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Finanzkrise vergrößert Kluft zwischen Arm und Reich

Jennifer Fraczek15. Mai 2013

Die Wirtschafts- und Finanzkrise verschärft soziale Ungleichheit. Das hat eine aktuelle OECD-Studie ergeben. Die Organisation warnt davor, dass Sparmaßnahmen der Regierungen das Problem weiter vergrößern könnten.

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Ein Bettler in Athen (Foto: picture alliance)
Bild: picture alliance/ANE

Die Kluft zwischen Arm und Reich wächst nicht erst seit der Krise. Laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) verstärkt sie diese Entwicklung aber. Die Ungleichheit der Bruttoeinkommen in den OECD-Staaten ist demnach in den Jahren 2007 bis 2010 stärker angestiegen als in den zwölf Jahren davor. Zumindest in den meisten Ländern, wie der OECD-Experte Michael Förster im DW-Gespräch sagte.

Deutschland gehört zu den Ausnahmen. Dort sind nicht nur die Einkommensunterschiede geringer als im OECD-Durchschnitt. Auch seien die Bruttoeinkommen in den ersten drei Krisenjahren sowohl bei den Großverdienern als auch bei Mittel- und Geringverdienern - marginal zwar, aber zumindest - gestiegen, sagt Förster.

Michael Förster (Foto: OECD)
OECD-Experte Förster: In Deutschland sind die Einkommen auch in der Krise gestiegenBild: OECD

Deutschland als Vorbild?

Ein Grund dafür sei die Zurückhaltung der Gewerkschaften bei Tarifverhandlungen gewesen, erklärt er. "In den Jahren vor der Krise, 2000 bis 2005, kam es deswegen in Deutschland zu einer extremen Erhöhung der Lohnungleichheit, es gab zunehmend unsichere Beschäftigungsverhältnisse. Der Höhepunkt wurde aber 2005/2006 erreicht. Die Jobs, die seitdem geschaffen wurden, sind - nicht nur, aber zu einem großen Teil - reguläre, sozialversicherungspflichtige Jobs."

Zudem habe Deutschland als exportorientiertes Land von der Schwäche des Euro profitiert, fügt Förster hinzu. Viele Unternehmen können zum Beispiel ihre Waren dadurch günstiger anbieten als die Konkurrenz.

Frei von Armut ist Deutschland deswegen aber nicht: Laut der OECD-Studie waren 2010 knapp neun Prozent der Deutschen arm. Damit liegt das Land im guten Mittelfeld, unter dem OECD-Schnitt von rund elf Prozent.

Säulendiagramm zum Anteil der Menschen in relativer Armut (DW-Grafik: Peter Steinmetz)
In Deutschland ist nach dieser Statistik nahezu jeder Zehnte, in der Türkei jeder Fünfte arm

Relativ oder absolut arm

Aber: Was ist überhaupt Armut? In Studien wird sie meist durch ein bestimmtes Einkommen festgelegt. Wer darunter liegt, gilt als arm. Die OECD hat als Maßstab das mittlere Einkommen eines jeden Landes genommen. Da sich dieser Wert und damit auch die Armutsgrenze stetig verändert, spricht man von relativer Armut.

In den Krisenjahren stieg der Prozentsatz der Armen in den OECD-Staaten nach dieser Definition nur leicht. Für aussagekräftiger hält OECD-Experte Förster deswegen die Zahlen zur absoluten Armut. Dabei wird das durchschnittliche Einkommen eines Landes aus einem bestimmten Jahr - in diesem Fall 2005 - als Armutsgrenze genommen und nachgesehen, wie viel Prozent der Bevölkerung in den Krisenjahren unter diese Grenze rutschten. Besonders stark betroffen: Italien, Spanien und Griechenland. Also jene hoch verschuldeten Länder, deren Sparkurs die Bevölkerung mitunter hart getroffen hat.

Vor allem die Jungen haben Geldsorgen

Innerhalb der Krisennationen, aber nicht nur dort, plagen laut Förster vor allem die jungen Leute Geldsorgen. Auch hier sei Deutschland eine Ausnahme, weil es gelungen sei, einem Großteil der Jugendlichen einen Arbeitsplatz zu verschaffen. "Aber in den meisten anderen europäischen Ländern haben junge Leute und junge Familien mit Kindern besonders viel an Einkommen verloren", sagt Förster. Über 60-Jährige hätten im Vergleich weniger Einbußen zu verzeichnen.

Lösungsansätze sieht Förster vor allem in der Bildungspolitik. Es zeige sich, dass ein hohes Bildungsniveau der Bevölkerung ein Garant dafür sei, dass die Kluft zwischen Menschen mit hohem und niedrigem Einkommen nicht zu groß werde. Christoph Schröder vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln sieht das ähnlich und glaubt außerdem, dass es mehr Möglichkeiten zur Ganztagsbetreuung von Kindern geben sollte, damit gerade Alleinerziehende Beruf und Familie besser verbinden können.

Christoph Schröder (Foto: IW Köln)
Umverteilen allein hilft nicht, sagt Christoph SchröderBild: IW Köln

"Mehr Sozialleistungen sind nicht die Lösung"

Dass mehr Sozialleistungen die Menschen aus der Armut führen und die Kluft zwischen Arm und Reich schließen, glauben weder Förster noch Schröder. "Es ist nicht so, dass jene Länder, die am stärksten umverteilen, am wenigsten Armut haben", so Schröder im DW-Interview.

Die Sozialsysteme hätten zu Beginn der Krise einiges auffangen können, ergänzt Förster. Jetzt sei aber die Politik gefragt. Und die muss, findet er, mitunter auch ihre eigene Sparpolitik kritisch unter die Lupe nehmen, sonst werde die Schere zwischen Reichen und Armen sich weiter öffnen. Vor allem dürften die Sparmaßnahmen nicht zu stark auf Kosten der Ärmsten gehen.