Schock nach Lampedusa-Video
19. Dezember 2013Es werde geprüft, ob die Behandlung von Migranten in Italien den EU-Regelungen entspreche, sagte EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström. "Die Bilder, die wir aus dem Lager gesehen haben, waren entsetzlich und nicht hinnehmbar". Die EU werde Italien um mehr Informationen bitten und darum, "das ganze Geschehen aufzuklären". Es gebe bereits Untersuchungen über unangemessene Bedingungen auch in anderen Lagern Italiens. Die EU werde sich nicht davor scheuen, mit rechtlichen Maßnahmen darauf zu dringen, dass Italien EU-Standards in vollem Umfang respektiere, erklärte Malmström.
Empörung über erniedrigende Behandlung
Das am Montagabend vom italienischen Fernsehen ausgestrahlte Video war heimlich von einem Flüchtling per Handykamera aufgenommen worden. Auf den Aufnahmen ist unter anderem zu sehen, wie sich Flüchtlinge unter freiem Himmel nackt ausziehen, um mit einem Desinfektionsmittel abgebraust zu werden. "Wir werden wie Hunde behandelt", kommentierte der Mann namens Khalid, der nach eigenen Angaben seit 65 Tage in dem Lager lebt, die Aufnahmen. Sie zeigen auch, wie Krankenschwestern die in einer Schlange aufgereihten Männer untersuchen. Frauen würden auf die gleiche Art behandelt, versicherte der Flüchtling aus Syrien.
Italienische Politiker reagierten entsetzt auf den TV-Bericht. Regierungschef Enrico Letta versprach "gründliche" Ermittlungen. Er werde klären lassen, wer für das Vorgehen verantwortlich sei. Die Verantwortlichen müssten bestraft werden. Die italienische Justiz ermittelt wegen Nötigung.
Die Bürgermeisterin von Lampedusa, Giusi Nicolini, reagierte entsetzt, die Bilder erinnerten sie an ein "Konzentrationslager". Die Politik müsse unbedingt gegensteuern. "Die Überfüllung der Auffanglager muss unbedingt geändert werden - nicht nur in Lampedusa, sondern überall im Land."
Flüchtlingslager als Geschäftsmodell
Das Lager auf Lampedusa wird von einer staatlich kontrollierten privaten Firma betrieben. Es bietet nach einem Brand derzeit nur für etwa 250 Menschen Platz. Immer wieder aber halten sich dort bis zu 1000 Migranten auf. Der Leiter der Flüchtlingseinrichtung verteidigte sich gegen die Vorwürfe.
An dem betreffenden Tag seien drei Flüchtlingsboote mit 104 Insassen auf Lampedusa eingetroffen und es habe der begründete Verdacht bestanden, dass die Flüchtlinge mit Krätze infiziert seien. Normalerweise erfolgten die Untersuchungen auf der Krankenstation, für eine solch große Anzahl an Menschen gebe es aber keine entsprechenden Räumlichkeiten.
Menschenrechtsorganisationen kritisieren die Zustände in italienischen Flüchtlingseinrichtungen seit langem. Experten bemängeln vor allem, dass bei der Auswahl der Betreiber nicht auf die Qualität geachtet werde. Der günstigste Bewerber erhalte in der Regel den Zuschlag.
Thema auch beim EU-Gipfel
Die Flüchtlingspolitik steht auch auf der Tagesordnung des EU-Gipfels, der an diesem Donnerstag in Brüssel beginnt. Eine Expertengruppe der EU hatte Anfang des Monats unter anderem eine verstärkte Präsenz der EU-Grenzschutzagentur Frontex, aber auch mehr Hilfe für die betroffenen Mitgliedsländer vorgeschlagen.
qu/kle (afp, dpa, rtr)