G20 will Lösung für Syrien-Krieg
15. November 2015"Das kann nicht irgendein Gipfel sein wie viele andere", verlangte der Ratspräsident der EU, Donald Tusk, der die Europäische Union beim G20-Treffen am Sonntag und Montag im türkischen Badeort Belek bei Antalya vertritt. Nach den Terroranschlägen von Paris sei es jetzt für die internationale Gemeinschaft der 20 wichtigsten Volkswirtschaften Zeit zu handeln. Darin sei er sich mit dem französischen Präsidenten François Hollande völlig einig, sagte Tusk nach einem Telefongespräch mit Hollande. Der Präsident hatte seine Reise nach Antalya abgesagt und wird vom französischen Außenminister Laurent Fabius vertreten.
Hinter den Kulissen arbeiten die Delegationen an einer gemeinsamen Erklärung zur Terrorabwehr. Eine solche Erklärung ist eher selten, aber sie werde "stark" ausfallen, kündigte der Gastgeber an, der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan.
Erdogan hatte vor dem Gipfeltreffen mit dem US-amerikanischen Präsidenten Barack Obama eine Reaktion der internationalen Koalition besprochen, die derzeit Luftangriffe unter der Führung der USA auf die Terrorgruppen des "Islamischen Staates" in Syrien und im Irak fliegt. Russland unternimmt ebenfalls Luftangriffe in Syrien, die aber eher der Stützung des syrischen Regimes dienen sollen und auch die vom Westen als moderat akzeptierte Opposition in Syrien zum Ziel haben.
Vereint gegen den "Islamischen Staat"?
Ein enger Mitarbeiter des russischen Präsidenten Wladimir Putin meinte vor Journalisten aber, in die verhärteten Fronten zwischen den verschiedenen Akteuren sei Bewegung gekommen. Putin hatte den Westen kurz vor dem Gipfel aufgefordert, unterschiedliche Positionen zu Syrien jetzt zu überwinden und eine gemeinsame Koalition gegen Terroristen zu formen.
Unklar ist nach wie vor, ob sich US-Präsident Obama und Russlands Präsident Putin am Rande des Gipfels zu einem Vier-Augen-Gespräch treffen werden. Der türkische Gastgeber Erdogan hat sich vorgenommen zu vermitteln. Allerdings verfolgen die Türken in Syrien ihre eigenen Ziele. Sie bekämpfen auch die kurdischen Milizen, die mit Unterstützung der USA den "Islamischen Staat" in Schach halten sollen.
Obama: Angriff auf zivilisierte Welt
US-Präsident Obama, der unter schärfsten Sicherheitsvorkehrungen am Morgen mit der Air Force One in Antalya eingetroffen war, machte nach einem ersten Gespräch mit Erdogan den Ernst der Lage klar. Im Oktober war die türkische Hauptstadt Ankara Schauplatz eines verheerenden Terroranschlages und jetzt eben Paris. "Das waren nicht nur Angriffe auf Frankreich oder die Türkei", sagte Obama mit ernster Miene. "Das waren Angriffe auf die zivilisierte Welt." Er versprach die Anstrengungen "zu verdoppeln", um den "Islamischen Staat" zu bekämpfen.
EU-Ratspräsident Donald Tusk erwartet, dass die 19 Staats- und Regierungschefs, die - neben der EU - Mitglieder der G20 sind, sich eindeutig zu ihrer Verantwortung bei der Terrorbekämpfung bekennen. Es gehe zum Bespiel darum, den Terroristen ihre Finanzquellen abzudrehen. Saudi-Arabien, ebenfalls G20-Mitglied, wird von westlichen Geheimdiensten immer wieder vorgeworfen, die Terroristen des "Islamischen Staates" in Syrien mitzufinanzieren.
Donald Tusk kritisierte aber auch Russland. Die syrische Opposition aus der Luft anzugreifen, sei unsinnig. "Seien wir doch ehrlich, das Problem ist der IS. Alle G20-Mitglieder sollten sich auf diesen Gegner konzentrieren." Da sei eine bessere Koordination der USA und Russland wirklich dringend nötig.
Gelegenheit für Fortschritte in Syrien-Frage
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, der an dem Gipfeltreffen in Antalya ebenfalls teilnimmt, sieht nach den jüngsten Gesprächen der "Freunde Syriens" in Wien am Samstag erste Hoffnungszeichen. "Ein landesweiter Waffenstillstand in Syrien ist notwendig", sagte Ban Ki Moon vor Journalisten. "Es gibt gerade die seltene Gelegenheit, diplomatische Fortschritte zu machen." Die Syrien-Kontaktgruppe, zu der neben den USA und Russland auch Saudi-Arabien und Iran gehören, hatte sich auf einen Zeitplan zur Einsetzung einer Übergangsregierung in Syrien geeinigt.
Nur durch Beendigung des Krieges könne auch die Flüchtlingskrise beendet werden, sagte der UN-Generalsekretär. Er forderte die G20-Mitglieder auf, den Staaten zu helfen, die Millionen von syrischen Flüchtlingen aufgenommen haben, also die Türkei, Libanon und Jordanien.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker rief die Weltgemeinschaft auf, endlich ihren finanziellen Verpflichtungen bei der Hilfe für Flüchtlinge nachzukommen. Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen sei bei der Flüchtlingshilfe für Syrer immer noch völlig unzureichend finanziert. Nur knapp 40 Prozent der benötigen Gelder seien verfügbar, kritisierte Juncker.
Die EU möchte erreichen, dass die Gruppe der 20 wichtigsten Staaten die Flüchtlinge aus Syrien als weltweites Problem anerkennt, das auch weltweit Solidarität erfordert. Staaten wie China oder Australien, die geografisch weit von Europa und dem Nahen Osten entfernt liegen, sind dazu aber kaum geneigt.
Jean-Claude Juncker warnte Scharfmacher in Europa davor, die Flüchtlingskrise und die Terroranschläge von Paris zu vermischen. "Die Flüchtlinge sind nicht verantwortlich für die Anschläge", sagte Juncker.
Das Treffen der G20 in der Türkei wird zwei Tage nach den Terrorattacken in Paris tatsächlich anders sein als andere Gipfel. Die Gastgeber haben alle sonst üblichen Musikdarbietungen oder Unterhaltungsveranstaltungen am Abend gestrichen. "Antalya wird ein stiller Gipfel aus Respekt vor den Opfern", meinte ein türkischer Diplomat.