Barcelona will um Messi kämpfen
26. August 2020Nach 20 Jahren im Verein will Fußball-Superstar Lionel Messi den FC Barcelona noch in diesem Sommer verlassen. Das bestätigte der spanische Spitzenklub am Dienstagabend gegenüber der Nachrichtenagentur AP. Bereits zuvor hatten die argentinischen Sportsender "Fox Sports Argentina" und "TyC Sports" gemeldet, dass der 33-jährige Argentinier seinem langjährigen Arbeitgeber in einem offiziellen Schreiben mitgeteilt habe, er wolle sich einen neuen Verein suchen. Laut Berichten muss Messi dazu eine Klausel in seinem Vertrag ziehen, durch die er am Ende jeder Saison einseitig kündigen kann. Eigentlich ist sein Vertrag in Barcelona noch bis Sommer 2021 gültig.
Nach Messis Ankündigung ist über diese Klausel nun offenbar ein Streit ausgebrochen. Die Frist zur Aktivierung der Klausel ist aus Sicht des Vereins für die vergangene Saison nämlich bereits im Juni abgelaufen, schreiben "Mundo Deportivo" und andere Medien. Messi sei dagegen der Auffassung, dass die Frist verlängert werden müsse, schließlich sei auch die Spielzeit wegen der Corona-Zwangspause verlängert worden.
Keine Lust auf Koemans Plan?
Wie "TyC Sports" berichtete, habe sich der sechsmalige Weltfußballer nach einem Gespräch mit dem neuen Barça-Coach Ronald Koeman zu diesem nicht nur für ihn einschneidenden Schritt entschieden. In der Unterhaltung soll der 57 Jahre alte Niederländer die Sonderstellung des argentinischen Superstars infrage gestellt haben.
"Die Privilegien im Kader sind vorbei, alles muss für die Mannschaft getan werden", soll Koeman laut einem Bericht des argentinischen Online-Portals "Diario Olé" gesagt haben: "Ich werde unflexibel sein, man muss an das Team denken." Koeman will die Mannschaft verjüngen. So soll er beispielsweise nicht mehr mit Messis Freund und Sturmpartner Luis Suarez planen.
Der Verein gab sich einen Tag nach dem Eingang des "Kündigungsschreibens" kämpferisch. Barças Technischer Direktor Ramon Planes machte am Mittwoch deutlich, dass sich der Klub nicht mit dem Abgang seines Stars abfinden will: "Wir möchten einen Neuaufbau für die Zukunft mit dem besten Spieler der Geschichte. Wir müssen enormen Respekt für Messi zeigen, weil er der beste Spieler auf der Welt ist", sagte Planes. Es dürfe keinen Streit zwischen Messi und dem FC Barcelona geben, weil dies niemand verdient habe.
"Mutter aller Debakel"
Gerüchte darüber, dass Messi wechseln könnte, hatte es aber bereits zuvor gegeben: Dass Messis Vater sich in Mailand eine Luxuswohnung gekauft habe, wurde als Hinweis darauf gedeutet, dass sich der Sohn Inter Mailand anschließen könnte. Der Spieler selbst hatte sich nach dem desaströsen 2:8 im Viertelfinale der Champions League gegen den späteren Titelträger FC Bayern nicht öffentlich zu seiner Zukunft geäußert.
Die Kritik nach der mehr als deutlichen Niederlage fiel harsch aus: "Historische Erniedrigung", "Desaster", "Schande", eine "historische Lachnummer", "schwärzeste Stunde der Geschichte" des Klubs, "die Mutter aller Debakel" - die Medien zerrissen Trainer, Spieler und Präsidium in der Luft, "selbst Messi war völlig überfordert", schrieben sie nach dem Spiel gegen das Team von Triple-Trainer Hansi Flick.
Der anspruchsvolle Floh aus Rosario
Messi, der in der argentinischen Stadt Rosario aufwuchs, kam als Jugendlicher in die katalanische Metropole und wurde in Barças legendärer Fußballschule La Masia ausgebildet. Ein Grund für den Umzug nach Spanien war unter anderem, dass der Klub die Behandlung einer Hormonstörung des Jungen übernahm, die dafür sorgte, dass Messi sehr klein war und nicht im gleichen Maße wuchs wie seine Altersgenossen. Deswegen und weil er wegen seiner Schnelligkeit nicht zu packen war, bekam Messi den Spitznamen "La Pulga" ("Der Floh"). Am 16. Oktober 2004 wurde Messi erstmals in einem Ligaspiel beim Profiteam der Katalanen eingewechselt. Erster Gegner Messis war Lokalrivale Espanyol Barcelona.
Zuletzt allerdings hatte das enge Verhältnis zwischen dem Superstar und "seinem" Klub Risse bekommen. Der Top-Star war unzufrieden mit der Transferpolitik des Vereins und beschwerte sich darüber, dass Barcelona keinen Kader habe, mit dem man die Champions League gewinnen könne. Besonders die Verpflichtung von Weltmeister Antoine Griezmann im Sommer 2019 kritisierte Messi immer wieder. Er ätzte zudem öffentlich und teamintern gegen Koemans Vorgänger Quique Setien, den er nicht für einen ausreichend guten Trainer hielt. In der spanischen Meisterschaft kam Barça nach der Corona-bedingten Saisonpause nicht recht in die Gänge. Man startete als Tabellenführer, wurde aber schnell vom Erzrivalen Real Madrid überholt, der sich letztendlich auch die Meisterschaft sicherte.
Proteste gegen Präsident Bartomeu
Der katalanische Regionalpräsident Quim Torra nahm am Dienstagabend auf Twitter bereits Abschied von Messi und deutete damit an, dass Barça den Superstar gegen dessen Willen nicht werde halten können: "Katalonien wird immer dein Haus bleiben. Vielen Dank für die Zeit voller Freude und mit einem hervorragenden Fußball. Wir hatten das Glück, einige Jahre unseres Lebens mit dem besten Spieler der Welt zu teilen."
Die Fans nahmen den drohenden Abschied ihres Lieblings dagegen nicht so gelassen auf: In der Nacht zum Mittwoch versammelten sich etliche Anhänger vor dem Stadion Camp Nou und machten ihrer Wut Luft. Sie forderten lautstark den Rücktritt von Klub-Präsident Josep Bartomeu, den sie als Schuldigen ausgemacht hatten. Laut Medienberichten wollen einige Direktoren des FC Barcelona bald zurücktreten, andere sollen dagegen einen Misstrauensantrag gegen Bartomeu vorgeschlagen haben.
Wer kann ihn sich leisten?
Sollte Messi tatsächlich wechseln, stellt sich die Frage, wohin er geht, beziehungsweise gehen kann. Tatsächlich zu Inter Mailand? Zu Manchester City, wo er erneut unter Pep Guardiola trainieren könnte, mit dem er in Barcelona viele Erfolge feierte? Oder verlässt er Europa und wechselt in die US-amerikanische Major League Soccer?
Sollte die Kündigungsklausel tatsächlich greifen, entfiele zwar die festgeschriebene Ablösesumme von 700 Millionen Euro, die sich ohnehin kein Verein der Welt hätte leisten können. Dennoch aber werden die Klubs es sich gut überlegen, ob sie Messi verpflichten sollen. Zwar bekommt man einen absoluten Ausnahmekönner, allerdings ist Messi mit 33 Jahren nicht mehr der Jüngste. Zudem müsste man das Spielsystem komplett auf ihn umstellen und noch dazu das Gehaltsgefüge sprengen. Beim FC Barcelona soll Messi ein garantiertes Gehalt von 35 Millionen Euro im Jahr kassiert haben - hinzu kamen etliche Millionen an Prämien und erfolgsabhängigen Sonderzahlungen.
asz (AP, dpa, SID)