FIFA bereitet den Weg für Fußball-WM in Saudi-Arabien
6. Oktober 2023Der FIFA-Rat, das höchste Gremium des Fußball-Weltverbands, hat die Weichen für eine WM 2030 in drei Kontinenten gestellt: drei Spiele in den südamerikanischen Staaten Uruguay, Argentinien und Paraguay, die übrigen in den beiden europäischen Staaten Spanien und Portugal sowie in Marokko im Norden Afrikas. Da die Entscheidung des FIFA-Rats einstimmig fiel, gilt die erforderliche Zustimmung des FIFA-Kongresses im Mai 2024 in der thailändischen Hauptstadt Bangkok als Formsache. Stunden nach der FIFA-Ankündigung gab Saudi-Arabien bekannt, dass es sich um die Ausrichtung der Weltmeisterschaft 2034 bewerbe.
Warum verbessert die WM-Vergabe 2030 die Chancen Saudi-Arabiens?
"2030 werden wir einen einzigartigen globalen Fußball-Fußabdruck erleben", freute sich FIFA-Präsident Gianni Infantino nach der Entscheidung des FIFA-Rats. Globaler sei noch keine WM in der dann 100 Jahre währenden WM-Geschichte gewesen, sagt Infantino.
Was wie ein Jubiläumsgeschenk an die Welt wirken soll, ist in Wahrheit ein Steilvorlage für Saudi-Arabien. Da Europa, Afrika und Südamerika 2030 in die Gastgeberrolle schlüpfen werden, fallen sie wegen des Rotationsprinzips unter den Kontinenten für die Endrunde vier Jahre später aus. Gleiches gilt für Nord- und Mittelamerika, das mit dem Turnier 2026 in Kanada, den USA und Mexiko die kommende WM ausrichtet.
Eine Endrunde 2034 in Australien/Ozeanien ist zwar möglich - der australische Fußballverband signalisierte sein Interesse -, ein Zuschlag erscheint aber angesichts der Olympischen Spiele 2032 in Brisbane wenig wahrscheinlich. Somit bleibt realistisch betrachtet nur noch Asien als ausrichtender Kontinent übrig. Und dort hat sich Saudi-Arabien mit seiner offiziellen Bewerbung für 2034 in Position gebracht - am selben Tag, an dem sich das FIFA-Council für die Drei-Kontinente-WM 2023 ausspricht. Das wirkt nicht wie Zufall, sondern wie ein sorgfältig eingefädelter Plan. Denn ein weiterer Bewerber neben Saudi-Arabien ist aktuell nicht in Sicht. Und es bleibt nicht einmal ein Monat Zeit, da die FIFA eine Frist gesetzt hat: Bis zum 31. Oktober müssen mögliche Kandidaten offiziell ihr Interesse bekunden.
Könnte nicht ein anderer Staat aus Asien Saudi-Arabien Konkurrenz machen?
Theoretisch ja, noch aber hat niemand die Hand gehoben. So hört man aus China nichts mehr von eigenen WM-Plänen, die noch vor einigen Jahren propagiert worden waren. Die Machthaber in Peking scheinen ihr Interesse am Fußball verloren zu haben.
Scheich Salman bin Ibrahim Al Chalifa, seit zehn Jahren Präsident des asiatischen Fußballverbands AFC, stellte sich zudem demonstrativ hinter die Bewerbung Saudi-Arabiens. "Die gesamte asiatische Fußballfamilie wird gemeinsam die bedeutsame Initiative des Königreichs Saudi-Arabien unterstützen, und wir sind bestrebt, eng mit der globalen Fußballfamilie zusammenzuarbeiten, um ihren Erfolg sicherzustellen", sagte Al Chalifa.
Wie verkauft die Regierung Saudi-Arabiens die WM-Bewerbung?
In den staatlich gelenkten Medien Saudi-Arabiens war die Bewerbung um die WM 2034 das Aufmacher-Thema. Nach den Worten des Ministerpräsidenten, Kronprinz Mohammed bin Salman, spiegelt sie "den Fortschritt des Landes in allen Bereichen" wider. Ähnlich äußerte sich Sportminister Abdulaziz bin Turki. Der Zuschlag für die WM 2034 wäre "ein wichtiger Meilenstein in der Transformation des Landes", sagte der ehemalige Autorennfahrer: "Als aufstrebende und gastfreundliche Heimat für alle Sportarten glauben wir, dass die Ausrichtung einer FIFA-Weltmeisterschaft ein natürlicher nächster Schritt auf unserer Fußballreise ist."
Saudi-Arabien investiert seit Jahren massiv in den Sport, unter anderem in die Formel 1, den Golfsport, insbesondere aber den Fußball. So verdienen inzwischen Fußball-Stars wie Cristiano Ronaldo, Neymar oder Sadio Mané ihr Geld in der saudischen Liga. Die nächste FIFA-Klub-WM wird im Dezember erstmals in Saudi-Arabien ausgespielt.
Wie waren die Reaktionen auf den FIFA-Vorstoß zur WM 2030 und die zeitnahe Bewerbung Saudi-Arabiens um die WM 2034?
Der Fußball-Weltverband habe "ohne ein transparentes Verfahren" verkündet, dass die WM auf drei Kontinenten stattfinde und "damit den Weg geebnet, dass Saudi-Arabien das Turnier 2034 ohne Gegenwehr ausrichten kann", kritisierte Minky Worden von Human Rights Watch (HRW). Sie befürchte unter anderem, dass ähnlich wie vor der WM 2022 in Katar beim Bau der WM-Infrastruktur "Arbeitsmigranten missbraucht werden" könnten. Amnesty International wies zudem auf "die systematische Diskriminierung von Frauen und LGBTI-Personen" in Saudi-Arabien hin. Die beiden Menschenrechtsorganisationen werfen den Herrschern in Riad seit Jahren "Sportwashing" vor: Mit dem Glanz von Sportveranstaltungen wollten sie von massiven Menschenrechtsverletzungen im Land ablenken.
Sylvia Schenk, Leiterin der Arbeitsgruppe Sport von Transparency International Deutschland, wertet es dagegen erst einmal als Erfolg, dass sich durch den Beschluss des FIFA-Rats "die Frage einer WM-Bewerbung Saudi-Arabien 2030 gar nicht stellt". Vor wenigen Monaten war noch über eine gemeinsame Kandidatur Saudi-Arabiens, Ägyptens und Griechenlands spekuliert worden. Schenk hält es nicht für sicher, dass Saudi-Arabien für 2034 als Gastgeber gesetzt ist: "Das kann sein, kann aber auch nicht sein. Nachdem Katar 2022 dran war, ist die Frage, ob der Rest von Asien sagt: Wir lassen noch mal der Golf-Region den Vortritt."
Kritik an einer möglichen WM 2034 in Saudi-Arabien kam auch von Fan-Organisationen. "Wenn es nur einen Bewerber gibt, kann man ja auch nicht nach Menschenrechts-Richtlinien vergleichen", sagte Martin Endemann von der Fanorganisation "Football Supporters Europe".