar nette Briefe schreibt, zuletzt zu seinem Geburtstag. Ob Kim, wie von Trump erst an diesem Samstag per Twitter vorgeschlagen, zur Grenze eilen wird, ist unklar. "Ich weiß nicht, ob er kommt. Ich hätte kein Problem, auch mal kurz die Grenze zum Norden zu überschreiten."