Für Rosneft läuft alles wie geschmiert
23. Dezember 2004Es gehört schon viel Akribie dazu, die Vorgänge um den russischen Ölkonzern Yukos einzuordnen. Öl ist bekanntermaßen eine der Haupteinnahmequellen für Russland und sichert ein Drittel des Staatshaushaltes. Was Investoren und westliche Demokratien freut, nämlich die zarte Entwicklung einer privaten Wirtschaft in Russland, ist der Moskauer Regierung freilich ein Dorn im Auge. Denn in den Wirren seit 1989 wurde so mancher lukrative Staatsbetrieb im Handstreich privatisiert und oft unter Wert verkauft.
Rückverstaatlichung ein Ziel des Kremls
Seit dem Amtsantritt von Wladimir Putin hat der Staat jedoch erheblich an Handlungsfähigkeit zurückgewonnen und will verlorenes Terrain zurückerobern. Ein Ziel: Einen eigenen Ölkonzern zu schmieden, der es mit den Exxons und Shells dieser Welt aufnehmen kann. Das soll einmal die russische Rosneft werden. Diese kaufte nun (23.12.2004) die Yukos-Anteile von der offensichtlich als Strohmann agierenden Baikalfinans-Gruppe. Seit Herbst 2004 aber gehört die staatliche Rosneft, die bis dato nur 4,5 Prozent des russischen Öls förderte, zum ebenfalls staatlichen und weltgrößten Gaskonzern Gasprom. Die Gaspromneft Holding entstand.
Ein Blick zurück: Auf einer Pressekonferenz anlässlich der Übernahme im September dementierte Gasprom-Chef Alexej Miller ein eventuelles Interesse an dem Nachlass des Yukos-Imperiums: "Wir haben nicht die Absicht, an einer Auktion oder ähnlichem teilzunehmen. Wir sind an der Stabilität des Yukos-Konzerns interessiert", sagte Miller. Was sich im Dezember bewahrheitete: Statt Teilnahme an der Auktion eben der Kauf der Anteile vom Strohmann. Ein Megadeal für Väterchen Staat: Denn während die staatliche Rosneft im Jahr 2004 rund 20 Millionen Tonnen Öl förderte, waren es bei Yukos rund 90 Millionen.
Von den Oligarchen gelernt
"Die russische Regierung macht es Michail Chodorkowski nach", so kommentierte die russische Zeitung Nowaja Gaseta die Vorgänge um Yukos. Chodorkowski, der Yukos-Gründer und Multimilliardär, hatte seinerzeit den russischen Düngemittelgiganten Apatit ebenfalls über Briefkastenfirmen gekauft. Auch beim Yukos-Kauf war er trickreich: Kredite gegen Aktien hieß der Kuhhandel mit dem klammen Kreml 1995, Chodorkowski erwarb für lächerliche 309 Millionen Dollar 78 Prozent an dem Erdölkonzern. 2003 schließlich führte Chodorkowski, der auch politische Ambitionen hatte, Verhandlungen mit dem US-Ölmulti Exxon-Mobil, der die Mehrheit an Yukos übernehmen wollte. Das war zuviel für den Kreml: Chodorkowski sitzt seit Oktober 2003 in Haft, der Niedergang von Yukos begann.
Wer ist der nächste auf der Liste?
Bleiben noch die anderen Ölkonzerne, die sich fragen müssen, welches Schicksal ihnen blüht. Dabei teilt sich die russische Ölwelt in zwei Lager: Freunde und Gegner des Kreml. Zu letzteren zählt etwa der Ölkonzern Sibneft, der 2003 mit Yukos fusionieren wollte, dies aber dann platzen ließ. Sibneft gilt als Nummer fünf unter den Ölförderern Russlands. Mitte Dezember ließ ein Moskauer Gericht 34,5 Prozent der Sibneft-Anteile einfrieren, die Yukos bereits erworben hatte. Was nun mit den Aktien passiert, ist unklar. Der russische Staat könnte sie ebenfalls an Gasprom verkaufen und sich so einen Anteil an Sibneft sichern. Derzeit werden bei Sibneft, wie bei Yukos, Steuernachforderungen überprüft. Auch Tatneft, Nummer sechs im Ranking und in Tatarstan angesiedelt, steht auf der Liste. Beides sind privatisierte Gesellschaften, die mit dem Schlimmsten rechnen müssen. Gegen das Instrument der Steuernachforderung, das zeigt der Fall Yukos, gibt es derzeit kein Mittel. Zu den Freunden des Kreml und derzeit auf der sicheren Seite zählen Lukoil, Nummer zwei hinter Yukos und Surgutneftegaz, drittgrößter Ölproduzent des Landes.
Russland muss handeln
Die Schaffung eines staatlich kontrolliertem Ölmultis in Russland ist freilich nicht nur ein Rachefeldzug gegen Oligarchen wie Chodorkowski. Der Kreml ist strategisch dazu gezwungen. Jeder Dollar mehr oder weniger pro Fass Öl heißt eine Milliarde Dollar mehr oder weniger im Staatshaushalt. Und dank der Besetzung des Irak durch die Amerikaner sehen sich die Russen nicht nur um die politsche Vorarbeit und technische Erschließung der zweitgrößten Erdölreserven der Welt gebracht. Sie und der Rest der Ölkonsumenten auf der Welt müssen dadurch auch ein amerikanisches Preisdiktat beim Öl fürchten. Das kann niemand wollen, auch Europa nicht. Auch deshalb hat der deutsche Kanzler Gerhard Schröder beim jüngsten deutsch-russischen Gipfel gute Miene zum Spiel des Herrn im Kreml gemacht.
Die Finanzgemeinde darf gespannt sein, wann es in Russland wieder heißt: Der Nächste, bitte!