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Weltstrafgericht

Klaus Dahmann (rri)10. März 2008

Der Internationale Strafgerichtshof feiert seinen fünften Geburtstag. Die Effektivität mit der das Gericht Kriegsverbrechen und andere schwere Vergehen angeht, beeindruckt – auch die Skeptiker.

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Hochhaus vor Himmel mit dramatischem Wolkenpanorama (Quelle: ICC)
Prinzip Transparenz - nicht nur während der Prozesse: Das von Glas dominierte Domizil des Internationalen StrafgerichtshofsBild: ICC

Luis Moreno Ocampo trägt Drei-Tage-Bart, der Argentinier erinnert eher an einen Privatdetektiv im Chicago-Stil als an den Chefankläger eines Weltgerichts. Ja, und Weltgericht – diesen Ausdruck hört Ocampo ohnehin nicht so gern: "Wir sind ein Sicherungssystem. Wir sind kein 'Supreme Court' der Welt." Dieses 'Sicherungssystem' kann am Dienstag (11.3.2008) auf sein fünfjähriges Bestehen zurückblicken. Der Internationale Strafgerichtshof ist zwar schon Mitte 2002 eingerichtet worden, hat aber erst am 11. März 2003 seine Arbeit aufgenommen. Damals wurden die 18 Richter ernannt, wenige Tage später auch der Chefankläger. Der muss erst einmal ermitteln, bevor ein Fall später vor den Richtern landet.

Porträt eines Mannes mit gestutztem grauem Bart (Quelle: dpa)
Der Argentinier Ocampo ist der erste Chefankläger des GerichtshofesBild: dpa - Fotoreport

In der Tat soll Ocampo nur dann aktiv werden, wenn ein Gericht eines Landes Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Völkermord nicht selbst ahnden kann oder will. Angeklagt und verurteilt werden keine Staaten, sondern Personen. Und zwar dann, wenn diese Person einem Staat angehört, der das Protokoll des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) ratifiziert hat. Oder wenn er die Tat auf dem Territorium eines Staates begangen hat, der das IStGH-Protokoll unterzeichnet hat. Das war bisher bei Kongo der Fall, bei Uganda und bei der Zentralafrikanischen Republik. Sonst braucht es immer eine Beauftragung durch den UN-Sicherheitsrat. Das war bei der Krisenprovinz Darfur im Ostsudan so.

Afrika auf der Anklagebank?

Vier Fälle, mit denen sich der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag derzeit beschäftigt, und alle vier liegen in Afrika – ein Zufall? "Ich musste die schwerwiegendsten Fälle suchen. Und es zeigt sich: Die schwerwiegendsten Fälle sind in Afrika", sagt Ocampo. Nahost oder Irak liegen hingegen außerhalb der Reichweite von Chefankläger Ocampo: Weder die betroffenen Länder dort, noch die USA gehören zu den Mitgliedstaaten des Gerichtshofs. Aber dafür 105 Staaten, die vor allem in Europa und Südamerika zu finden sind – und eben in Afrika.

Im ersten Fall, den der Internationale Strafgerichtshof übernommen hat, nämlich Kongo, gibt es auch den ersten Prozess: gegen den früheren kongolesischen Milizenführer Thomas Lubanga Dyilo. Letzten Oktober wurde auch ein zweiter gesuchter Kongolese, Germain Katanga, nach Den Haag ausgeliefert. Zwei Erfolge, die nicht hoch genug zu bewerten sind. Denn eines der größten Probleme des Strafgerichtshofs ist, dass er keine eigene "Polizei" besitzt, also immer auf die Mithilfe der jeweiligen Regierung oder internationaler Friedenstruppen angewiesen ist. Der oberste Richter, Philippe Kirsch, sieht ein zweites Problem bei der Ermittlung: "Dieses Gericht operiert vielfach unter schwierigeren Bedingungen als andere Tribunale. Vor allem, weil wir uns mit Verbrechen in Konflikten beschäftigen, die noch andauern."

Opfer können Rechte einfordern

Männer und Frauen in schwarzen Roben sitzen in zwei Reihen jeweils vor Bildschirmen (Quelle: AP)
Robe und Rechner: Die Richterbank des StrafgerichtshofesBild: AP

Aber man habe auch von anderen Tribunalen gelernt, sagt Kirsch. Ein wichtiger Punkt sei die Beteiligung der Opfer. "In früheren Tribunalen waren Opfer in erster Linie als Zeugen da, aber nicht um selbst ihre Rechte einzufordern. Beim Internationalen Strafgerichtshof können sie sowohl Rechte einfordern als auch Entschädigungen bekommen."

Ein zweiter großer Unterschied ist eine vorgeschaltete Kammer, die die Beweise sichten und Wichtiges von Unwichtigem trennen soll. So werden die dann folgenden Prozesse verkürzt. Es kann also nicht mehr vorkommen, dass ein Angeklagter – wie etwa Slobodan Milosevic vor dem Jugoslawien-Tribunal – ellenlange Monologe verlesen und Zeugen vorladen kann, die den Prozess nur um Monate und Jahre verlängern, aber nichts Konkretes beitragen.

Skeptiker bewegen sich

Im Hintergrund schwelt ein Streit mit den Gegnern des Gerichtshofs, allen voran mit den USA. Präsident George W. Bush will das Gründungsprotokoll nicht ratifizieren lassen, vor allem, weil er fürchtet, dass auch Amerikaner dadurch vor Gericht gebracht werden könnten. Auch China, Russland und Indien haben es nicht ratifiziert, so dass große und wichtige Staaten auf der Liste der Unterstützer fehlen. Dennoch ist Kirsch optimistisch: "Es gibt bereits eine Entwicklung in der Position von Staaten, die große Einwände gegen den Internationalen Strafgerichtshof hatten. Denn wir erledigen rein juristische Arbeit, und deshalb gibt es mehr Vertrauen in den Gerichtshof als vorher."

Chefankläger Ocampo hofft ebenfalls auf die Wirkung des Gerichts – und auf die Einsicht: "Dauerhafter Frieden braucht Gerechtigkeit. Wenn nicht, bricht wieder ein Konflikt aus. Ich denke, Gerechtigkeit ist unser Beitrag zum Frieden: Das Gericht zeigt, dass es helfen kann, das Recht in der Welt durchzusetzen."