Aktionsplan für Flüchtlinge
18. Juni 2015Bundesländer und Kommunen fühlen sich mit der Aufnahme von Flüchtlingen überfordert: Bereits in den ersten fünf Monaten 2015 kamen rund 140.000 Asylsuchende, Tendenz steigend. Insgesamt rechnen die deutschen Behörden in diesem Jahr mit etwa 450.000 Asylbewerbern. Das wären mehr als doppelt so viele wie im Vorjahr. Die Kosten für Versorgung und Gesundheitsbetreuung dieser Menschen bringen die 16 Bundesländern und Kommunen, die Flüchtlinge aufnehmen an ihre finanziellen Grenzen.
Bei einem Treffen in Berlin sicherte Kanzlerin Merkel den Ministerpräsidenten der Länder schnelle Unterstützung zu, "dieses außerordentliche Problem gut zu lösen". Der Bund werde dafür kurzfristig eine Milliarde Euro zusätzlich bereitstellen und sich auf Dauer stärker finanziell engagieren als bisher.
Für das föderale System Deutschlands sei das so etwas wie eine "Revolution", sagte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff. Bisher tragen Länder und Kommunen rund 90 Prozent der Kosten für die Asylbewerber.
Außerdem werde der Bund die Beschleunigung der Asylverfahren und die gesellschaftliche Integration von Flüchtlingen mit "guter Bleibeperspektive" unterstützen. Man müsse unterscheiden, betonte Merkel, zwischen "jenen, die vor Krieg und Terror geflohen sind und Anspruch auf Schutz haben, und jenen, die einen solchen Anspruch nicht haben."
Asylanträge sollen schneller entschieden werden
Letzteres trifft vor allem auf die Flüchtlinge aus den Ländern des Balkans zu, die in diesem Jahr bisher fast die Hälfte der Ankommenden ausmachen. Sie haben kaum eine Chance auf Anerkennung als politisch Verfolgte, die Quote liegt weit unter einem Prozent. Sie sollen schneller abgeschoben werden.
Dafür benötige man beispielsweise die Unterstützung der Bundespolizei, sagte Haseloff. Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina wurden jüngst bereits per Gesetz als sichere Herkunftsstaaten eingestuft, was die Asylverfahren von vornherein beschleunigt. Ein Vorstoß des CSU-geführten Bayern, auch Albanien, Kosovo und Montenegro für sicher zu erklären, scheiterte allerdings am Widerstand der von SPD, Grünen und Linken regierten Bundesländer.
Die Länge des Asylverfahrens in Deutschland lag im vergangenen Jahr durchschnittlich bei sieben Monaten. Sie soll sich allmählich verringern. Dafür erhält das zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) 2000 neue Mitarbeiter. Sie haben aber neben den neuen Anträgen einen Berg von über 200 000 aufgestauten Altfällen abzuarbeiten.
Die medizinische Versorgung der Asylbewerber soll entbürokratisiert werden. Die staatlichen Integrationskurse, die eigentlich nur für Zuwanderer mit Aufenthaltsrecht gedacht sind, werden auch für noch nicht anerkannte Asylbewerber geöffnet. Voraussetzung ist allerdings, dass sie eine" gute Bleibeperspektive" haben, wie beispielsweise syrische Kriegsflüchtlinge.
Solche Asylbewerber sollen zunächst 300 Kursstunden erhalten, nach der Anerkennung weitere 600 Kursstunden. Dabei steht das Erlernen der Sprache im Mittelpunkt. Die Hilfsorganisation Pro Asyl warnt bereits vor einer Diskriminierung von Flüchtlingen aufgrund von Prognosen zur Wahrscheinlichkeit, ob sie in Deutschland bleiben können oder nicht.
Fluchtursachen mit mehr Entwicklungshilfe bekämpfen
Neben der Regierung befasste sich auch der Bundestag mit dem wachsenden Flüchtlingsstrom. Dort zitierte Kanzlerin Merkel in einer Regierungserklärung zum bevorstehenden Gipfel der Europäischen Union jüngste Zahlen des UN-Flüchtlingshilfswerks. Danach haben seit Jahresbeginn bereits rund 100.000 Menschen versucht, über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen.
"Die Tragödien, die sich dabei abspielen, machen uns alle immer wieder betroffen", sagte Merkel. Sie dankte den Besatzungen der beiden deutschen Marineschiffe, die in wenigen Wochen fast 4000 Menschen aus akuter Seenot gerettet hätten. Der Fraktionschef der Linken im Bundestag, Gregor Gysi, betonte, in Anbetracht seiner Geschichte sei Deutschland verpflichtet, Flüchtlinge in jeder Hinsicht anständig zu behandeln.
Man werde effektiver die Ursachen von Flucht und Vertreibung bekämpfen, sagte Merkel und verwies darauf, dass Deutschland in den nächsten Jahren 8,4 Milliarden Euro mehr für die Entwicklungshilfe ausgeben wolle. Zugleich solle die Zusammenarbeit mit Herkunfts- und Transitstaaten der Flüchtlinge verstärkt werden, um die Anreize für irreguläre Migration zu reduzieren.