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PolitikIsrael

Faktencheck: Zeigt Video Hisbollah-Angriff auf Israel?

16. Februar 2024

Ein vielfach auf X gezeigtes Video soll einen Raketenangriff der Hisbollah auf eine Raffinerie in Israel zeigen. Dies ist unwahrscheinlich, denn der Clip taucht seit Jahren immer wieder auf. Eine Spurensuche.

https://p.dw.com/p/4cSk8
X-Tweet mit der rot markierten Behauptung, das darin gepostete Video zeige den Einschlag einer Rakete der Hisbollah in Israel. Das Video zeigt ein Industriegelände aus einer erhöhten Position: Ein Turm mit Chemiereaktoren auf dem sich eine Explosion ereignet, dahinter zwei zwei kugelförmige Tanks.
Dieses auf X gepostete Video zeigt mit Sicherheit keinen Einschlag einer Hisbollah-Rakete in Israel

Der Konflikt zwischen Israel und der Hisbollah-Miliz im Libanon droht zu eskalieren. In den letzten Wochen haben sich beide Seiten immer wieder mit Raketen beschossen. Fragen und Antworten zu einem vermeintlichen Raketenangriff der Hisbollah auf eine Raffinerie in Israel im DW Faktencheck.

Die Hisbollah wird von den USA, Deutschland und mehreren sunnitischen arabischen Staaten als Terrororganisation eingestuft. Sie wird vom Iran unterstützt. Die EU listet den bewaffneten Flügel der Hisbollah als Terrorgruppe.

Behauptung: Seit einigen Tagen kursiert auf X, ehemals Twitter, ein Video von einer Explosion, die mehrere Posts als Werk der Hisbollah ausgeben: "#Hisbollah trifft israelische Basis mit einer gelenkten Rakete und verursacht komplette Zerstörung", heißt es in zwei der zahlreichen X-Posts mit dem Video.

Die fehlende Zeitangabe deutet ein aktuelles Ereignis an. Allein diese beiden Posts wurden jeweils rund 100.000 Mal angezeigt. Eines der beiden wurde am 8. Februar gepostet, das andere am 14. Februar.

DW Faktencheck: Falsch.

Zeigt das Video überhaupt einen Raketeneinschlag? 

Das Video zeigt ein Industrieareal aus einer erhöhten Position. Dem Augenschein nach handelt es sich um einen Anlagenturm mit Prozessreaktoren sowie zwei kugelförmige und einen zylindrischen Tank. Es dürfte sich also um eine Chemieanlage handeln.

Zu Beginn des Videos heult eine Sirene. Nach gut einer Sekunde explodiert der obere Teil des Anlagenturms, Feuer und schwarzer Rauch sowie das Dröhnen einer Explosion dehnen sich aus, dann sind weitere Explosionen zu sehen und zu hören.

Unterlegt ist das Ganze mit Musik, laut einem Libanon-Korrespondenten der DW handelt es sich um ein Propagandalied der Hisbollah, in dem es heißt: "Du wirst besiegt werden."

Warum Iran und Israel Feinde sind

Schätzungen zufolge verfügt der militärische Arm der Hisbollah über mehr als 100.000 Raketen. Tatsächlich sollen auch lenkbare Waffen darunter sein.

Bei näherem Hinsehen fällt allerdings auf, dass bereits zu Beginn des Videos mehrere Feuer in der Anlage brennen und dass zwei Wasserstrahle auf die Kugeltanks im Hintergrund gerichtet sind.

Offenbar herrscht also bereits Feueralarm, als sich die Explosion ereignet. Dem geringen Ausmaß der Brände nach ist es nahezu ausgeschlossen, dass auch sie Folge von Raketeneinschlägen sein könnten. 

Wie oft wurde das Video gepostet?

Die Suche im Netz nach Standbildern aus dem Video über Google-Lens, Yandex und TinEye erbringt unzählige Ergebnisse: Social-Media-Posts, in denen das Video schon einmal gepostet wurde - und zwar in völlig unterschiedlichen Kontexten.

Ein russischsprachiger Youtube-Post etwa behauptet, hier sei zu sehen, wie ein französisches Atomkraftwerk explodiert, fünf Menschen seien verletzt worden. Ein englischsprachiger Facebook-Post benennt eine Raffinerie in Saudi-Arabien als Ort des Geschehens und gibt Namen von angeblichen Verletzten und in welchen Krankenhäusern sie sich befänden.

Screenshot-Bildkombo: Links ein vertikales Youtube-Video mit Datumsangabe 18.11.2015, rechts ein  X-Post mit demselben Videobild und der Behauptung "Hisbollah trifft Israel ..."
Die Bilder zeigen offensichtlich dasselbe Video, eines wurde jedoch bereits 2015 gepostet und soll einen Brand in China zeigen, das andere mit Datum 14.2.2024 einen Raketeneinschlag in Israel.

In einem zwei Jahre alten Reddit-Post heißt es, das Video zeige eine Explosion im BASF-Werk im süddeutschen Ludwigshafen im Jahr 2016. Eine solche Explosion hat es tatsächlich gegeben, doch sie ereignete sich nicht in einer Reaktoranlage, sondern in einer bodennahen Leitung nahe einer Schiffsanlegestelle.

Die staatliche chinesische Nachrichtenseite "People's Daily" postete das Video 2017 auf Facebook, um eine Meldung über einen Brand "nahe einer Öl-Raffinerie" in der Stadt Dalian im Nordosten des Landes zu bebildern. Auch diesen Vorfall gab es.

Dass das Video aus China stammt, ist zudem plausibel, weil in dem Video eine männliche Stimme zu hören ist, die - laut einem chinesischen Mitarbeiter der DW - mit südwestchinesischem Akzent seinem Schrecken Ausdruck verleiht. (Die Stimme ist zu hören, weil die älteren Versionen nicht mit Musik hinterlegt und länger sind als die aktuell kursierenden.)

Wann wurde das Video erstmals gepostet?

Dennoch ist es ausgeschlossen, dass es sich um die Explosion in Dalian 2017 handelt. Denn der älteste auffindbare Post mit dem Video wurde bereits im November 2015 auf Youtube hochgeladen. Auch dort wird es mit "Explosion in einer chinesischen Chemieanlage" beschrieben.

Für das Jahr 2015 sind im Internet mindestens zwei Unfälle in chinesischen Industriegebieten dokumentiert. Im August explodierten offenbare mehrere Chemikalienlager im Hafen von Tianjin mit verheerendem Ausmaß: 173 Menschen starben, mehrere Hundert wurden verletzt.

Das Videobild zeigt ein Industriegelände aus einiger Entfernung gefilmt. Rechts ist ein Verwaltungsgebäude zu sehen, links davon ein Feuer und noch weiter linkt zwei kugelförmige Tanks.
Dieses Videobild zeigt laut der britischen Zeitschrift "Guardian" einen Brand in einer Öl-Raffinerie in Rizhao: Das hier untersuchte Video könnte aus dem Gebäude rechtsgefilmt worden sein. Das Feuer und die beiden kugelförmigen Tanks befänden sich in etwa in den richtigen Positionen.Bild: Youtube/Guardian News

Am 16. Juni hatte es bereits einen kleineren Vorfall in der Hafenstadt Rizhao, etwa auf halbem Weg zwischen Peking und Shanghai, gegeben, bei dem Medienberichten zufolge keine Personen zu Schaden kamen.

Die britische Zeitung "The Guardian" hat dazu ein Youtube-Video veröffentlicht. Die dort gezeigten Bilder könnten tatsächlich den gleichen Unfall zeigen wie das hier untersuchte Video.

Die Faktenchecker der arabischen Plattform Misbar leiten daraus ab, dass es sich um genau dieses Ereignis handelt. Wir sind etwas vorsichtiger: Letztlich können wir nicht klären, was dieses Video tatsächlich zeigt. Der Einschlag einer Hisbollah-Rakete ist es jedoch aller Wahrscheinlichkeit nach nicht, einen aktuellen Angriff können wir ausschließen.

Jan Walter Autorenfoto
Jan D. Walter Jan ist Redakteur und Reporter der deutschen Redaktion für internationale Politik und Gesellschaft.