Prozessprüfung
9. November 2006Mit Beginn dieses Verfahrens hat der Internationale Strafgerichtshof der Vereinten Nationen ein neues Kapitel in der Geschichte des Völkerrechts aufgeschlagen. Beschuldigt ist Thomas Lubanga, ein Kommandeur des Bürgerkriegs in der Demokratischen Republik Kongo, der Kindersoldaten rekrutiert haben soll.
Bei einer Anhörung am Donnerstag (9.11.2006) ging es zunächst um die Bewertung, ob die Beweismittel ausreichen. Die drei Richter des Weltgerichtes müssen auf der Grundlage entscheiden, ob dem früheren kongolesischen Rebellenführer Lubanga der Prozess gemacht wird. Er war im März 2006 von der kongolesischen Regierung dem Den Haager Gerichtshof übergeben worden. Lubanga ist der erste mutmaßliche Kriegsverbrecher, der sich vor dem Gericht verantworten muss.
Beschuldigter soll Kindersoldaten ausgebildet haben
Nach der Klageschrift war Lubanga Anführer der Rebellenbewegung "Bund der Kongolesischen Patrioten" und Kommandant der Miliz "Patriotische Kräfte für die Befreiung des Kongo". Er soll dafür verantwortlich sein, dass Kinder unter 15 Jahre rekrutiert, in Lagern trainiert und zu bewaffneten Kämpfen gezwungen wurden. An den Kämpfen im Kongo waren nach Angaben des Strafgerichtshofes insgesamt 30.000 Kindersoldaten beteiligt.
Manche der von Lubanga rekrutierten Kinder seien nicht älter als zehn Jahre gewesen, erklärte Chefankläger Luis Moreno Ocampo. Lubanga bestreitet die Tat. Nach Ansicht seiner Anwälte handelt es sich um einen politischen Prozess. Die Verteidiger haben ihren Mandanten als einen Pazifisten dargestellt, der nur versucht habe, in der Region Ituri die Ruhe wiederherzustellen.
Beispielhafter Fall für den Missbrauch von Kindern im Krieg
Nach Darstellung der Ankläger wirft der Fall Lubanga ein Schlaglicht auf die in Afrika und anderen Teilen der Welt verbreitete Praxis, Kinder für die Kriege der Erwachsenen zu missbrauchen. Weltweit sind nach UN-Schätzungen etwa 300.000 Kinder davon betroffen.
Die Anhörung im Fall Lubanga soll drei Wochen dauern und die Befragung von Zeugen einschließen. Danach haben die Richter 60 Tage Zeit um zu entscheiden, ob es einen vollen Prozess gegen Lubanga geben soll. Wenn die Richter die Anklage bestätigen, kann das Hauptverfahren im März 2007 beginnen. Als Höchststrafe droht dem Kongolesen dann eine lebenslange Haft.
Zuständig für Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen
Der Internationale Strafgerichtshof wurde von den Vereinten Nationen eingerichtet und beschäftigt sich mit Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen. Er nahm am 1. Juli 2002 seine Arbeit auf und darf nur Verbrechen behandeln, die nach diesem Datum begangen wurden. Der Strafgerichtshof soll nur tätig werden, wenn die Behörden einzelner Staaten unwillig oder nicht in der Lage sind, die genannten Verbrechen selbst zu ahnden.
Bei Kriegsverbrechen kann er nur tätig werden, wenn die Tat in einem Unterzeichnerstaat, der den Strafgerichtshof anerkennt, geschehen ist oder wenn der Verdächtige aus einem solchen Land stammt. Der Gerichtshof kann zwar Haftbefehle ausschreiben, ist aber bei der Ergreifung von Verdächtigen auf die Kooperation der Staaten angewiesen, da er keine eigene Polizei hat. (kap)