Flüssigerdgas für den Klimaschutz?
18. Februar 2020Als das Europäische Parlament vergangene Woche bei einer Abstimmung eine Reihe von Projekten zu fossiler Brennstoffinfrastruktur befürwortete, sendete es damit ein klares Zeichen an die Mitgliedstaaten. Flüssigerdgas (LNG - Liquefied Natural Gas) wird zumindest im Moment als willkommener Bestandteil in einem sich wandelnden globalen Energiemix angesehen.
Bei der Suche nach Alternativen zu Öl und Kohle wurde Gas in den vergangen Jahren eine fast heilsbringende Rolle zugeschrieben, was durch die Entscheidung des Europäischen Parlaments weiter bestärkt wird. Das gibt auch drei geplanten LNG-Terminals in Deutschland Auftrieb, die dem EU-Parlament aber nicht zur Abstimmung vorlagen.
Diese sollen im Nordwesten des Landes gebaut werden, in den Städten Brunsbüttel, Wilhelmshafen und Stade. Die LNG-Terminals sollen als privates Unternehmen geführt werden und wären die ersten ihresgleichen in Deutschland. Doch genau wie der fossile Brennstoff Gas, sind auch die Terminals selbst höchst umstritten.
Während die Bundesregierung die Terminals als wichtigen Bestandteil zur Sicherung der inländischen Energieversorgung ansieht, vor allem zu einer Zeit, in der das Land sowohl aus der Kohleproduktion als auch aus der Atomkraft aussteigt und die europäische Gasproduktion nachlässt, sagen Kritiker, dass es angesichts der Kimakrise weder den Bedarf noch die Zeit gibt, in fossile Gasinfrastrukturen zu investieren.
"Wir brauchen Gas sicher noch eine Weile als Übergang, aber langfristig ist Gas auch Teil des Problems, nicht Teil der Lösung", so Sascha Müller-Kraenner, Leiter der Nichtregierungsorganisation Deutsche Umweltshilfe (DUH), im Gespräch mit der DW. Deutschland hat einen relativ großen Anteil an Gas im Energiemix (2018 waren es fast 24 Prozent), damit sei Deutschland bereits gut versorgt.
Bisher bezieht Deutschland vor allem aus Russland und Norwegen Gas, das über Rohrleitungen transportiert wird. Der Bau der neuen Terminals würde den Markt für LNG aus anderen Ländern öffnen.
LNG ist ein natürliches Gas, das durch extreme Kühlung verflüssigt wird, wodurch das Volumen reduziert wird. Das vereinfacht Transport und Aufbewahrung. In den USA gibt es seit einigen Jahren einen Fracking-Boom, der inzwischen zu Gasüberschüssen führt. Deutschlands LNG Terminals könnten diese nun abnehmen.
"Es hat immer mal wieder Überlegungen gegeben, flüssiges Gas zu importieren, aber bisher war das nicht wirtschaftlich tragbar", so Müller-Kraenner. "Deshalb ist es natürlich eine interessante Frage, warum diese Investoren gerade jetzt auftauchen." Die Antwort? Laut Müller-Kraenner der Versuch der amerikanischen Gasindustrie in den europäischen Markt vorzudringen. "Da gibt es ganz klare Hinweise darauf, dass die amerikanische Regierung im Rahmen der Handelsgespräche darauf gedrungen hat, den europäischen Markt für Flüssigerdgas zu öffnen."
Sauberer und grüner?
Norbert Brackmann, Koordinator der Bundesregierung für die maritime Wirtschaft, sagt, dass der Import von LNG nicht nur dabei helfen werde, Energiesicherheit und Diversifizierung zu schaffen, sondern auch Schiffe und den Schwerlastverkehr sauberer und grüner zu machen. "Das hängt damit zusammen, dass die Schadstoffemissionen deutlich reduziert werden", so Brackmann. "Das gilt nicht nur für CO2 sondern auch für Schwefelstickoxid und Feinstaubpartikel, die gar nicht mehr emittiert werden würden. Damit dient LNG dem internationalen Klimaschutz."
Allerdings würden Teile des LNGs höchstwahrscheinlich vom flüssigen Zustand wieder in Gas umgewandelt werden, um so in das inländische Stromnetz fließen zu können. Auch dieser Prozess ist mit einem hohen Energieverbrauch verbunden.
Laut Andy Gheorghiu, Politikberater und Aktivist für die Nichtregierungsorganisation Food & Water Europe, mangele es der Politik an Ehrlichkeit beim Anpacken der Klimakrise, wenn sie solche LNG- Terminals fördere und bezuschusse.
"Was wir derzeit brauchen ist ein echter Energiewandel - weg von fossilen Brennstoffen, einschließlich Gas," sagt er im Gespräch mit der DW. "Aber die Industrie versucht auf Teufel komm raus diesen letzten Markt zu kontrollieren und ihn als sauber und grün anzupreisen. Das ist er aber einfach nicht.“
Sowohl die Bundesregierung als auch die Gesellschaft German LNG Terminal GmbH, unter der sich Investoren rund um das Terminal in Brunsbüttel zusammengeschlossen haben, betonen, dass es irgendwann möglich sein wird, die LNG Infrastruktur mit Biogas oder synthetischem Gas zu versorgen.
"Eine Investition in ein LNG-Terminal und damit in den Aufbau einer LNG-Infrastruktur heute bedeutet gleichzeitig auch eine Investition in eine Infrastruktur, die zukünftig für klimaneutrale Energieträger genutzt werden kann," so Katja Freitag, Sprecherin vom German LNG Terminal.
Doch Gheorghiu betont, Biogas stelle keine langfristige Lösung in Europa dar. Felder würden zum Anbau von Nahrungsmitteln, nicht von Energiepflanzen gebraucht. Er widerspricht zudem der Behauptung, die Infrastruktur, die für LNG entwickelt wurde, könne auch mit synthetischem Gas funktionieren. "Manche politischen Entscheidungsträger sind nicht gewillt, tiefer ins Thema einzusteigen," sagt er, und fügt hinzu, sie schenkten dem "gefährlichen" Argument Glauben, die Infrastruktur sei anpassungsfähig.
Die Scheinheiligkeit des Frackings
Ein großer Teil des Widerstands rührt jedoch auch daher, dass zumindest Teile des importierten LNGs aus den USA stamme, das unter der umstrittenen Fracking-Methode gewonnen wird. Deutschland hat das Extraktionsverfahren bereits vor mehreren Jahren verboten.
"In den USA sehen wir beim Frackingverfahren teilweise Bedingungen, die mit immensen Umweltbelastungen einhergehen," so Müller-Kraenner.
Laut Brackmann sei noch nicht klar, wie viel LNG, das mit der Fracking-Methode gewonnen wird, tatsächlich in deutsche Terminals fließen wird. Doch er sehe keinen Widerspruch darin, gefracktes Gas nach Deutschland zu importieren.
"Wir haben Fracking in Deutschland wegen des hohen Erdbebenrisikos verboten. Doch wir haben einen offenen, europäischen Markt für natürliches Gas und es sind die Händler, die entscheiden, welches natürliche Gas sie kaufen.“
Karin Feridun, Mitgründerin der Better Path Coalition, einer Nichtregierungsorganisation, die sich für saubere Energie im US-Staat Pennsylvania einsetzt, sagt, es bestehe eine kollektive Verantwortung für die Schäden, die durch Fracking entstehen. In Pennsylvania gibt es eine ausgeprägte Fracking- Industrie.
Sie beschreibt Pennsylvania als Staat, der gegen sein kontaminiertes Grundwasser kämpft, von extremer Erosion, Landverlusten durch Infrastruktur, stillgelegten Brunnen, Methanlecks, Lärmbelästigung und unzähligen Krankheitsfällen, wie Fracking-Ausschlägen und Krebserkrankungen, betroffen sei. Trotzdem sei es "extrem schwierig" jemandem, der die direkten Folgen von Fracking nicht miterlebt, zu verdeutlichen "wie sehr die Gemeinden dort davon betroffen sind.“
Feridun ruft Länder, die sich nicht für die Entscheidungen der USA verantwortlich fühlen, dazu auf, doch zumindest in Erwägung zu ziehen, welche weitreichenden, klimarelevanten Auswirkungen Fracking habe – die Fracking-Methode hänge etwa direkt mit Methanlecks zusammen, ein Treibhausgas, das viel potenter ist als CO2. "Was in Pennsylvania passiert, bleibt nicht in Pennsylvannia... wenn es um den Klimawandel geht," so Feridun. "Wer unser Kunde wird, ist verantwortlich und mitschuldig.“