FC Bayern geht mit Trainer Vincent Kompany ins Risiko
29. Mai 2024"Ich freue mich auf die Herausforderung FC Bayern. Es ist eine große Ehre, für diesen Klub tätig sein zu dürfen - der FC Bayern ist eine Institution im internationalen Fußball", wird Vincent Kompany in der Pressemeldung des FC Bayern München zitiert, in der der Klub bekannt gibt, dass man mit ihm einen Nachfolger für Thomas Tuchel gefunden hat.
Endlich, muss man sagen, denn die Trainersuche entwickelte sich zu einer langen Reihe prominenter Absagen: Leverkusens Meistertrainer Xabi Alonso, Bundestrainer Julian Nagelsmann, Österreichs Nationaltrainer Ralf Rangnick, Sebastian Hoeneß vom VfB Stuttgart, Ex-Frankfurt-Trainer Oliver Glasner und Tuchel selbst - keiner hatte Lust auf den Cheftrainerposten beim Rekordmeister.
Hohe Ablöse als Hypothek
Stattdessen kommt nun Kompany. Er erhält einen Vertrag bis Mitte 2027. Der FC Bayern löst den 38 Jahre alten Belgier beim englischen Premier-League-Absteiger FC Burnley aus und lässt sich das laut Medienmeldungen zwischen zehn und zwölf Millionen Euro plus eventueller Boni kosten. Viel Geld für einen Trainer, der bisher noch keine große Erfahrung auf der Trainerbank gesammelt hat.
Die Entscheidung für Kompany ist mutig, denn nach der ersten titellosen Saison seit 2012 sind Erfolgsdruck und Erwartungshaltung äußerst hoch. Den Gewinn der deutschen Meisterschaft in der kommenden Saison darf man als Pflichtauftrag an den neuen Trainer betrachten, zudem findet das Finale der Champions League 2025 in München statt. Auch da wäre man sehr gerne dabei.
Wenig Erfahrung, Champions League als Neuland
Kompany, Sohn eines Kongolesen und einer Belgierin, ist erst seit vier Jahren Trainer und hat noch nie bei einem großen Klub gearbeitet. Er beendete seine Spielerkarriere 2020 beim RSC Anderlecht, wo er in seiner letzten Profisaison als Spielertrainer agierte und danach den Cheftrainerposten übernahm. Nach zwei mittelmäßig erfolgreichen und titellosen Jahren verließ Kompany den Klub und ging 2022 nach Burnley.
Mit den "Weinroten" aus der Nähe von Manchester schaffte er als Meister der 2. englischen Liga sofort den Aufstieg. In der Premier League hatte man dann aber keine Chance. Von 38 Ligaspielen gewannen Kompany und Burnley nur fünf und stiegen als Vorletzter direkt wieder ab.
Pep Guardiola als Mentor und Fürsprecher
Größter Pluspunkt Kompanys ist seine lange Zusammenarbeit und die Prägung durch Ex-Bayern-Trainer Pep Guardiola. Kompany, der von 2006 bis 2008 beim Hamburger SV in der Bundesliga spielte, wechselte 2008 vom HSV zu Manchester City. 2016 wurde Guardiola dort sein Trainer.
Da Kompany damals Mannschaftskapitän war, hatten die beiden eine enge Beziehung, wie Guardiola auch Jahre später noch betonte: "Er war ein herausragender Kapitän und Mensch", sagte der Spanier im vergangenen Jahr vor dem Spiel zwischen Manchester City und Burnley. "Er hat mir vom ersten Tag an sehr geholfen - in der Kabine, aber auch in vielen Gesprächen, wenn er mir klar gesagt hat, was er denkt, was für den Verein am besten ist."
Guardiola inspirierte Kompany offenbar auch dazu, Trainer zu werden und hat immer wieder betont, dass Kompany ganz sicher eines Tages ein Top-Trainer bei einem Top-Verein werde. Dem so Gelobten war das peinlich. Er bat Guardiola daher, das nicht mehr zu sagen, schließlich trainiere er gerade einmal einen Zweitligisten. Das war im März 2023, noch vor Burnleys Aufstieg.
Und auch bei der Verpflichtung Kompanys in München spielte Guardiola eine Rolle. Das bestätigte der frühere Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge gegenüber dem TV-Sender Sky "Pep Guardiola hat uns mit Kompany geholfen, er hat sich sehr lobend über Vincent als einen talentierten Trainer geäußert. Pep kennt Vincent sehr gut und seine Meinung wird geschätzt."
Hoffnung auf einen "Mini-Pep"
Womöglich erhoffen sich die Bayern-Bosse mit Kompany eine Art "Mini-Pep" oder "zukünftigen Guardiola" in den Verein zu holen. Kompany steht für dominanten Fußball aus einer starken Defensive heraus Attribute, die der Rekordmeister zuletzt öfter vermissen ließ.
"Vincent Kompany ist hungrig und bringt alles mit: Schon als Spieler war er eine Führungsfigur im internationalen Spitzenfußball und geht auch als Trainer voran. Wir wünschen uns auf dieser Position wieder mehr Kontinuität", sagte Sportvorstand Max Eberl über den neuen Bayern-Trainer. "Gemeinsam mit ihm wollen wir beim FC Bayern viel bewegen - und natürlich gemeinsam erfolgreich sein." Auch Eberl steht unter Druck und muss darauf hoffen, dass Kompany den Erfolg nach München zurückbringt - und dass nicht, wie bei dessen Vorgängern, ständig Unruhe aus den eigenen Reihen kommt.
Hansi Flick, Bayern-Trainer von November 2019 bis Sommer 2021, der 2020 mit den Münchenern sechs Titel gewann, verzichtete wegen Streitigkeiten mit dem damaligen Sportdirektor Hasan Salihamidzic entnervt auf einen neuen Vertrag.
Julian Nagelsmann (Juli 2021 bis März 2023) bekam als junger Trainer nie das volle Vertrauen und wurde schließlich in einer Phase der Saison entlassen, als man noch in allen drei Wettbewerben aussichtsreich im Rennen lag.
Missverständnis Thomas Tuchel
Thomas Tuchel schließlich wurde mit dem FC Bayern nie richtig warm - und umgekehrt. Der Trainer forderte Verstärkungen, die er nicht bekam, und ließ damit durchblicken, dass er den vorhandenen Spielern nicht genug zutraute.
Sportlich lief es auch nicht nach Wunsch. Im DFB-Pokal verlor man gegen Drittligist 1. FC Saarbrücken, in der Bundesliga hatte man keine Chance gegen die dominanten Leverkusener. Das Missverständnis endete damit, dass schon Ende Februar Tuchels Abschied zum Saisonende angekündigt wurde.
I-Tüpfelchen war die öffentliche Wortmeldung durch Bayerns Ehrenpräsidenten Uli Hoeneß, Tuchel sei kein Trainer, der junge Spieler entwickele. Diese Aussage erfolgte zu einem Zeitpunkt, als Eberl - nach den zahlreichen Absagen der Trainer-Wunschkandidaten - wieder mit Tuchel Gespräche führte, ob er nicht doch bleiben wolle. Letztlich blieb es aber bei der Trennung, und Thomas Tuchel wirkte nicht unfroh darüber.
Hoher Druck für Kompany
Trotz aller Wertschätzung und der freundlichen Worte zum Start seiner Amtszeit muss Vincent Kompany nun in diesem "Haifischbecken" bestehen. Bei einem Klub, an dem zuletzt gleich mehrere Top-Trainer gescheitert sind. Zudem muss sich zeigen, ob mögliche Neuzugänge sich auch jetzt noch für einen Wechsel nach München entscheiden, nachdem sie nun wissen, dass Kompany ihr Trainer sein wird.
Man kann dem Belgier nur wünschen, dass er mit seiner neuen Mannschaft einen erfolgreichen Saisonstart hinlegt. Je holpriger es wird, umso eher werden die Diskussionen losgehen, ob Kompany wirklich der richtige Mann ist für den Job - zumal er mit dem Makel startet, lediglich sechste oder siebte Wahl zu sein. Mit langer Schonfrist oder viel Geduld darf Kompany jedenfalls nicht rechnen - er arbeitet schließlich jetzt beim FC Bayern München.