Für mehr Transparenz auf der Klimakonferenz
10. Mai 2017Es ist Klimakonferenz in Bonn. Ein vorbereitendes Treffen für die Weltklimakonferenz COP23 im November - ebenfalls in Bonn. Wer bei so einem Treffen alles dabei ist? Immer wieder stehen die "195 Vertragsstaaten" im Raum. Das heißt: Regierungschefs, Organisationen und Aktivisten aus Wirtschaft, Umwelt und Technik - aus der ganzen Welt eben.
Die Akteure sollten alle eines gemeinsam haben: Ein Interesse, Lösungen gegen den Klimawandel und seine Auswirkungen zu finden. Das dürfte man jedenfalls annehmen, ist so aber nicht ganz richtig.
Denn auch andere Interessengruppen nutzen die Chance, auf einer (Klima-)Konferenz gehört zu werden. Solche, die man mit Umweltschutz vielleicht nicht unbedingt verbindet.
Schwarze Schafe
Die amerikanische Nicht-Regierungs-Organisation (NGO) "Corporate Accountability International" hat einen Bericht veröffentlicht, der über besonders mächtige Gruppen bei Klimatreffen aufklärt: Teilnehmer aus der fossilen Industrie. Ihr Report nennt auch gleich einige Organisationen mit besonders fraglichem Betragen in puncto Umweltschutz. Sie alle wurden jedoch von dem Sekretariat der UNFCCC, der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen, zur Konferenz zugelassen.
So zum Beispiel die "National Mining Association", der Nationale Bergbauverband der USA, der sich für mehr Kohleverbrauch einsetzt und nach Prüfung der Corporate Accountability International mehr für den Klimawandel als dagegen tut.
Das gleiche gilt für die United States Chamber of Commerce, die mit drei Millionen amerikanischen Unternehmen als Mitgliedern die größte Handelskammer der Welt ist. Sie tritt unter anderem für Kernenergie, Offshore-Ölgewinnung und Bohrungen im Arctic National Wildlife Refuge - einem Naturschutzgebiet im Nordosten Alaskas - ein.
Konsequenzen, dem Klima zur Liebe?
Wenn solche Gruppen nun bei Klimakonferenzen dabei sind, kann das durchaus zu Unmut unter den anderen - klimafreundlicheren - Teilnehmern führen. Da die Kritik in letzter Zeit lauter wurde, zog das UNFCCC-Sekretariat Konsequenzen: Während dieser Klimakonferenz gab es zum ersten Mal einen Workshop, in dem darüber diskutiert werden sollte, wie künftig mit unparteiischen Interessengruppen umgegangen werden soll. Schon im Voraus rief das UNFCCC-Sekretariat dazu auf, Ideen einzureichen. Diese wurden in einem Vorabbericht zusammengefasst.
Das Thema stieß auf mehr Interesse als erwartet. Über 45 Einsendungen gab es bis zur Deadline Ende Februar. Der Ort für den Workshop wurde deshalb kurzfristig noch einmal geändert. Statt in einem normalen Konferenzraum, fand die Debatte im Plenarsaal des World Conference Center Bonn (WCCB) statt.
Dass das bestimmt ein Zeichen sei, sagte Tomasz Chruszczow, der Leiter des "Umsetzungsorgans" der UNFCCC ("Subsidiary Body for Implementation" bzw. SBI). Schließlich sei der Plenarsaal des WCCB bewusst hell gehalten und mit viel Glas ausgestattet, um Transparenz auszudrücken. Auch darum ginge es ja bei diesem Treffen.
Fröhliches Phrasen dreschen
Vier Stunden waren für die Veranstaltung angesetzt. Patricia Espinosa, UNFCCC-Leiterin, die zur Einführung ebenfalls im Plenum saß, betonte die Relevanz der Zivilgesellschaft für die Klimaverhandlungen. "Jeder von uns hat seine Aufgabe. Das Paris Agreement wird niemanden zurücklassen."
Auch Chruszczow, der die Sitzung leitete, versuchte, das Gemeinschaftsgefühl zu stärken. Er sprach die Teilnehmer immer wieder mit "Kollegen" an und betonte, dass sie bei dieser Veranstaltung alle gemeinsam mit im Plenum säßen.
Es geht doch
Was anfangs schleppend anlief und nicht über nüchterne Statements der Teilnehmer hinausging, änderte sich nach zweistündiger Panel-Diskussion mit Beginn der Gruppenarbeit. Es wurde lauter im Plenarsaal. "Ich bin wirklich froh, dass die Sache noch in Fahrt gekommen ist", sagt Jesse Bragg von Corporate Accountability International. Für ihn ist es schon längst überfällig, dass das Thema so zur Sprache kam. "Für lange Zeit wurde bei den Gesprächen die Tatsache, dass die Öl- und Kohleindustrie die Verhandlungen behindert, schlichtweg ignoriert."
Am Ende des Tages wurde die Zeit sogar überzogen. Knapp fünf Stunden debattierten die Teilnehmer über den Umgang mit den Zivilgesellschafts-Vertretern, Wissenschaftlern, Gewerkschaftern und eben auch Industrielobbyisten, die in den Sitzungen Beobachterstatus genießen.
Die WHO zum Vorbild
Gab es nun ein Ergebnis? Nein, jedenfalls noch nichts Konkretes. Erst mal wird es einen Bericht geben, wie es bei der UNFCCC üblich ist. Jesse Bragg gefiel der Vorschlag, sich ein Beispiel an der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu nehmen. Sie hat 2003 ein Tabakrahmenübereinkommen geschaffen, dass die Lobbyarbeit von Tabakfirmen verbietet, die bis dato ebenfalls gerne Einfluss auf politische Entscheidungsträger genommen hatten.
Diesen Schritt sieht auch Max Andersson, Vertreter der Grünen im Europäischen Parlament, als sinnvoll. "Im Tabakgeschäft, der Kohle- und Ölindustrie steckt so viel mehr Geld als in jeder Klimaorganisation." Sie halten viel mehr Treffen ab, bekommen so mehr Gehör - auch von der Politik, sagt Andersson. Es sei deshalb wichtig, das Verhalten solcher großer Interessengruppen zu überwachen.
Meinungsbildung fängt zuhause an
Und das fange nicht erst bei den Verhandlungen an, meint Bragg. "Die Lobbyarbeit findet schon zuhause statt. Die Meinung der Parteien wird im Voraus beeinflusst, bevor sie überhaupt bei der Klimakonferenz eintreffen." Durch die allgegenwärtige Präsenz der Industrie, durch gute Lobbyarbeit.
Hier aufzuklären, die Regierungen zu sensibilisieren und dementsprechende Richtlinien festzulegen sei zwingend notwendig - auch hinsichtlich der Klimakonferenzen. Auf UNFCCC-Gebiet könnte die Haltung dadurch etwas entschärft werden.
COP-Verbot für Stakeholder?
Trotz Voreingenommenheit gegen Kohlelobby und Co. war die Stimmung auf der Veranstaltung insgesamt sehr sachlich. Ob man Lobbyisten grundsätzlich aus den Verhandlungen ausschließen sollte? "Nein" - so schien jedenfalls der Tenor. "Selbst wenn das Big Business nicht hier drinnen ist, ist es immer noch da draußen", hieß es aus dem Plenum. Es gebe solche und solche Lobbys - darunter auch Unternehmen, die was Klimaschutz betrifft, effizienter als Regierungen arbeiten. Man müsse sich mit den "Guten" zusammentun.
"Transparenz" ist das große Stichwort des Workshops, um so Interessenkonflikte überhaupt erst gar nicht aufkommen zu lassen. Jesse Bragg hofft, dass nach dieser insgesamt zehntägigen Klimakonferenz doch schon erste konkrete Schritt feststehen. Dann hätte auch der gläserne Plenarsaal seinem Ruf alle Ehre gemacht.