"Zuerst den Nepalesen helfen"
27. April 2015"Es ist zynisch, dass man um die Bergsteiger am Mount Everest, die sich für 80.000 bis 100.000 Dollar diese Besteigung kaufen können, einen solchen Hype macht", sagte Extrembergsteiger Reinhold Messner dem Sender hr-Info. "In erster Linie muss man den Menschen in der Hauptstadt Kathmandu helfen", forderte der 70-Jährige.
Natürlich benötigten die Bergsteiger auch Hilfe, betonte Messner. "Allerdings nicht in erster Linie." Am Mount Everest gebe es genügend Ärzte und Nahrung. Außerdem könne man die Betroffenen mit dem Hubschrauber ausfliegen.
Ähnlich äußerte sich Messners früherer Bergsteiger-Partner Peter Habeler. Viele einfache Nepalesen befänden sich in einer weit schlimmeren Notlage als die im Himalaya festsitzenden Bergsteiger, sagte der 72-jährige der Nachrichtenagentur dpa. Die Situation im Everest-Basislager auf 6400 Meter Höhe sei viel besser als in den verschütteten Dörfern im Khatmandutal. "Da fliegt der Hubschrauber drüber und sieht, dass die Häuser kaputt sind", so Habeler.
Messner und Habeler hatten den Mount Everest, den höchsten Berg der Welt, 1978 als erste Bersteiger ohne Sauerstoffgeräte erklettert. Zwei Jahre später unternahm Messner erneut die Besteigung, diesmal alleine.
Nur insgesamt 26 Hubschrauber
Das arme Nepal verfügt nur über sechs Hubschrauber, hinzu kommen 20 Helikopter in Privatbesitz. Drei der Hubschrauber wurden bei Rettungsaktionen am Mount Everest eingesetzt. Dort starben mindestens 18 Menschen, als eine vom Erdbeben ausgelöste Lawine über das Basislager hinwegfegte. Zum Unglückszeitpunkt waren etwa 1000 Menschen in dem Camp, unter ihnen 490 Ausländer.
Mehr als 4300 Tote
Auch zwei Tage nach dem Erdbeben der Stärke 7,8 steigt die Zahl der Todesopfer weiter an. Bislang seien mehr als 4300 Tote gezählt worden, davon etwa 90 in den Nachbarländern Indien und China, teilten die Behörden mit. Mehr als 7500 Menschen hätten Verletzungen erlitten.
Zehntausende Nepalesen harren weiter in Zelten aus und warten auf Hilfe. Parks und offene Gelände in der Hauptstadt Kathmandu sind überfüllt mit obdachlos gewordenen Familien und Einwohnern, die Angst haben, ihre Häuser zu betreten. Viele Überlebende in den Notunterkünften verfügten lediglich über Plastikdecken, um sich vor Kälte und Regen zu schützen.
Viele Nachbeben
Es fehlt an Trinkwasser und Medikamenten. Krankenhäuser in Kathmandu sind so überfüllt, dass Verletzte auf der Straße behandelt werden müssen. Starke Nachbeben erschütterten erneut die Region und versetzten die Menschen in Panik. Über die Situation in entlegenen Gebieten Nepals liegen weiterhin kaum gesicherte Informationen vor.
Auf dem Gelände der deutschen Botschaft in Kathmandu haben zahlreiche Bundesbürger Notquartiere aufgeschlagen. Wie ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin mitteilte, schlafen etwa 50 Menschen - Deutsche und einige Angehörige anderer Nationen - auf dem Botschaftsgelände im Freien. Die Mitarbeiter der Botschaft versuchten, sich einen Überblick über die Lage der deutschen Staatsbürger in Nepal zu verschaffen. Dies sei aber aufgrund der unterbrochenen Telefonverbindungen nicht einfach. Bisher sei noch unklar, ob deutsche Staatsangehörige zu Schaden gekommen seien, so der Ministeriumssprecher.
Deutsche Helfer vor Ort
Unterdessen ist die Nothilfe der internationalen Staatengemeinschaft im großen Stil angelaufen. Aus Deutschland trafen Experten des Technischen Hilfswerks (THW) in Kathmandu ein. Sie suchen nach geeigneten Standorten für zwei Wasseraufbereitungsanlagen, die rund 30.000 Menschen mit Trinkwasser versorgen können.
Die Ankunft weiterer Einsatzkräfte aus Deutschland wird für Dienstag erwartet. Nach Angaben des Bündnisses "Aktion Deutschland hilft", eines Zusammenschlusses zahlreicher Hilfsorganisationen sind mehrere Experten sowie Hilfsgüter auf dem Weg in das Katatrophengebiet.
Frank Marx vom Erkundungsteam der Malteser teilte der Deutschen Welle nach seiner Ankunft in Kathmandu mit: "Insgesamt ist die Versorgungslage der Bevölkerung schlecht, es fehlt an Strom, Grundnahrungsmitteln und Wasser. Aufgrund des Regens werden dringend Zelte und Notunterkünfte benötigt. Außerdem sind Medikamente und Verbandsstoffe knapp." Die Bundesregierung stellte bislang 2,5 Millionen Euro als Soforthilfe zur Verfügung.
Insgesamt 14 EU-Länder wollen Hilfsteams und Ausrüstung in das Katastrophengebiet entsenden. Dem UN-Kinderhilfswerk UNICEF zufolge sind fast eine Million Kinder auf Hilfe angewiesen. Die Gefahr von Epidemien sei sehr hoch. Die Kinderrechtsorganisation "Save the Children" teilte mit, besonders junge Mütter, Neugeborene und Kinder benötigten dringend Unterstützung.
wl/kle (dpa, afp, rtr)