Faktencheck: Trump und das Klimaabkommen
2. Juni 2017Rund 30 Minuten brauchte US-Präsident Donald Trump, um den Ausstieg der USA aus dem Pariser Klimaabkommen zu begründen. Das Wort "Klimawandel" kam dabei kein einziges Mal vor. Dafür sprach Trump umso mehr von Geld und Arbeitsplätzen. "Das Pariser Klimaabkommen ist einfach das jüngste Beispiel dafür, dass Washington einer Vereinbarung beigetreten ist, die die Vereinigten Staaten zum ausschließlichen Vorteil anderer Länder benachteiligt, wobei amerikanische Arbeitskräfte – die ich liebe – und Steuerzahler die Kosten in Form von Jobverlust, niedrigeren Löhnen, geschlossenen Fabriken und weitgehend rückläufiger wirtschaftlicher Produktion zu tragen haben."
Trump hält Zahlen bereit: Bis 2040 werde die Produktion von Papier um zwölf Prozent sinken, beim Zement seien es 23 Prozent, bei der Eisen-und Stahlproduktion 38 Prozent. Die Kohle sieht er mit 86 Prozent im Minus, bei Erdgas seien es 31 Prozent. Würden die USA sich an das Klimaabkommen halten, dann würden 6,5 Millionen Industriearbeitsplätze verschwinden. Das durchschnittliche Haushaltseinkommen würde sich um 7000 Dollar verringern. Die Wirtschaft würde so benachteiligt, dass das US-amerikanische Bruttoinlandsprodukt um drei Billionen Dollar sinken würde.
Studie von Klimaschutz-Gegnern
Wie die "Washington Post" berichtet, stammen die von Trump zitierten Statistiken aus einer Studie, die von der US-Handelskammer und dem ACCF, dem "American Council for Capital Formation" in Auftrag gegeben wurde. Beides Gegner des Pariser Klimaabkommens. Die Umweltschutzorganisation "Greenpeace" schrieb schon im Jahr 2005 über den ACCF, er werde finanziell vom damaligen Öl-Multi ExxonMobil unterstützt. Die ACCF-Schwesterorganisation ICCF sei im Vorfeld der Kyoto-Klimaverhandlungen damit betraut gewesen "in Klimafragen rückständige Konzerne um sich zu sammeln, um den weiteren Verlauf der Klimaverhandlungen zu torpedieren".
In ihren Berechnungen setzt die Studie unter anderem die Klimaschutzziele höher an, als von US-Präsident Barack Obama versprochen. Darüber hinaus werden mögliche Vorteile, die eine Reduzierung der Treibhausgase mit sich bringen würden, nicht in Betracht gezogen. Die Studie gehe zudem davon aus, dass sich saubere Energie nicht weiter entwickeln und damit preiswerter werden könnte. In einer Fußnote heißt es: Die Studie "berücksichtigt nicht die potenziellen Vorteile von vermiedenen Emissionen. ... Das Modell berücksichtigt keine noch nicht entwickelten Technologien, die die langfristigen Kosten beeinflussen könnten."
Die von Trump zitierten Statistiken stehen übrigens im Gegensatz zu Berechnungen, die von der OECD erstellt wurden. Danach sollte sich Klimaschutz für die G20-Staaten sehr schnell in Wachstum, Arbeitsplätzen und Modernisierung niederschlagen.
Ist das Abkommen unfair?
Donald Trump wirft China und Indien in seiner Rede vor, ihre fossile Energieerzeugung uneingeschränkt fortsetzen zu dürfen. "China darf Hunderte neue Kohlekraftwerke bauen, Indien kann die Zahl seiner Kraftwerke verdoppeln, auch Europa kann weiterhin Kohlekraftwerke bauen. Nach dem Pariser Abkommen können sie das, wir aber nicht." Das sei unfair.
Das stimmt so nicht. Das Klimaabkommen erlaubt oder verbietet nichts. Vielmehr erklärt jedes Land, wie weit es seinen Ausstoß von Treibhausgasen reduzieren wird und wie es dies erreichen will. Zudem hat China erst im Januar den Bau von mehr als einhundert geplanten Kohlekraftwerken gestoppt. Drei Jahre in Folge wurde der Kohle-Verbrauch reduziert. China hat zugestimmt, seine Emissionen an Treibhausgasen bis 2030 um 60 bis 65 Prozent zu reduzieren. Dafür werden Milliarden in Wind- und Solarenergie sowie neue Atomkraftwerke investiert.
Auch Indien hat zugesagt, seinen Ausstoß an Treibhausgasen von 2005 bis 2030 um 33 bis 35 Prozent zu reduzieren. Wie dies geschehen soll, bleibt dem Land selbst überlassen. Indien wird wie alle anderen Länder, die das Klimaabkommen unterschrieben haben, regelmäßige Berichte über die Entwicklung vorlegen müssen.
Sind 0,2 Prozent nicht der Rede wert?
Donald Trump stellt aber auch die Wirksamkeit des Pariser Klimaabkommens grundsätzlich in Frage. "Selbst wenn sich alle Nationen an Paris halten würden, würde dies bis zum Jahr 2100 den Temperaturanstieg nur um 0,2 Grad Celsius reduzieren." Tatsächlich kritisieren Experten, dass das Abkommen nicht weit genug geht, um das Ziel von weniger als zwei Grad Erderwärmung bis zum Jahr 2100 zu erreichen. Dennoch stellt das Pariser Abkommen im Vergleich zum Kopenhagener Abkommen eine Verbesserung dar.
Trump beruft sich auf eine Studie des "Massachusetts Institute of Technology" aus dem Jahr 2015. Die "Washington Post" zitiert einen der Autoren der Studie mit den Worten, er stimme überhaupt nicht mit Trumps Aussage überein, dass es sich dabei um ein so kleines Ziel handele, dass es sich nicht lohne, es zu verfolgen. Das Abkommen sei variabel, bis 2030 hätten alle Länder die Möglichkeit, ihre Ziele zu verändern. Tatsächlich gibt es auch Studien, die davon ausgehen, dass Paris eine Reduzierung von zusätzlichen 0,8 Grad bringen könnte.
Mit Öl und Gas gegen die Armut?
Donald Trump geht davon aus, dass erneuerbare Energien nicht ausreichen, um die amerikanische Wirtschaft zu versorgen. "Erneuerbare Energien könnten unserem steigenden Bedarf nur dann gerecht werden, wenn wir ein Wirtschaftswachstum von nur einem Prozent haben. Ich erwarte jedoch drei bis vier Prozent Wachstum." Mit dieser Prognose steht Trump weitgehend alleine da. Kaum ein Ökonom geht davon aus, dass die USA dieses Ziel erreichen werden.
Trump verweist in seiner Rede auch darauf, dass die USA die größten Energie-Reserven auf dem Planeten hätten. "Ausreichend um Millionen amerikanischer Arbeiter aus der Armut zu führen. Doch unter dem Pariser Abkommen schließen wir diese Reserven weg, lassen den großen Reichtum unser Nation liegen." Tatsächlich produzieren die USA mehr Öl und Gas als jede andere Nation der Welt. Seit 2012 liegt Amerika jedes Jahr an der weltweiten Produktionsspitze. Doch das wird unter anderem durch das hoch umstrittene Fracking-Verfahren erreicht.
Wirtschaftsfaktor Erneuerbare
Gleichzeitig ist die Produktion von Solar- und Windenergie in den USA deutlich angestiegen und somit bereits billiger geworden. Die Branche der erneuerbaren Energien beschäftigt in den USA inzwischen mehr Menschen als die der fossilen. Nicht nur Technologie-Unternehmen wie Facebook oder Google fordern von den Energieversorgern Strom aus erneuerbaren Energien. Auch viele große Konzerne haben entschieden, ihr Geschäft stärker am Klimaschutz auszurichten.
Einige Bundesstaaten und große Städte haben nach der Trump-Rede bereits mitgeteilt, sie würden sich weiter an die im Pariser Abkommen vereinbarten Emissionsrichtlinien halten. So auch Bill Peduto, der Bürgermeister von Pittsburgh. Trump hatte gesagt: "Ich wurde gewählt, um Pittsburgh zu repräsentieren, nicht Paris." Peduto antwortete darauf: "Wir waren die Stadt, die wie China heute ist, als der Rauch die Luft so stark verschmutzte, dass die Straßenlaternen 24 Stunden lang an blieben". Peduto wollte noch am Freitag eine Order erlassen, um die Einhaltung der Emissionsrichtlinien für Kohle zu bekräftigen.