"Wir Deutschen eilen zu Hilfe"
24. Juli 2018Herr Ziebs, in Schweden und Griechenland wüten derzeit Waldbrände. Besteht eine solche Gefahr auch für Deutschland und wäre die Feuerwehr ausreichend ausgerüstet, um solche Extremfälle in den Griff zu kriegen?
In Deutschland haben wir nicht so eine extreme Gefahr der Ausdehnung. Wir haben eine sehr hohe Waldbrandgefahr. Wenn es nicht regnet in den nächsten Tagen, dann wird sie auch nochmal steigen. Aber solche dramatischen Ausmaße halte ich in Deutschland nach menschlichem Ermessen für fast ausgeschlossen. Das liegt daran, dass die Förster unsere Wälder ganz anders bewirtschaften. Bei der Aufforstung von Waldflächen sind von vornherein Brandschneisen vorgesehen und sie müssen nicht so große zusammenhängende Waldflächen kontrollieren.
Immer wieder ist die Rede davon, dass es der Feuerwehr an Ausrüstung und Spezialisten mangelt. Wie beurteilen Sie das?
Ich würde das auf europäischer Ebene betrachten. Deutschland ist ein Land mit unheimlich vielen Feuerwehrleuten, wir haben eine Million. Die Schweden sind angenehm überrascht über die Stärke unserer Feuerwehrleute. Sie sagen, die Taktik, die die Deutschen verfolgen, ist eine komplett andere und wahrscheinlich viel effektiver. Das heißt, unsere Feuerwehrleute sind von der Ausbildung und von der Menge her viel besser auf solche Fälle vorbereitet, so dass Waldbrände in Deutschland nicht diese Ausmaße annehmen würden. Wir sind schnell und massiv vor Ort. Wir haben eine gute Wasserversorgung. Ich glaube, es mangelt nicht an Ausrüstung in Deutschland, allerdings an Unterstützung im europäischen Ausland.
Was meinen Sie mit Unterstützung im europäischen Ausland genau?
Wenn unsere europäischen Feuerwehr-Kameradinnen und Kameraden mit Waldbränden solchen Ausmaßes wie in Schweden zu tun haben, dann brauchen sie ausländische Unterstützung. Die haben sie auch früh angefordert. Dann ist es selbstredend: Wir Deutschen eilen zu Hilfe. In Schweden sind mehr als 50 deutsche Feuerwehrleute im Einsatz. Das ist gelebte europäische Solidarität. Die Unterstützung, die sie brauchen, kriegen sie auch von uns. An diesem Freitag reise auch ich nach Schweden.
Herr Ziebs, Sie sagten, die Ausrüstung sei ausreichend. Nun klagt die deutsche Gewerkschaft, dass in manchen Kommunen die Ausstattung der Feuerwehr so schlecht sei, dass es für Hilfesuchende oder Ihre Kollegen lebensgefährlich werden könne. Wie schätzen Sie das ein?
Es gibt Ausreißer. Berlin ist sicherlich ein ganz negativer Ausreißer - leider. Dort muss die Ausrüstung dringend ersetzt werden. Aber in der großen Masse, in der Fläche sind die Feuerwehrleute recht gut ausgerüstet. Das ist auch ein Kennzeichen dafür, wie die Wertschätzung des Stadtrates, des Gemeinderates, des Bürgermeisters gegenüber der Feuerwehr ist. In den meisten Fällen, über 90 Prozent, ist die Ausrüstung sehr gut und nur bei wenigen Ausreißern schlecht - leider auch in Berlin.
Woran mangelt es am meisten?
Wenn wir das Land Berlin wieder nehmen, dann ist es die persönliche Schutzausrüstung und die Fahrzeug-Ausstattung. Das heißt, wenn Fahrzeuge in den Einsatz gehen, die 30 Jahre alt sind, die vielleicht durchgerostet sind, dann muss man schon Zweifel daran haben, dass das noch in Ordnung ist.
Seit einiger Zeit findet die Feuerwehr keinen Nachwuchs mehr. Fehlen die Anreize oder mangelt es an Perspektiven?
Das muss man unterscheiden. Im hauptberuflichen Bereich sind die Defizite nicht so gravierend. Es gibt eine Vielzahl von Bewerbern, aber diese sind nicht ausreichend qualifiziert. Da muss sicherlich die Feuerwehr und die Kommunen noch einmal nachsteuern, um neue Anreize für Bewerber zu schaffen. Das ist der hauptamtliche Teil. Zum ehrenamtlichen Teil.....
Sie meinen die Freiwillige Feuerwehr?
Genau. Dort haben wir Defizite. Wir würden uns wünschen, dass noch mehr Menschen zur Freiwilligen Feuerwehr kommen, weil die geburtenstarken Jahrgänge wegbrechen. Jetzt kommen die schwächeren Jahrgänge. Dadurch entsteht ein Defizit. Ich würde mir schon wünschen, dass die Menschen wieder ein bisschen sensibilisiert werden für die Freiwillige Feuerwehr: Dass es Spaß macht, in der Freiwilligen Feuerwehr Dienst zu tun, dass es Spaß macht, anderen Menschen zu helfen.
Die Anforderungen an die Feuerwehr sind alles andere als gering. Es geht ja nicht nur um Brandbekämpfung. Die Feuerwehr schneidet Unfallopfer aus Autowracks, sie rückt bei Überschwemmungen an und bringt Verletzte nach Explosionen in Sicherheit und das unter zunehmend widrigen Bedingungen. Haben Sie das Gefühl, dass ihr Einsatz von der Gesellschaft genügend gewürdigt wird?
Ich war vor kurzem bei einer Tagung des Internationalen Feuerwehr-Verbandes in den USA. Dort bin ich in Uniform durch eine Großstadt gegangen und wurde immer wieder gefragt: "Was ist das denn für eine Uniform?" Dann habe ich gesagt "firefighter". Und daraufhin sagte jeder, aber ausnahmslos jeder: "Vielen Dank für Ihren Einsatz!" Das heißt, andere Länder haben eine andere Beziehung zu ihrer Feuerwehr und sind ihren Feuerwehrleuten gegenüber aufgeschlossener, vielleicht auch dankbarer. Das würde ich mir für Deutschland auch manchmal wünschen.
Wie sehen Sie die internationale Zusammenarbeit, gerade mit europäischen Ländern. Im Moment geht der Trend eher in Richtung Nationalismus. Spüren Sie das auch in der Feuerwehr? Ist die Zusammenarbeit schwieriger geworden?
Überhaupt nicht, im Gegenteil. Die europäischen Feuerwehren sind noch näher zusammengerückt als früher schon. Auch zu Zeiten des Eisernen Vorhangs war die Zusammenarbeit zwischen den osteuropäischen und westeuropäischen Ländern im Bereich Feuerwehr immer ausgezeichnet. Da gibt es auch heute keine Defizite. Wir verstehen uns, wir arbeiten miteinander, wir arbeiten auch füreinander.
Hartmut Ziebs ist seit 2016 Präsident des Deutschen Feuerwehrverbandes. Er ist Vorsitzender der Stiftung "Hilfe für Helfer" des Deutschen Feuerwehrverbandes. Der Deutsche Feuerwehrverband ist der Fachverband der deutschen Feuerwehren.
Das Interview führte Ralf Bosen.