Frontex soll Hilfe ausweiten
4. März 2020Wenn sich die Lage an einer EU-Außengrenze zuspitzt, wird gern nach einem Einsatz von Frontex gerufen. So auch diesmal. Die griechische Regierung hat Hilfe durch Frontex angefordert, und die Agentur hat zugesagt. In diesem Fall geht es nur um eine Ausweitung, denn Frontex ist bereits heute an der griechisch-türkischen Grenze vertreten.
Für solche "Feuerwehreinsätze" kann die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache, wie sie offiziell auf deutsch heißt, auf bis zu 1500 Grenzschützer zurückgreifen, die binnen fünf Tagen von den EU-Mitgliedsstaaten dafür abgestellt werden. Nach einem Verteilungsschlüssel stellt Deutschland 15 Prozent von ihnen. Frontex-Soforteinsätze sind vor allem als Hilfe für Mitgliedsstaaten gedacht, die laut einer Erklärung von Frontex unter "außergewöhnlichem Druck" stehen, "insbesondere im Zusammenhang mit einer großen Zahl von Nicht-EU-Bürgern, die versuchen, illegal in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates einzureisen".
Die Frontex-Beamten handeln vor Ort nicht in eigener Verantwortung, sondern wie die Behörde erklärt "unter den Anweisungen und in Anwesenheit von Grenzschutzbeamten des um Hilfe ersuchenden Mitgliedstaats", in diesem Fall Griechenlands. Die griechischen Behörden arbeiten zusammen mit Frontex dann einen Einsatzplan aus, der auch einen möglichen Waffengebrauch regelt. Ein Koordinierungsbeamter von Frontex überwacht die Umsetzung. Auch Einsatzfahrzeuge, Überwachungstechnik und gegebenenfalls Schiffe stellt Frontex zur Verfügung. Doch es geht nicht nur um die Grenzsicherung im engeren Sinne. Auch Spezialisten für gefälschte Pässe und Experten für die Registrierung von Flüchtlingen gehören dazu.
Ungeheure Aufwertung seit 2015
Seit der Gründung im Jahr 2004 hat Frontex eine dramatische Aufwertung erlebt. Ziel der Behörde mit Sitz in Warschau ist es nach eigenen Angaben, dazu beizutragen, dass "Europas Grenzen offen und sicher bleiben". Frontex-Chef Fabrice Leggeri fasst das so zusammen: "Wenn wir uns im Schengen-Raum ohne Grenzen frei bewegen wollen, brauchen wir eben ein gemeinsames Grenzmanagement an den Außengrenzen."
Vor allem auf dem Höhepunkt der "Flüchtlingskrise" 2015/16 wurde schnell klar, dass einzelne Staaten an den EU-Außengrenzen von der schieren Zahl der herandrängenden Menschen überfordert waren. Die offenen Binnengrenzen, eine der Grundideen der EU, wurden infrage gestellt, solange die Außengrenzen nicht ausreichend gesichert waren. Außerdem hat sich die EU bis heute nicht auf eine Verteilung von anerkannten Flüchtlingen geeinigt. Die Folge war, dass man sich mehr auf restriktive Maßnahmen gegen die irreguläre Migration konzentrierte. Die Erwartungen an Frontex stiegen entsprechend. Und sie steigen weiter. Bis 2027 soll die Grenzschutztruppe auf 10.000 Beamte aufgestockt werden, das Budget hat sich bereits vervielfacht. Im kommenden Jahr soll es 1,6 Milliarden Euro umfassen.
Vorwürfe von Hilfsorganisationen
Die Agentur ist nicht unumstritten. Hilfsorganisationen werfen ihr regelmäßig Menschenrechtsverletzungen und Verstöße gegen international geltendes Flüchtlingsrecht vor. Oder die Frontex-Beamten sollen ein solches Verhalten nationaler Grenzschützer geduldet haben. Bis 2014 sollen Frontex-Schiffe zum Beispiel Flüchtlingsboote im Mittelmeer immer wieder abgedrängt haben, ohne den Insassen die Möglichkeit zu geben, einen Asylantrag zu stellen. Der damalige Frontex-Direktor Ilkka Laitinen gab solche Fälle auch zu. Seit diesen Vorwürfen wurden die Einsatzbestimmungen von Frontex restriktiver.
Frontex hat seit einigen Jahren ein Beratungsgremium, das Konsultativforum, in dem Flüchtingshilfsorganisationen, das Rote Kreuz und die Vereinten Nationen vertreten sind. Stefan Keßler, der Vorsitzende des Forums, erläuterte im August 2019 im Gespräch mit der Deutschen Welle ein Dilemma des Gremiums: "Kontrolle haben über Frontex die Mitgliedsstaaten, die im Verwaltungsrat vertreten sind, und zwei Beamte der EU-Kommission, die ebenfalls im Verwaltungsrat vertreten sind. Eine wirksame externe Kontrolle gibt es bei Frontex aber nicht."
Auch jetzt gibt es wieder Kritik. Sebastian Koch, Sprecher der Menschenrechtsinitiative Seebrücke, sagte am Dienstag: "Wir können nicht weiter zuschauen, wenn griechisches Militär und Frontex an der türkischen Grenze mit Tränengas, Blendgranaten und Wasserwerfern auf Kinder, Frauen und Männer schießen." Und Diakonie-Präsident Ulrich Lilie klagt: "Die derzeitige Gewalt durch die griechische Grenzpolizei und Frontex hat ein noch nie dagewesenes Ausmaß gegenüber Flüchtlingen erreicht."
Doch die EU scheint entschlossen, ein unkontrolliertes Einreisen von Migranten diesmal zu verhindern. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte am Dienstag in Griechenland: "Unsere allererste Priorität besteht darin, die Außengrenzen zu schützen." Frontex sei einsatzbereit und werde mehrere Küstenschutzboote, ein Flugzeug und hunderte Grenzschützer an die griechische Grenze schicken.