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"Trauerspiel" um Börsensteuer

Bernd Riegert22. Mai 2013

Die geplante Steuer auf Börsengeschäfte lässt in der EU weiter auf sich warten. Auf dem kommenden Sondergipfel zum Thema "Steuern" wird sich der Streit fortsetzen. Zwei EU-Staaten klagen sogar gegen die Abgabe.

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Ein Mann steht vor einer Tabelle mit Aktienkursen (Foto: Bilderbox)
Bild: Bilderbox

In Steuerfragen muss die Europäische Union mit allen 27 Staaten einstimmig Beschlüsse fassen. Das macht Diskussionen langwierig und Ergebnisse manchmal unmöglich. Nach den negativen Erfahrungen in der Finanzkrise wollen elf EU-Staaten eine neue Steuer auf Finanztransaktionen an den Börsen einführen. 16 Staaten sind dagegen. Keine Chance also für die Finanzmarkt-Transaktionssteuer?

Nein, so ganz stimmt das nicht. Denn die elf Staaten, an der Spitze Frankreich und Deutschland, griffen zu einem Trick: Die EU-Verträge sehen die Möglichkeit vor, dass eine Staatengruppe außerhalb des eigentlichen EU-Rechts eine "verstärkte Zusammenarbeit" beginnt. Genau das haben die elf Befürworter eingeleitet. Die EU-Kommission hat einen entsprechenden Gesetzesvorschlag für die umstrittene Steuer im Februar 2013 vorgelegt. Der Haken an der Sache: Die FTT, wie die Finanztransaktionssteuer auch abgekürzt wird, würde nur in den elf Staaten erhoben, nicht in der gesamten Europäischen Union.

Spekulation soll bestraft werden

Bundeskanzlerin Angela Merkel setzt sich für die Steuer auf Finanzgeschäfte an der Börse ein. Beim Gipfeltreffen zu Steuerfragen am Mittwoch (22.05.2013) steht die FTT zwar nicht auf der offiziellen Tagesordnung, aber trotzdem wird im Hintergrund über sie gesprochen. Denn die Steuerpolitik der EU insgesamt steht zur Diskussion: Es geht um die Bekämpfung der Steuerhinterziehung, das Bankgeheimnis, Steueroasen und die Zukunft der großen Finanzhandelsplätze in der EU, wie etwa Luxemburg oder London. Auch die unterschiedlichen Steuersätze innerhalb der Europäischen Union für Unternehmen und die Definition dessen, was eigentlich besteuert werden soll (Steuerbasis), spielen eine nicht unerhebliche Rolle. In Steuerfragen herrscht keine Harmonie, die Staaten machen sich gegenseitig mit attraktiven Modellen Konkurrenz.

Britischer Premierminister David Cameron zu Besuch bei Bundeskanzlerin Angela Merkel (rechts) (Foto: Getty Images)
Finanztransaktionssteuer: Merkel sagt ja, Cameron neinBild: Getty Images

Bundeskanzlerin Merkel ist überzeugt, dass es gut ist, wenn in Sachen Finanztransaktionssteuer jetzt wenigstens eine kleine Gruppe von Staaten vorangeht: "Sicherlich ist dies nur ein Anfang, denn es wäre besser alle würden mitmachen. Aber immerhin im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit wird dies möglich sein. Die Bundesregierung wird alles daran setzen, dass die Beratungen zur Einführung dieser Steuer zügig ablaufen", sagte Merkel in einer Videobotschaft im Internet. Sie begründet ihr Eintreten für die Finanztransaktionssteuer damit, dass Banken und Spekulanten an den Kosten für die Finanzkrise beteiligt werden sollen: "Denn wir wollen, dass diejenigen, die die Krise verursacht haben, auch in Zukunft einen Beitrag zur Behebung der Folgen leisten."

Wer zahlt die zusätzliche Steuer?

Die EU-Kommission schätzt, dass mit einer Steuer auf Finanzgeschäfte an der Börse jährlich 30 bis 35 Milliarden Euro in den elf Staaten eingenommen werden könnten. Die Finanzminister würden diese Einnahmen freuen, doch der europäische Verband der Börsenhändler warnt, die Steuer würde am Ende nicht von den Banken gezahlt, sondern von den Kunden berappt werden. "Jeder Endkunde, ob es nun ein Pensionsfonds oder ein institutioneller Anleger ist, und jeder, der an der Börse Aktien, Anleihen, Währungen oder Rohstoffe kauft oder verkauft, wird den Preis bezahlen. Das ist eine hohe Belastung", sagt Mark Spanbroek, Generalsekretär des europäischen Börsenhändler-Verbandes im Gespräch mit der Deutschen Welle. Seine Prognose: "Das Handelsvolumen nimmt dramatisch ab. Das wird die Märkte austrocknen und die Leute werden woanders hingehen, um Geschäfte zu machen oder sie erfinden neue Produkte, um die Steuer zu umgehen."

Sven Giegold, finanzpolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament, glaubt, dass Lobbyisten hier zu schwarz malen. "Der Blumenhändler um die Ecke nutzt die Börse nicht, der große Blumen-Konzern vielleicht schon. So trifft diese Steuer diejenigen, die stärkere Nutzer im Finanzmarktbereich sind." Giegold, der die Finanzmarkt-Steuer seit langem befürwortet, geht davon aus, dass bestimmte Geschäftsmodelle, wie der spekulative Hochfrequenzhandel, an den Börsen nicht mehr funktionieren werden. "Da ist es kein Wunder, dass diejenigen, die heute davon leben, sich dagegen wehren", so Giegold im DW-Gespräch.

Attac-Mitbegründer und Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold (Foto: dpa)
Sven Giegold: "Die Transaktionssteuer muss kommen"Bild: picture-alliance/dpa

Klage vor dem Europäsichen Gerichtshof

Seit Monaten bombardieren sich die Lobbygruppen gegenseitig mit Studien, die sich für oder gegen die neue Steuer aussprechen. Entscheiden müssen am Ende die Finanzminister. Deren anfänglicher Schwung nimmt schon wieder ab, hat Sven Giegold beobachtet: "Sowohl aus Deutschland als auch aus Frankreich gibt es bremsende Signale. Die Franzosen wollen am liebsten die Derivate, also den größten Teil der Finanzprodukte, gar nicht besteuern. Die Deutschen verzögern das ganze Ergebnis. Es ist wirklich ein Trauerspiel." Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble will Entscheidungen über die Finanztransaktionssteuer am liebsten auf einen Zeitpunkt nach den Bundestagswahlen im September verschieben, denn der derzeitige liberale Koaltionspartner FDP hält von der Transaktionssteuer nicht allzu viel.

Ausblick auf die Skyline von London (Foto: Getty Images)
London - Europas wichtigster FinanzhandelsplatzBild: Getty Images

Heftigen Widerstand gegen eine neue Steuer auf Finanztransaktionen leisten Großbritannien und Luxemburg. Beide Staaten haben Klagen gegen die Pläne der elf Staaten vor dem Europäischen Gerichtshof erhoben. Der britische Finanzminister George Osborne kämpft bei jedem Treffen der EU-Finanzminister gegen die FTT und für den Finanzplatz London: "Wir reden über etwas, das einen wesentlichen Geschäftszweig aus Europa verdrängen wird. Wenn wir wirklich wollen, dass die ganze EU in der Welt konkurrenzfähig ist und Arbeitsplätze schafft, dann sollen wir nicht über etwas reden, das 70 bis 90 Prozent des Geschäfts in andere Weltregionen verlagern wird." George Osborne warnt, dass die globale Konkurrenz eine neue Steuer nicht einführen wird. "Die Vorstellung, dass die USA, China oder Singapur über so etwas auch nur nachdenken, ist, ehrlich gesagt, pure Fantasie."

"Staaten schießen sich ins eigene Knie"

Der europäische Börsenhändlerverband rechnet vor, dass durch die neue Steuer auch die Ausgabe von Staatsanleihen teurer werde. Die Staaten, die also Schwierigkeiten haben, ihre Schulden an den internationalen Finanzmärkten zu finanzieren, würden zusätzlich belastet. Mark Spanbroek, der Generalsekretär des Verbandes, führt als Beispiel Italien an. Dort gibt es eine nationale Börsenumsatzsteuer, die von Juli 2013 an für alle Finanzprodukte gelten soll. "Sie haben Probleme, Geld für ihren eigenen Anleihe-Markt aufzutreiben. Die schießen sich selbst ins Knie", so Mark Spanbroek. "Darum kommt jetzt die Forderung, den Markt für Staatsanleihen von der Steuer auszunehmen. Das ist für mich bereits der schlagende Beweis, dass die ganze Sache total schief läuft." Sven Giegold, der finanzpolitische Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament, sieht das anders. "Die Ausgabe von Staatsanleihen sei durch eine neue Steuer, wie die EU-Kommission sie vorschlägt, kaum betroffen", so Giegold. Ziel der Steuer seien vielmehr spekulative Geschäfte. Wer sein Geld langfristig anlege, habe kaum etwas zu befürchten. Auch die Europäische Kommission gibt an, dass die Steuer gezielt Spekulationsgeschäfte belasten würde und dass die Steuer auch funktioniert, wenn nicht alle 27 EU-Staaten mitmachten.

Wohin mit den Einnahmen aus der Steuer?

Vom 1. Januar 2014 an wollten die elf Vorreiter die Finanztransaktionssteuer einführen. Doch dieser Termin ist nach Einschätzung vieler Experten in Brüssel nicht zu halten. Denn noch haben sich die Elf nicht auf eine Richtlinie verständigen können, die danach auch noch in nationales Recht umgesetzt werden muss. Außerdem ist auch noch umstritten, wie die Einnahmen aus der neuen Steuer verwendet werden sollen. Fließen sie in den EU-Haushalt? Werden sie zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit in Europa verwendet? Oder bleiben sie einfach im Säckl des jeweiligen nationalen Finanzministers?

Eine Frau hält ein Schild hoch, auf dem steht 'Finanztransaktionssteuer jetzt': (Foto: dapd)
Eine alte Forderung wird neu belebtBild: dapd