EZB: Einstieg in den Ausstieg?
13. Juni 2018Noch im April hatte EZB-Präsident Mario Draghi versichert, der Rat habe die nächsten Schritte der Geldpolitik nicht diskutiert. Am Dienstag vergangener Woche aber sagte Peter Praet, Chefvolkswirt der EZB, man werde am kommenden Donnerstag (14.06.) diskutieren, ob das Kaufprogramm für Anleihen fortgesetzt werden solle. Seit dessen Beginn im Frühjahr 2015 hat die Notenbank Anleihen und Wertpapiere im Volumen von gut 2,3 Billionen Euro am Markt gekauft. Mit dieser Liquiditätsflut hat sie dazu beigetragen, dass die Wirtschaft im Euroraum wieder in Schwung gekommen ist und Jobs aufgebaut wurden.
Das Wíchtigste aber ist für die EZB die Inflationsrate, die sie knapp zwei Prozent sehen will, damit Preisstabilität gegeben ist. Die Preise stiegen im Mai gegenüber dem Vorjahr um 1,9 Prozent nach 1,2 Prozent im April, getrieben jedoch vor allem durch höhere Energiepreise. Doch zu dem stärkeren Preisdruck trage auch der Wirtschaftsaufschwung in den Staaten der Währungsunion bei, der sich in höheren Löhnen bemerkbar mache, sagte Praet in seiner Rede am vergangenen Dienstag. "Dies stärkt unser Vertrauen, dass die Inflation mittelfristig ein Niveau von unter, aber nahe zwei Prozent erreichen wird."
Geldpolitik wird locker bleiben
"Es ist nicht ganz klar, ob die EZB kalte Füße bekommt und das Anleiheprogramm auslaufen lassen will, bevor es zu spät ist oder ob sie einfach beweisen will, dass sie sich an die Makrodaten halten will", sagt Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der ING Diba. Doch die Konjunkturindikatoren im Euroraum haben in der letzten Zeit eher enttäuscht, hinzu kommt die politische Unsicherheit in Italien. Deshalb vermutet Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, dass die EZB allein aus rechtlichen Überlegungen ein Ende der Anleihekäufe zum Jahresende ankündigen werde. Der Grund: sie darf nach eigener Aussage nicht mehr als ein Drittel der Anleihen eines einzelnen Staats halten. In Deutschland hat sie diese Marke fast erreicht, aber auch in Frankreich, Spanien und Italien ist diese Grenze nicht mehr weit entfernt. Allerdings bedeutet das Ende der Anleihekäufe noch nicht, dass die EZB damit nicht noch weiter präsent ist. Denn sie wird ihre auslaufende Anleihen wieder neu anlegen. Damit bleibt die Geldpolitik also locker.
Der italienische Patient
Dass die EZB nach einem möglichen Ende des Kaufprogramms aber bald die Zinsen erhöhen werde, damit rechnen die Finanzmärkte nicht. Denn die Kerninflationsrate, in der die schwankungsanfälligen Preise für Lebensmittel und Energie nicht berücksichtigt sind, ist bisher kaum gestiegen. Sie schwankt aktuell um ein Prozent. Hinzu kommen die Probleme Italiens. Die neue italienische Regierung dürfte das Haushaltsdefizit auf drei bis vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts erhöhen statt zu sparen, vermutet Krämer. Dass sich diese Erwartung bisher nicht allzu stark in den Renditen italienischer Staatsanleihen gezeigt hat, dürfte auch an der Notenbank und ihrem Anleihekaufprogramm liegen. All das sind also Gründe für mittelfristig niedrige Zinsen: "Die EZB wird wahrscheinlich erst von Juli 2019 an den Einlagenzinssatz schrittweise um zehn Basispunkte erhöhen", glauben die Ökonomen der schweizerischen Großbank UBS. Somit würde der Zinssatz noch auf längere Sicht negativ bleiben - er liegt aktuell bei -0,4 Prozent.
Unsicherheiten bleiben
Auch wenn die EZB damit ihr Kaufprogramm auf absehbare Zeit beenden wird, so dürfte sie doch grundsätzlich darauf bedacht sein, sich von der amerikanischen Geldpolitik weiter abzukoppeln. Die hat schon längst mit der Straffung begonnen, an diesem Mittwoch, also einen Tag vor dem EZB-Rat, wird die amerikanische Notenbank Fed wahrscheinlich die Leitzinsen weiter erhöhen. Deshalb ist das Niveau der Renditen in den USA höher als im Euroraum. Begänne die EZB ebenfalls mit der Straffung, müsste sie jedoch damit rechnen, dass dann auch die Renditen im Euroraum schneller steigen könnten als von ihr gewünscht, erklärt Commerzbank-Chefvolkswirt Krämer. Steigende Zinsen aber machen Kredite teurer, ebenso die Rückzahlung der Schulden. Das würde der Wirtschaft im Euroraum wieder einen Dämpfer versetzen. Denn die Unsicherheiten wegen Italien und auch wegen des Handelsstreits mit den Vereinigten Staaten könnten sich dann heftiger auswirken als dies der EZB recht wäre.