Fiat Chrysler macht einen Rückzieher
6. Juni 2019Die Fusion von Chrysler (FCA) und Renault ist vom Tisch. Überraschend zog FCA sein Angebot in der Nacht zum Donnerstag "mit sofortiger Wirkung" zurück, nachdem zuvor Renault auf Wunsch des französischen Staates gezögert hatte, das Gesprächsangebot überhaupt anzunehmen.
Laut einem Insider habe Frankreich den Zusammenschluss verschieben wollen, um - alternativ zu den Gesprächen mit Fiat Chrysler - auch Beratungen mit Nissan und der Regierung in Tokio zu führen. Der französische Staat hält derzeit 15 Prozent an Renault.
Es sei klar geworden, dass derzeit die politischen Voraussetzungen, damit ein solcher Zusammenschluss erfolgreich sei, in Frankreich nicht gegeben seien, teilte der italienische-amerikanische Autobauer FCA am frühen Donnerstagmorgen in einer Stellungnahme in London mit.
Potential für drittgrößte Autobauer weltweit
Renault sieht die Schuld bei FCA. Es habe keinen guten Grund gegeben, das Angebot so überstürzt zurückzuziehen, hieß es aus Regierungskreisen. Bereits seit Beginn der Gespräche habe FCA massiven zeitlichen Druck ausgeübt und versucht, die Verhandlungen nach dem Ansatz "take it or leave it" - "nimm es oder lass es bleiben" zu führen. Die französische Seite habe klargemacht, dass sie sich nicht derart unter Druck setzen lasse, so berichten Kreise.
FCA hatte in der vergangenen Woche sein Interesse öffentlich gemacht, sich mit Renault zusammenzuschließen. Die Unternehmen hätten gemeinsam zum weltweit drittgrößten Autohersteller aufsteigen und die Marktführer Volkswagen und Toyota herausfordern können. Fiat Chrysler hatte vorgeschlagen, dass beide Unternehmensgruppen - also FCA und Renault - je die Hälfte an der neuen Gesellschaft halten. Zusammen würden sie auf 8,7 Millionen Fahrzeuge im Jahr kommen.
Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire warnte am Mittwoch jedoch vor zu viel Eile bei den Gesprächen. "Nehmen wir uns die Zeit, die Dinge richtig zu machen", sagte Le Maire dem Fernsehsender BFMTV.
Renault im Sog schlechter Nachrichten
Für Frank Schwope, Auto-Analyst der Nord LB, kommt der Rückzieher ebenso überraschend wie der Vorschlag zur Fusion selbst. "Der jetzige Rückzieher bedeutet nicht das endgültige Scheitern einer Zusammenarbeit zwischen Fiat Chrysler und Renault", schreibt Schwope. Allerdings sei die Konstellation angesichts vieler Partikularinteressen "schon sehr unübersichtlich". Insbesondere die Nissan-Problematik als auch die Interessen des französischen Staates dürften einer Einigung entgegen gestanden haben. Schwope weist in seiner Analyse auch darauf hin, dass zum Beispiel Daimler sowohl mit Renault als auch mit Nissan wechselseitige Beteiligungen unterhalte.
Die Aktien beider Autobauer mussten zum Handelsauftakt nach der Nachricht an den Börsen herbe Kursverluste einstecken. Die Papiere von Fiat Chrysler verloren in Mailand fast vier Prozent auf 11,25 Euro. Für Renault ging es in Paris um rund sieben Prozent auf 52,22 Euro abwärts. Damit bewegen sich die Papiere der Franzosen wieder nahe des tiefsten Niveaus seit Herbst 2014, nachdem die Hoffnung auf eine Fusion mit
Fiat Chrysler sie zuletzt noch über 58 Euro getrieben hatte. "Nach dem Fiat-Rückzug muss man sich fragen, inwieweit der französische Staat die strategischen und bewertungsrelevanten Optionen von Renault einschränkt, obwohl er nur einen Anteil von 15 Prozent hält", kommentierten die Analysten von Jefferies.
Der geplatzte Zusammenschluss mit FCA ist derzeit nicht die einzige schlechte Nachricht für Renault. Le Maire erklärte, in der Affäre um Ex-Spitzenmanager Carlos Ghosn werde Anzeige erstattet. Wenn der Staat Aktionär eines Unternehmens sei, müsse er sicherstellen, dass dessen Führung gut funktioniere. Die Justiz müsse dann in der Sache entscheiden, so der Minister zu BFMTV. Bis wann die Anzeige eingereicht werden soll, sagte Le Maire zunächst nicht.
Renault hatte bei einer Tochtergesellschaft in den Niederlanden zweifelhafte Ausgaben von zusammen rund elf Millionen Euro entdeckt. Wie der Renault-Verwaltungsrat am Dienstagabend mitteilte, geht es dabei unter anderem um Kosten für Flugreisen des früheren Konzernchefs Ghosn.
Nach der Verhaftung Ghosns in Japan war das von ihm geschaffene und kontrollierte französisch-japanische Autoa-Bündnis zwischen Renault, Nissan und Mitsubishi in eine schwere Krise geraten.
haz/hk/nm (rtr, afp, dpa)