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Zehn Jahre Petersberg-Konferenz

5. Dezember 2011

Vor zehn Jahren wurde auf dem Petersberg bei Bonn ein Neubeginn für Afghanistan verkündet: Nach der Vertreibung der Taliban sollte das Land Frieden, Demokratie und Wohlstand erhalten. Was ist daraus geworden?

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Bundeskanzler a. D. Gerhard Schröder (rechts), Afganistan-Präsident Karsai (mitte) und UN-Sonderbeauftrager Brahimi 2001 auf Petersberg (Foto: AP/Frank Augstein)
Präsident Karsai auf der Afghanistan-Konferenz 2001 auf dem PetersbergBild: AP

Sie galt als wegweisend für Afghanistan: die erste große Petersberger Konferenz, die Ende November 2001 in der Nähe von Bonn stattfand. Auf massiven Druck der Vereinten Nationen einigten sich Vertreter verschiedener afghanischer gesellschaftlicher Gruppierungen auf die Gründung eines demokratischen Staates. Das so genannte Petersberger Abkommen sollte Afghanistan in eine bessere Zukunft führen. Die Schreckensherrschaft der Taliban sollte ein für alle mal vorbei sein, Afghanistan nie wieder mit internationalen Terrororganisationen wie Al-Kaida zusammen arbeiten.

"Großer Tag für Afghanistan"

Bewaffnete Taliban (Foto: AP/Allauddin Khan)
Vor zehn Jahren endete die Talibanherrschaft in AfghanistanBild: AP

Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder sprach zum Abschluss der Bonner Konferenz am 05.12.2001 von einem großen Tag für Afghanistan. "Nach all den Jahren von Krieg, Terror, Not und Demütigung erhalten die Menschen in Afghanistan - und um die geht es vor allen Dingen - eine konkrete Friedensperspektive und eine wirtschaftliche Zukunftsperspektive."

Der Plan für den Neubeginn sah eine demokratische Verfassung, Parlaments- und Präsidentschaftswahlen vor. Die internationale Gemeinschaft sollte Afghanistan mit militärischer und finanzieller Hilfe zur Seite stehen. Diese Beschlüsse des Bonner Abkommens sind Schritt für Schritt umgesetzt worden - die erwartete Stabilität und der Aufschwung blieben aber aus.

Die Macht der Warlords

Metzger auf dem Markt(Foto: AP/Ahmad Masoud)
Der Alltag vieler Afghanen ist von Armut geprägtBild: AP

Die Bonner Konferenz habe versäumt, die richtigen Weichen zu stellen, kritisiert der afghanische Publizist Sayfudin Sayhon. Aus Angst, in Afghanistan könne ein Machtvakuum entstehen, habe man den Warlords großen Spielraum gegeben. Mit fatalen Konsequenzen: "Die Vertreter von verschiedenen Militärgruppen haben mit dem Segen der internationalen Gemeinschaft den afghanischen Staat unter sich aufgeteilt." Die Warlords hätten in die eigene Tasche gewirtschaftet und nie ein Interesse daran gehabt, einen demokratischen Rechtsstaat aufzubauen, so Sayhon weiter.

Heute, zehn Jahre nach dem Bonner Abkommen, beherrschen Krieg, Armut, Drogenhandel und Korruption den Alltag der Menschen. Die rund 150.000 ausländischen Soldaten der ISAF-Schutztruppe und die afghanische Polizei und Armee sind nicht in der Lage, für die Sicherheit im Land zu sorgen. Die Taliban und ihre Verbündeten sind stärker denn je.

Intervention ohne Konzept

Fallschirmjäger der Bundeswehr patroullieren in Afganistan (Foto: AP/Anja Niedringhaus, File)
ISAF-Soldaten in AfghanistanBild: AP

Diese Situation sei das Ergebnis einer planlosen militärischen Intervention, sagt Jochen Hippler, Politikwissenschaftler und Südasien-Experte an der Universität Duisburg. "Man hat kein wirkliches Konzept gehabt. Es war nicht klar, worum es gehen soll, um Demokratisierung, Terrorbekämpfung oder um den Aufbau eines Staates. Man hat lauter Dinge aufgelistet, aber sich nicht die Mühe gemacht, daraus eine Strategie zu entwickeln. Eine Strategie gibt es ansatzweise erst seit einem Jahr."

Doch das, was heute als Strategie gepriesen werde, sei vielmehr ein Rückzugsszenario. Nach Abzug der internationalen Truppen soll die afghanische Regierung ab 2014 allein für die Sicherheit im Land verantwortlich sein. Zehn Jahre nach dem Neubeginn sei Afghanistan jedoch weit entfernt von einem echten Frieden, so Hippler.

Zaghafte Fortschritte

Trotz aller Fehlentwicklungen gebe es in seinem Land aber auch Erfolgsgeschichten, betont Sayfudin Sayhon: "Afghanistan hat deutliche Fortschritte im Bereich der Telekommunikation, Bildung und Infrastruktur vorzuweisen. Und was viel wichtiger ist: Die Taliban stellen in unserem Land nicht mehr die Regierung."

Zudem habe die gesetzlich garantierte Pressefreiheit, trotz aller Probleme, zu einer noch nie dagewesenen Medienvielfalt im Land geführt. Doch solche Errungenschaften stehen auf sehr wackligen Füßen. Auch dem Experten Sayhon ist klar: Ohne massive Hilfe aus dem Ausland ist bis heute kaum eine Branche in Afghanistan überlebensfähig.

Autor: Ratbil Shamel

Redaktion: Ana Lehmann