Fair Trade für den Süden
16. Dezember 2011Sie heißen Pinot Noir, Cabernet Sauvignon oder Sauvignon Blanc: Der südafrikanische Weinproduzent Thandi verkauft etwa 600.000 Flaschen Wein pro Jahr. 97 Prozent davon gehen ins Ausland. Diese hohe Exportquote verdanke das Unternehmen dem Fair-Trade-Siegel auf dem Flaschenetikett, sagt der Geschäftsführer von Thandi Wines, Vernon Henn.
Fair und teuer
Besonders in Europa gibt es immer mehr Verbraucher, die im Laden ganz bewusst nach Produkten mit dem Siegel greifen, das humane Arbeitsbedingungen und ein gerechtes Einkommen für die Erzeuger garantieren soll. Thandi war 2003 die erste Weinmarke weltweit, die für den fairen Handel zertifiziert wurde. Doch der Wettbewerbsdruck in der Nische wächst: Mittlerweile sind auf der Webseite des weltweiten Fair-Trade-Dachverbands mehr als 50 Produzenten von Fair-Trade-Weinen aufgelistet.
Mit herkömmlichen Weinproduzenten könne Thandi nicht konkurrieren, sagt Henn. Dafür seien die Kosten des fairen Handels für das Unternehmen zu hoch. Henn muss Arbeitsbedingungen nach Fairtrade-Standards gewähren - angefangen bei den Löhnen über die Sicherheitsausrüstung bis hin zu Toiletten für die Arbeiter. Pro Flasche zahlt er rund 6 Euro-Cent als Fairtrade-Prämie an die Arbeiter auf der Weinfarm und 5 Euro-Cent Lizenzgebühr an die lokale Fair-Trade-Vermarktungsorganisation. Einmal im Jahr muss Henn außerdem dafür bezahlen, dass ein Prüfer die Farm besucht. Deshalb sei Fair-Trade-Wein etwa fünf Prozent teurer als herkömmlicher Wein mit vergleichbarer Qualität, so Henn. Bei Thandi überlege man darum, die Produktpalette um herkömmliche Weine zu erweitern.
Fair-Trade-Wein auch für Südafrika
Boudewijn Goossens arbeitet daran, dass Produzenten wie Henn künftig mehr Wein mit Fair-Trade-Siegel absetzen können. Als Chef der Vermarktungsorganisation Faitrade Label South Africa verfolgt Goossens einen kühnen Plan: Er will den Fairen Handel revolutionieren. Ursprünglich sei das Fair-Trade-Konzept darauf angelegt gewesen, Konsumgüter in armen Ländern zu produzieren und an ethisch bewusste Konsumenten in reichen Ländern zu verkaufen, erzählt Goossens. "Wir sagen: Nein, lasst uns die Produkte hier im Süden verkaufen, wo sie produziert werden." Er sieht seine Organisation als Versuchskarnickel. Südafrika könnte als Vorbild dienen für andere Länder wie Brasilien und Kenia, hofft er.
Bisher ist der Faire Handel nur wenigen südafrikanischen Verbrauchern ein Begriff. Im Jahr 2010 betrug der Umsatz mit Fair-Trade-Produkten in Südafrika knapp zwei Millionen Euro, mehr als drei Mal so viel wie im Vorjahr. Aber selbst bei lokalem Fair-Trade-Wein und afrikanischem Fair-Trade-Kaffee, mit denen ein Großteil dieses Umsatzes erzielt wurde, liegt der Marktanteil fair gehandelter Produkte weit unter einem Prozent.
Goossens und seine Kollegen müssen einen Kreislauf in Gang bringen: Nur wenn Verbraucher das Konzept des Fairen Handels kennen und verstehen, entsteht eine Nachfrage für dessen Erzeugnisse. Durch die Nachfrage wird es lukrativer für Produzenten und Händler, Fair-Trade-Güter herzustellen. Doch nur, wenn Verbraucher Produkte mit dem Fair-Trade-Siegel im Ladenregal finden können, ist es überhaupt sinnvoll, sie zu informieren und eine Nachfrage zu schaffen. Deshalb arbeitet Goossens auf allen Ebenen des Produktions- und Handelssystems von Südafrika.
Viele Läden, große Marken
Erste Erfolge hat die 2008 gegründete Vermarktungsorganisation bereits erzielt. Ende 2010 erklärte Pick 'n Pay, eine der größten Supermarktketten des Landes, fair gehandelte Produkte ins Sortiment aufnehmen zu wollen, sobald sie in Südafrika verfügbar würden. Große Signalwirkung erhofft sich Goossens vom Schokoriegel "Dairy Milk" des Herstellers Cadbury. Täglich verzehren Südafrikaner 40.000 Täfelchen der Geschmacksrichtung Vollmilch. Ab Ende 2011 soll die Schokolade mit Fair-Trade-Siegel auf der Verpackung auch im entlegensten Dorfgeschäft zu haben sein.
Erfüllt sich Goossens' Vision, kaufen künftig die Südafrikaner Fair Trade - so wie bisher die Europäer und Nordamerikaner. Vernon Henn von Thandi Wines bekommt damit einen neuen Absatzmarkt. Und für jede Flasche, die verkauft wird, landen rund sechs Cent auf dem Konto der Farmarbeiter.
Autor: Aarni Kuoppamäki
Redaktion: Julia Kuckelkorn