G20 berät Antwort auf Terror
14. November 2015Die Gesprächsthemen Terrorbekämpfung und Bürgerkrieg in Syrien hatte der Gastgeber des G20-Gipfels, der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, eigentlich für das Abendessen vorgesehen. Nach der beispiellosen Anschlagserie von Terroristen des selbst ernannten Islamischen Staates (IS) werden diese Punkte den Gipfel der Führer der wichtigsten Wirtschaftsnationen der Welt sicher beherrschen und offiziell während der Arbeitssitzung beraten werden.
Der türkische Präsident hat die Anschläge scharf verurteilt und einen internationalen Konsens beim Vorgehen gegen Terroristen gefordert. "Terrorismus hat keine Religion, kein Vaterland, keine Nation und keine Rasse", sagte Erdogan. Die alte Logik, nach der mein Terrorist gut ist und deiner böse, dürfe nicht mehr gelten. Relativ unstreitig ist aber, dass alle G20-Mitglieder den IS als Terrorarmee verurteilen. Er hat nicht nur in Frankreich zugeschlagen, sondern offenbar auch ein russisches Verkehrsflugzeug in die Luft gesprengt.
Diplomaten im Gipfelort Antayla hoffen, dass der amerikanische Präsident Barack Obama und sein russischer Amtskollege Wladimir Putin die Gelegenheit nutzen, sich auf eine gemeinsame Strategie im Kampf gegen den IS und zur Befriedung Syriens zu einigen. Bislang war ein bilaterales Treffen der beiden Präsidenten nicht geplant.
Wie weiter in Syrien?
Frankreichs Präsident Francois Hollande hat seine Teilnahme in Folge der Terroranschläge in Paris abgesagt. Die G20 werden ihm sicherlich ihre Solidarität und Unterstützung versichern. Ob sie aber soweit gehen und ebenfalls einen "Krieg" gegen den Islamischen Staat ausrufen, ist ungewiss. Sicherlich werde aber eine Verstärkung der Angriffe der internationalen Koalition auf Stellungen des IS in Syrien und Irak besprochen, glauben Diplomaten.
In Syrien haben die USA und Russland bislang gegeneinander gearbeitet. Moskau stützt den syrischen Machthaber Bashar al-Assad, der von den USA und europäischen Staaten als Hauptverantwortlicher für den Krieg geächtet wird. Ob man sich jetzt zusammenrauft, um gemeinsam den IS zu bekämpfen und sich erst hinterher um Assad kümmert, ist unklar.
"Rote Zone" für die Regierungschefs
Die ohnehin schon außergewöhnlich hohen Sicherheitsvorkehrungen rund um den Gipfelort wurden von den türkischen Behörden noch einmal verstärkt. Die "rote Zone", in der die Luxushotels der Gipfel-Delegationen liegen, gleicht einer Festung. Bis zu 12 000 türkische Polizisten bewachen das Areal an der türkischen Riviera.
Dort werden die Staats- und Regierungschefs der wichtigsten 20 Volkswirtschaften nächtigen und tagen. Nur einer tanzt aus der Reihe: Der amerikanische Präsident Barack Obama schläft in der Bucht von Antalya auf einem US-Kriegsschiff, das notfalls auch Raketenangriffe abwehren kann. Dem Secret Service ist die Lage in der Türkei zu unsicher. Schließlich wurde das Land erst im Oktober von einem schweren Terroranschlag in Ankara erschüttert. Der wurde nach Darstellung der türkischen Regierung entweder von islamistischen oder kurdischen Terroristen verübt. In Antalya wurden vor wenigen Tagen 20 Unterstützer des "Islamischen Staates" verhaftet.
Aufwändiger "G20-Zirkus"
Seit 2008 gibt es die Gipfel der Zwanziger-Gruppe. Seither sind sie zu riesigen Apparaten mit einer ganzen Serie von Vorbereitungstreffen und Expertenrunden angewachsen. Die enormen Kosten für den "G20-Zirkus" seien aber gerechtfertigt, meint der britische Politikwissenschaftler Tristen Naylor, der sich an der Universität Oxford mit der G20 beschäftigt. "Das ist in der Tat ein unglaublich teures und aufwändiges Unterfangen. Aber nur mit diesem Aufwand lässt sich wirkungsvolle Zusammenarbeit auf globaler Ebene wirklich organisieren."
Ursprünglich hatten sich die Vertreter der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer 2008 und 2009 mit den Folgen der Finanzkrise beschäftigt. Wirtschaftspolitik stand im Vordergrund. Doch das hat sich geändert. Im letzten Jahr stritt man um den russisch gesteuerten Konflikt in der Ostukraine, jetzt geht es um Syrien.
Vermittler zwischen USA und Russland
Die Türkei, die selbst zwei Millionen Flüchtlinge aus Syrien beherbergt, werde zumindest versuchen, zwischen Obama und Putin in der Syrien-Frage zu vermitteln, glaubt der türkische Politikwissenschaftler Tarik Oguzlu. "Ich bin nicht sehr optimistisch, dass die Türkei Russland und die USA in der Syrien-Problematik näher zusammenbringen kann, weil es da doch einen sehr großen Graben gibt. Interessant ist aber, dass im Moment eher Russland und nicht Amerika darauf drängt, eine schnelle Lösung zu finden." Die türkische Regierung sei ganz froh darüber, dass durch das Eingreifen Russlands Bewegung in den Syrien-Krieg gekommen sei.
Die Unterstützung der Kurden im Norden Syriens durch die USA sei der Türkei ein Dorn im Auge, sagte Tarik Oguzlu, der an der Universität von Antalya zu internationaler Sicherheitspolitik forscht, der DW. Die Türkei bekämpft die kurdischen Rebellen in Syrien. Sie sind die einzigen Bodentruppen, die derzeit wirkungsvoll gegen die Terrortruppen des IS kämpfen.
Die Europäische Union, die neben 19 Staaten als Mitglied Nummer 20 der exklusiven Gruppe angehört, will auf jeden Fall das Thema Flüchtlinge besprechen. Der Präsident der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker, hat dazu extra eine Pressekonferenz vor dem offiziellen Beginn des Gipfels angesetzt, um die Diskussionen anzustoßen. Doch Länder wie China halten die Flüchtlingsfrage für ein regionales Problem der Europäer, nicht für eine globale Frage, die die G20 anpacken müssten. "Daneben gibt es eine ganze Reihe von Staaten, die kein Interesse daran haben, über Flüchtlinge zu diskutieren, zumindest nicht offiziell. Denn ihre Politik ist eine völlig andere, wenn wir zum Beispiel an Saudi-Arabien denken", sagt Tristen Naylor.
Wirtschaftspolitische Agenda
Konkretere Beschlüsse wird die G20 im Bereich der Steuerpolitik fassen. Eine Initiative zur Eindämmung der Steuervermeidung durch multinationale Konzerne soll weiter vorangetrieben werden. Die "BEPS" genannte Aktion könnte den Staaten 100 bis 240 Milliarden US-Dollar an zusätzlichen Steuereinnahmen in die Kassen spülen. Das besagt eine Schätzung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Dazu liegt ein 15 Punkte umfassender Aktionsplan auf dem Tisch, der bis 2017 oder 2018 umgesetzt werden soll.
Auch bei der Regulierung der weltweit größten Banken erwarten die Experten Fortschritte. Die Anforderungen an die Kapitalausstattung der Banken sollen weiter erhöht werden.
Schließlich stehen noch Maßnahmen zur Stützung des Wirtschaftswachstums auf der Tagesordnung. Das Wachstum ist nach Auffassung der vorbereitenden G20-Arbeitsgruppen zu niedrig und regional zu unterschiedlich verteilt.