Exportiert wird immer (aber viel weniger)
28. April 2020Die Corona-Krise hält die Welt in Atem und dazu passt, dass das Ifo-Institut zum Wochenauftakt eine Umfrage mit neuen Minus-Rekorden veröffentlichte. Die Stimmung unter den deutschen Exporteuren befindet sich nach Angaben der Münchner Konjunkturforscher "im freien Fall". In zahlreichen Branchen seien die Erwartungen auf neue Tiefstwerte gesunken, hatte Ifo-Chef Clemens Fuest erklärt.
Waren die vom Ifo-Institut ermittelten Exporterwartungen der deutschen Industrie schon im Vormonat März mit minus 19 Punkten extrem schlecht, stürzten sie im April auf minus 50 Punkte ab, der niedrigste jemals gemessene Wert. Auch das Ausmaß des Rückgangs sei "ohne Beispiel", unterstrich Fuest.
Schlimmer als Lehman-Pleite und Eurokrise
Wie dramatisch schlecht die Stimmungslage ist, zeigt der Vergleich zu den Jahren der Weltfinanzkrise 2008/2009: Damals waren die Exporterwartungen nie weiter als auf rund 35 Punkte ins Minus gerutscht.
Die deutschen Exporteure haben schon 2019 unter den Folgen der von US-Präsident Donald Trump losgetretenen Handelskonflikte gelitten. Seit Mitte des vergangenen Jahres rangierten die vom Ifo-Institut ermittelten Exporterwartungen der 2300 regelmäßig befragten Unternehmen fast durchweg im negativen Bereich - und die deutsche Industrie befand sich im Rückwärtsgang. Nur weil die Deutschen weiter viel konsumierten und es auf deutschen Baustellen weiter boomte, rutschte die deutsche Wirtschaft insgesamt nicht in die Rezession.
Schlüsselmärkte, Schlüsselbranchen
Unter den fünf wichtigsten Empfängerländern für deutsche Waren und Dienstleistungen sind mit China, den USA, Frankreich und Italien gleich vier Handelspartner, die besonders stark von der Corona-Krise betroffen sind. Durch Lockdown und Ausgangssperren, sowie das Herunterfahren von Handel und Industrie kam die Nachfrage nach deutschen Waren dort stellenweise zum Erliegen.
Besonders betroffen sind den Zahlen des Ifo-Instituts zufolge deutsche Schlüsselbranchen wie Fahrzeugbau, Maschinenbau und Elektrotechnik.
Nachdem der Rückgang der Exporterwartungen in der chemischen Industrie im Vormonat vergleichsweise moderat ausgefallen war, gingen nun auch diese Unternehmen von deutlichen Umsatzrückgängen beim Auslandsgeschäft aus. Einziger Lichtblick im April war die Pharmabranche, die ein stabiles Exportgeschäft erwartet.
Trotzdem sind die Umfragen zu den Exporterwartungen immer nur Wasserstandsmeldungen, die stark von Sorgen, aber auch von Hoffnungen geprägt sind. Als sich zum Jahresende abzeichnete, dass es nicht zu einem ungeregelten Brexit kommen würde, waren die Ifo-Exporterwartungen gegen den Trend im Dezember ins Plus gedreht.
Auch sind die Länder sehr unterschiedlich von der Pandemie betroffen. Italien hat im Kampf gegen das Virus den Großteil seiner Industrie in den Tiefschlaf versetzt und ist so als Handelspartner weitgehend ausgefallen. Dagegen ist China schon seit Wochen dabei, seine Wirtschaft wieder hochzufahren. Anfang April wurde aus Shanghai gemeldet, dass die Containerabfertigung im Hafen dort fast schon wieder im Normalbetrieb läuft.
Aktuelle Zahlen? Fehlanzeige!
Am 21. April ließ die Bundesregierung durchblicken, wie stark der Einbruch der Exporte wegen der Corona-Pandemie sein wird. Dabei stützten sich Wirtschafts- und Finanzministerium auf Daten der deutschen Zollämter, die aktuelle Zahlen zur Warenausfuhr in der zweiten Aprilwoche über Straßen, Schienen- und Häfen nach Berlin gemeldet hatten.
Die Zolldaten "deuten auf fortgesetzt schwache Exporttätigkeit hin", folgerten die Ministerien in einem Papier, aus dem die Nachrichtenagentur Reuters zitierte. Demnach sei etwa der Seeverkehr im Vergleich zum Durchschnitt von Mitte Januar bis Ende Februar um 48Prozent eingebrochen, der Eisenbahnverkehr sogar um 67 Prozent. Auch die Warenausfuhren im Straßen- und Luftverkehr hätten in der zweiten Aprilwoche drastisch abgenommen.
"Die schwachen Zolldaten passen ins allgemeine Bild- auch wenn sie durch die Osterferien zusätzlich nach untengedrückt wurden", kommentierte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer die Zahlen. "Demnach ist der deutsche Export im April weiter eingebrochen, nachdem er schon im März empfindlich gesunken war."
Volkswirte wie Krämer blicken dabei auch auf den Stromverbrauch. Die Rechnung ist einfach: Geht der Stromverbrauch industrieller Großkunden stark zurück, heißt das, dass die Industrie weniger verbraucht, weil sie viel weniger produziert.
Exportiert wird immer
Trotzdem: Auch historisch schlechte Exporterwartungen und -zahlen bedeuten noch lange nicht, dass überhaupt keine deutschen Waren mehr exportiert werden, unterstreicht auch André Schwartz vom Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA).
"Natürlich erwarten wir einen Rückgang auf breiter Front bei den deutschen Exporten", so Schwartz zur DW. "Das ändert aber nichts daran, dass Deutschland nach wie vor Investitionsgüter wie Maschinen, hochwertige Gebrauchsgüter wie Automobile und Produkte der chemischen Industrie ins Ausland exportiert."
Die Frage, ob sich Kunden im Ausland weiter für den Kauf eine Autos "made in Germany" entscheiden, hänge natürlich vom Konsumklima im jeweiligen Land ab und wie stark die Menschen beruflich und finanziell unter den Folgen der Corona-Krise zu leiden haben, erklärt Schwarz. Und natürlich sei noch unklar, ob Unternehmen im Ausland den Kauf von Maschinen für ihre Produktion verschieben werden. Doch irgendwann müsste man im verarbeitenden Gewerbe einfach in neue Maschinen und andere Ausrüstungen investieren, so Schwarz.
Daten von Industrieverbänden, der deutschen Zollverwaltung, den Ausfuhrhäfen, des Güterverkehrs auf Straße und Schiene - all das fließt in den Zahlen zum deutschen Außenhandel zusammen. Normalerweise dauert es mehrere Wochen, bis verlässliche Zahlen über die deutschen Exporte veröffentlicht werden. Der nächste Termin ist in der ersten Maiwoche. Dann dürfte sich in den Zahlen auch der Produktionsstopp in der deutschen Automobilindustrie niederschlagen.