Faktencheck: Hat Katar Fans "gekauft"?
18. November 2022Kurz vor dem Start der FIFA WM 2022 in Katar steht der Gastgeber in der Kritik. Der Vorwurf: Katar kaufe sich Stimmung und Fan-Kultur, indem Fußball-Anhänger für gute Stimmung und positive Social-Media-Posts bezahlt würden. Was ist dran an den Vorwürfen?
Behauptung: "Katar kauft sich WM-Fans!", titelte die deutsche "Bild"-Zeitung und berichtete dabei über internationale Fans, die von Katar mit einer "kostenlosen Reise zur Fußball-Weltmeisterschaft" eingeladen wurden. Weitere internationale Medien berichteten ähnlich. Zuerst hatte der niederländische Sender NOS berichtet, das Fans Flüge und Hotels erhalten - im Gegenzug für Social-Media Reichweite.
DW Faktencheck: Richtig.
Katar hat ausgesuchte internationale Fußballfans zur WM eingeladen und ihnen Flüge, Hotels und Aufenthaltskosten bezahlt. Das hat das für die Organisation der WM zuständige Supreme Committee (SC) auf DW-Anfrage bestätigt. Das sogenannte "Fan Leader Network"-Programm richtet sich an "passionierte Fußballfans", die "wichtige Informationen über die WM mit ihren Freunden teilen" sollen. Nach Informationen der Plattform theleader.com soll es sich dabei um bis zu 1600 Fans weltweit handeln. Das SC widerspricht den Vorwürfen, die Fans würden bezahlt, um im Gegenzug "koordinierte Promotion für die WM" zu erhalten. "Diese Unterstellung ist absolut falsch", heißt es in einem Statement.
Fakt ist aber: Katars Supreme Committee erwartet in einem Werbevertrag genau das von den Fans. Dieser "Code of Conduct" liegt der DW vor, zuerst veröffentlicht wurde er von NOS. Darin heißt es: Die Fans verpflichten sich vertraglich, die WM in Katar "durch Liken und Teilen" von Social Media Posts "zu unterstützen" und dabei den Hashtag #IAMAFAN zu verwenden sowie den Kanal Roadto2022 zu taggen.
Außerdem weist Katar die teilnehmenden Fans darauf hin, dass deren Posts "gemonitort" werden. Katar könne von den Fans verlangen, dass sie Posts löschen, die gegen den Code of Conduct verstoßen. Und eine "Herabwürdigung der WM oder Katars" sei "offensichtlich unangebracht".
Diese Anforderungen an die Fans stehen durch die vertragliche Fixierung in einem direkten Zusammenhang mit den geldwerten Vorteilen, also kostenlosen Flügen, Hotelunterbringungen und Match-Tickets sowie den gezahlten Taschengeldern. Sie können also durchaus als Gegenleistungen für die Bewerbung der WM in den sozialen Netzwerken betrachtet werden. Und die Organisatoren der WM schreiben auf ihrer eigenen Webseite: "Das Fan-Leader-Netzwerk spielt eine Schlüsselrolle bei der Bewerbung der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar."
Teilnehmende Fans haben der DW das Angebot aus Katar bestätigt. "Das Angebot beinhaltete das Flugticket, das Hotel und eine Eintrittskarte für das Eröffnungsspiel", erzählt Joseph Delage, ein Fan aus Frankreich. "Aber man musste während der gesamten ersten Runde bleiben. Die Idee war auch, dass man an kulturellen und sportlichen Aktivitäten teilnimmt." Lee Kormish aus Kanada nahm das Angebot an und reiste nach Katar. Er erhielt nach eigener Aussage keinen Verhaltenskodex aus Katar, bestätigte der DW aber, dass er neben Flügen, Hotel und einer Freikarte fürs Auftaktspiel "ein tägliches Essensgeld" erhält. In seinem Videoblog berichtet er von seinen offenbar durchweg positiven Erfahrungen in Katar. Delage lehnte das Angebot hingegen ab und glaubt, dass Katar sich mit dem Programm Fans mit einer positiven Haltung gegenüber dem Gastgeberland kaufen will.
Behauptung: Seit Mitte November kursieren zudem Videos von "Fanmärschen" durch Doha. Dabei sind Anhänger von zahlreichen teilnehmenden Nationen zu sehen. Zahlreiche Social-Media-Nutzer zweifeln aber an deren Authentizität. "Katar hat Fake-Fans gekauft, weil niemand dorthin will", schreibt ein Nutzer und ein anderer meint: "Okay die haben 'Fans' gekauft."
DW Faktencheck: Unbelegt.
Wir konnten keine Beweise dafür finden, dass die in den Videos gezeigten Fans für ihre Teilnahme an den Fanmärschen bezahlt wurden. Richtig ist: Tausende Anhänger der teilnehmenden Nationen zogen am 11. November durch Doha, unter anderem auch am Königspalast vorbei. Die meisten von ihnen sind nach unseren Informationen Gastarbeiter, viele stammen aus Indien. So wie auch Rashiq, der im England-Trikot der Nachrichtenagentur AFP sagte: "Ich bin aus Indien. Ich arbeite seit neun Jahren in Katar. Ich liebe englischen Fußball, deswegen unterstütze ich England. Wir sind alle aus Kerala in Indien."
Der Fanmarsch wurde nach AFP-Informationen vorab bei der Polizei angemeldet und diese blieb - anders als bei solch großen Menschenansammlungen in Katar üblich - auf Abstand. Viele der Teilnehmer seien Gastarbeiter, bestätigte ein Organisator gegenüber AFP. Den Gastarbeitern im Land hat Katar stark vergünstigte Tickets für WM-Spiele für zehn US-Dollar angeboten. Eine DW-Anfrage an Beteiligte der Organisation des Fanmarschs blieb unbeantwortet.
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