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Film

Cannes 2021: Comeback mit Hindernissen

Elizabeth Grenier
5. Juli 2021

Die Corona-Beschränkungen sind nicht die einzige Hürde: Das Festival in Cannes muss sich auch unbequemen Fragen zu Gleichstellung und Klimakrise stellen.

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Spike Lee mit erhobener Faust am Filmfestival in Cannes
Regisseur Spike Lee ist 2021 Jurypräsident in CannesBild: festival-cannes.com

Cannes is back! Es ist das globale Startsignal für das Kino: Nach der Absage im vergangenen Jahr wegen der Pandemie meldet sich das Filmfestival im südfranzösischen Cannes mit einer Sommeredition zurück. "Festivalbesucher gehen zehn Tage vorher in Quarantäne, Journalistinnen und Journalisten treffen Sicherheitsvorkehrungen, ich bin sehr gerührt", sagt Festivaldirektor und Regisseur Thierry Frémaux. "Die Filmwelt kommt wieder zusammen."

Zu Beginn der Pandemie war das Palais des Festivals, zentraler Veranstaltungsort in Cannes, mit Krankenhausbetten gefüllt, Anfang dieses Jahres diente es als Impfzentrum, als "Vaccinodrome". Zuletzt wurde das Festival von Mai und auf Juli verschoben, in der Hoffnung, dass die Pandemie dann unter Kontrolle sein möge. Und tatsächlich: Vom 6. bis 17. Juli  kann des renommierteste Filmfestival der Welt nun wieder stattfinden.

Masken sind auf dem gesamten Festivalgelände Pflicht, ebenso wie regelmäßige Tests. Küssen verboten heißt die Goldene Regel dieses Jahr auf dem Roten Teppich. Er werde die traditionellen Wangenküsschen zur Begrüßung auf jeden Fall ausfallen lassen, kündigte der Festivaldirektor an. Neben Fragen der Pandemie sorgten im Vorfeld von Cannes auch andere politische Themen für Schlagzeilen, etwa die Frage nach der weiblichen Beteiligung und der Klimabilanz.

Nur vier Regisseurinnen im Rennen um die Goldene Palme dabei

Im Hauptwettbewerb führten nur bei vier von 24 Filmen Frauen die Regie - ein Thema, das beim Filmfestival in Cannes nicht zum ersten Mal aufkommt: In der gesamten Geschichte des Festivals ist der Wettbewerb noch nie über vier nominierte Regisseurinnen hinausgekommen. Und nur eine Frau hat ihn jemals gewonnen: Jane Campion 1993 mit "Das Piano". 

Französische Schauspielerin Marion Cotillard am Filmfestival Cannes
Marion Cotillard spielt im Eröffnungsfilm "Annette" von Leos Carax die HauptrolleBild: festival-cannes.com

Die Proteste von Frauen 2018 im Zuge der MeToo-Bewegung scheinen wenig Eindruck auf das Line-Up dieses Jahres gemacht zu haben, auch wenn mittlerweile mehr Frauen in den Auswahlgremien vertreten sind. "Statistisch gesehen ist die weibliche Repräsentanz dieses Jahr sogar schlechter, denn der Wettbewerb ist von 21 auf 24 Filme erweitert worden", bemängelt Sophie Monks Kaufman von der Aktivistinnen-Gruppe "Time's Up UK". 

"Vier Frauen im Wettbewerb - ich bin der erste, der denkt, dass das nicht genug ist", wird Festivaldirektor Frémaux von der Nachrichtenagentur AFP zitiert. Doch das Festival habe sich eben gegen feste Quoten entschieden. "Keine Nominierung wird aufgrund von Geschlecht, Ethnie oder Religionszugehörigkeit der Regisseure entschieden", so Frémaux. "Aber wenn wir zwischen zwei Filmen schwanken, und einer ist von einer Frau gemacht, dann wählen wir diesen aus. Das gilt auch für das Herkunftsland. Cannes ist ein universalistisches Festival."

Bessere Bilanz in Sachen Parität?

Insgesamt sind mehr als vierzig Frauen mit ihren Filmen in den anderen Sektionen des Festivals vertreten. Grund genug für die Festivalorganisatoren, dieses Jahr - zusammen mit 2019 - zum bisher besten Festival in Sachen Parität zu erklären. "Wie peinlich", kommentiert Kaufman.

Drei der im Wettbewerb nominierten Regisseurinnen kommen aus Frankreich: Mia Hansen-Love mit "Bergman Island", Catherine Corsini mit "The Divide" und Julia Ducournau mit "Titane". Die vierte Nominierte ist die aus Ungarn stammende Filmemacherin Ildikó Enyedi. 2017 gewann ihr Film "On Body and Soul" in Berlin den Goldenen Bären, es folgte eine Oscarnominierung. Mit ihrem neuen Film "The Story of My Wife" mit Léa Seydoux ist sie nun im Rennen um die Goldene Palme.

Regisseurin Ildikó Enyedi mit Goldenem Bären bei Berlinale 2017
Ildikó Enyedi gewann 2017 in Berlin den Goldenen BärenBild: picture-alliance/dpa/G. Fischer

Mehr Diversität in der Jury

In der Jury werden die Bemühungen des Festivals um mehr Diversität sichtbar. Die fünf Frauen und drei Männer kommen von fünf Kontinenten: Die senegalesisch-französische Regisseurin Mati Diop, die aus Kanada stammende französische Sängerin Mylène Farmer, die US-amerikanische Schauspielerin und Filmproduzentin Maggie Gyllenhaal, die österreichische Regisseurin und Drehbuchautorin Jessica Hausner, die französische Schauspielerin Mélanie Laurent, der brasilianische Regisseur und Kritiker Kleber Mendonça Filho, der aus Algerien stammende französische Schauspieler Tahar Rahim und der südkoreanische Schauspieler Song Kang-ho.

Angeführt wird die Jury von Präsident Spike Lee, als erstem schwarzen Regisseur auf diesem Posten in Cannes.

Symbolpolitik für den Planeten

Auch wenn der Fokus im vergangenen Jahr auf der Pandemiebekämpfung lag, bleibt die Klimakrise das größte Akut-Problem der Menschheit. Dabei macht die Filmindustrie, die auf Massenkonsum aufbaut, keine gute Figur, wenn es um Umweltschutz geht. Trotzdem versucht Cannes, seine Bemühungen in Sachen CO2- und Müll-Reduktion hervorzuheben. 

Zum einen wird ein Spezialprogramm zum Thema Klimaschutz gezeigt, zum anderen wurden einige Maßnahmen umgesetzt: Plastikflaschen sind komplett verboten, die Fahrzeug-Flotte besteht zu 60 Prozent aus Elektro- oder Hybridautos und auch der Umfang des Roten Teppichs wurde reduziert.

Festival Palace mit kleinem Roten Teppich im Vorfeld der 74. Cannes Filmfestspiele in Frankreich
Symbolische Verkleinerung zur Reduktion von CO2-Emissionen: der Rote Teppich in Cannes 2021Bild: ERIC GAILLARD/REUTERS

Diese eher symbolischen Maßnahmen ändern jedoch nichts am allgemeinen Ruf der Filmfestivals, Berge von Müll und Tonnen an Emissionen zu produzieren, indem Stars aus der ganzen Welt eingeflogen werden. Im Zentrum der Kritik stand 2016 US-Schauspieler Leonardo DiCaprio, der sich für zahlreiche Umweltkampagnen engagiert, damals aber paradoxerweise extra mit einem Privatjet aus den USA nach Cannes reiste, um einen Umweltpreis anzunehmen.

Immerhin wird COVID-19 etwas für mehr Umweltfreundlichkeit tun: Durch Reisebeschränkungen und Quarantäneregeln in vielen Ländern werden zahlreiche Filmemacher gar nicht die Möglichkeit haben, dieses Jahr nach Cannes zu kommen.

Dieser Text wurde aus dem Englischen übersetzt.