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Friedhof für Vertriebene

22. September 2005

Vertreibung und Aussöhnung - thematisiert von Günter Grass: Eine Kombination, die erst einmal nach schwerer Kost klingt. Aber Robert Glinski ist mit der Grass-Verfilmung "Unkenrufe" eine unterhaltsame Satire gelungen.

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Idealisten: Alexander und AleksandraBild: Ziegler

Das Schicksal von Vertriebenen bleibt eine offene Wunde in der deutschen Geschichte - ein Thema, über das man ungern spricht, weil schnell der Vorwurf des Revanchismus im Raum steht. Jetzt versucht die deutsch-polnische Verfilmung von Günter Grass' Erzählung "Unkenrufe" eine tragikomische Aufarbeitung des gebrochenen Verhältnisses zwischen Ost und West - eingebettet in eine Liebesgeschichte zwischen einem Deutschen und einer Polin, die einen Friedhof gründen. Dieser Friedhof soll Vertriebenen den letzten Wunsch erfüllen: In der Heimaterde begraben zu werden. "Ich erwarte, dass wir auf beiden Seiten mit der Aufrechnerei aufhören", sagt Günter Grass, dessen Familie ebenfalls zu den Vertriebenen gehört, doch müsse deutlich werden, wer mit den Vertreibungen angefangen habe.

Späte Liebe

Alexander Reschke (Matthias Habich) ist auf der Suche nach Kunstdenkmälern in seine Geburtstadt zurückgekehrt, wo er eine Romanze mit der Restauratorin Aleksandra Piatkowska (Krystyna Janda) beginnt. Die bodenständige Romanze zwischen den beiden macht den Film allein schon sehenswert. Sie beginnt auf dem Marktplatz von Danzig, es ist 1989, der Fall der Mauer steht noch bevor.

Panoramabild: Unkenrufe, eine Verflimung nach einer Vorlage von Günter Grass
Alexander Reschke (Matthias Habich) und Aleksandra Piatkowska (Krystyna Janda)Bild: Ziegler

Sie haben eine Menge gemeinsam: den Vornamen, den Familienstand - beide sind verwitwet - und sie sind beide aus dem Osten Vertriebene: Aleksandra kam aus Wilna nach Danzig; Alexander kam aus Danzig nach Westdeutschland. Mit vollendeter Leichtigkeit unterspielen die Darsteller, was die literarische Vorlage ihnen da an Doppelsinn alles aufgeladen hat.

Wenn sie sich vom innigsten Wunsch ihrer Eltern erzählen, scheint ihre Überraschung über die Übereinstimmung vollkommen natürlich. In der Heimaterde wollten sie begraben sein! Als die spröde Aleksandra und der sperrige Alexander sich zuprosten, wird die Idee geboren: ein deutsch-polnischer, nein - "Ihr habt den Krieg begonnen!" - besser polnisch-deutscher Versöhnungsfriedhof muss her.

Panoramabild: Film Unkenrufe
Beerdigung auf dem VersöhnungsfriedhofBild: Ziegler

Unkenrufe

Auch ohne die dazwischen geschnittenen Aufnahmen einer Unke wird deutlich, dass das nicht gut gehen kann. In schnell geschnittenen Szenen wird zunächst vorgeführt, wie sich sofort geeignete Investoren im Westen und kooperationswillige Beamte im Osten finden.

In ihren besten Moment wird die Tragikomödie, getragen von einem hervorragenden Schauspielerensemble - darunter der polnische Altstar Krystyna Janda ("Mephisto") - zum ironischen Schelmenroman. Denn nach anfänglichen Hemmungen streitet man sich herzhaft und unter Vernachlässigung jeder "Political Correctness" und macht dabei immer lukrativere Geschäfte - zum Ärger allerdings des deutsch-polnischen Gründerpaares, das als Grass' antikapitalistisches Sprachrohr die schnöde Kommerzialisierung des Trauer-"Business" beklagt. Die länderübergreifende Gier auf den Mammon beflügelt die Völkerverständigung eben ungemein.

Keine zweite Titanic

Grass-Buch verfilmt: Uraufführung von Unkenrufe in Danzig, Porträt Glinski (l.) und Grass (r.)
Robert Glinski (li) und Günter GrassBild: dpa

"Ich finde, dass der Film die Idee des Buchs überträgt - auch den ironischen Tonfall", sagt Grass im Interview mit der dpa. Das Tragischkomische der ganzen Geschichte komme zum Tragen und die Hauptdarsteller seien wunderbar. Nur die Uniformen in den Rückblenden sehen für Grass zu neu aus. Nicht immer war der Autor mit den Verfilmungen seiner Romane zufrieden: "Ich glaube, dass die Verfilmung der 'Rättin' nicht gelungen ist und auch 'Katz und Maus' ist nicht so, wie ich es mir vorgestellt habe." Die "Blechtrommel"-Verfilmung von Volker Schlöndorff fände er dagegen nach wie vor eine gelungenen Sache, sagt der Autor. Es gebe auch Anfragen, "Im Krebsgang", den Roman über den Untergang des Flüchtlingsschiffs Wilhelm Gustloff, zu verfilmen. "Aber da muss ich sehr aufpassen. Wenn es darauf hinausläuft, eine zweite 'Titanic'-Verfilmung zu machen, dann muss ich 'nein' sagen." (chr)