Wo sind die deutschen Weltklassefußballer?
1. August 2019Zum Glück ist da noch Jürgen Klopp. Der Coach des FC Liverpool, der mit dem Champions-League-Sieg der "Reds" den größten Erfolg seiner Karriere feierte, steht auf der Shortlist der FIFA für die alljährliche Wahl der weltbesten Trainer. Und Klopp werden gute bis sehr gute Chancen eingeräumt, diesen Titel am Ende auch abzuräumen. Er holt für den deutschen Fußball damit die Kohlen aus dem Feuer. Denn schon jetzt steht fest, dass weder die beste Spielerin noch der beste Spieler der Welt in diesem Jahr aus Deutschland kommen wird. Auf beiden Listen finden sich keine deutschen Spielerinnen oder Spieler. Wo sind z.B. die "Helden von Rio" geblieben, die 2014 den Weltmeistertitel nach Deutschland holten?
Schwindende Bedeutung bei ihren Klubs
Von den 14 Spielern, die vor fünf Jahren auf dem Platz standen, haben mit Philipp Lahm, Miroslav Klose und Per Mertesacker drei ihre Karrieren beendet, Bastian Schweinsteiger lässt seine in der US-Profiliga langsam, aber sicher ausklingen. Doch alle anderen Feldspieler sind 30 Jahre oder jünger, mit Ausnahme von Benedikt Höwedes (31). Sie sollten doch eigentlich noch in der Lage sein, zu den Weltbesten zu gehören. Viele der Stars von 2014 spielen noch immer bei großen Vereinen, doch ihre Bedeutung dort schwindet.
Die Dienste Mesut Özils beim FC Arsenal und Jérôme Boateng beim FC Bayern scheinen nicht länger erwünscht zu sein. Die Münchener ließen Mats Hummels zum großen Rivalen Borussia Dortmund ziehen, eine Zukunft an der Isar hatte er offenbar nicht mehr. Die Rolle Thomas Müllers beim FC Bayern ist mittlerweile mehr eine emotionale als eine spielerische. In den vergangenen drei Spielzeiten schoss er zusammen genommen weniger Tore (19) als in der Saison 2015/16, als er 20-mal traf. Ob oder wie es für Mario Götze, den Siegtorschützen im WM-Finale 2014, bei Borussia Dortmund weiter geht, steht noch in den Sternen. André Schürrle, der in Rio den Pass zu Götzes entscheidendem Treffer gab, hat dagegen definitiv keine Zukunft mehr beim BVB. Im vergangenen Jahr verliehen die Dortmunder ihn an den FC Fulham, jetzt an Spartak Moskau.
Lediglich Toni Kroos und Manuel Neuer schienen in den vergangenen Jahren noch ihr hohes Niveau halten zu können. Doch zuletzt leistete sich auch Neuer im Tor der Bayern Fehler, die ihm zu seiner Glanzzeit nicht unterlaufen wären. Und auch Kroos‘ Stern bei Real Madrid scheint zu sinken. Die Gründe dafür, dass die Stars von einst ihre Schlüsselrollen eingebüßt haben, sind vielfältig. So trugen bei Götze und Boateng Verletzungen ihren Teil dazu bei. Özil genoss nicht immer das Vertrauen seiner Trainer. Hummels hat seine Schnelligkeit eingebüßt. Und Müller ist ein Offensivspieler, der nicht in jedes taktische Konzept passt.
Havertz und Maier mit Starpotential?
Das alles wäre nicht tragisch, stünde die nächste "Goldene Generation" schon vor der Tür - so wie jene U21-Europameister von 2009, die fünf Jahre später die Weltmeisterschaft in Brasilien dominierten. Doch in der Liste der 100 Kandidaten für den "Golden Boy" - einem von der italienischen Sportzeitung "Tuttosport" und anderen europäischen Fachblättern vergebenen Preis für den besten U21-Nachwuchsfußballer des Kontinents - finden sich nur zwei Namen aus der Bundesliga: Kai Havertz von Leverkusen und Arne Maier von Hertha BSC, beide 20 Jahre alt. 2011 hatte der damalige Dortmunder Mario Götze den Preis gewonnen.
Nach dem WM-Debakel 2018 und dem Abstieg aus der Nations League hat in der Nationalmannschaft der Umbruch begonnen. Junge Spieler wie Leroy Sané, Joshua Kimmich, Thilo Kehrer und Timo Werner sollen dabei führende Rollen einnehmen. Auch wenn sie vielleicht nicht unbedingt das Zeug zu Weltstars haben sollten, so hat das Weltmeister-Team von 2014 doch bewiesen, dass man auch anders Erfolg haben kann: mit mannschaftlicher Geschlossenheit. Da die "alte Garde" erschöpft wirkt und sich die potentiellen Nachfolger noch im Lernprozess befinden ist also Geduld angesagt. Und vielleicht ein leicht nostalgischer Blick zurück.