König der Filesharer
23. Dezember 2015Angefangen hat alles in Kiel. Hier erlebte Kim - damals war sein Nachname noch Schmitz - eine harte Kindheit, wie er in seiner Biografie berichtet. "Mein Vater ist Alkoholiker und er hat mich und meine Mutter manchmal krankenhausreif geschlagen", wird Dotcom in dem Buch zitiert. Als er sechs Jahre alt ist, zieht er mit seiner finnischen Mutter aus. Kim besucht die Hauptschule, interessiert sich aber vor allem für Computer.
Mit Hacker-Erfolgen wird er in der Szene bekannt. Der Jungunternehmer gründet verschiedene Computerfirmen und hinterlässt - wie es in den Zeiten der "New Economy" häufiger passiert - einige unglückliche Investoren. Wegen seiner Geschäfte gerät er ins Visier deutscher Ermittler. Er sei fertig mit Deutschland, sagt er damals.
Neustart in Asien-Pazifik
Nach Zwischenstationen in Bangkok und Hongkong gründet der Ex-Hacker, der sich mittlerweile offiziell in Kim Dotcom umbenannt hat, 2010 die Online-Plattform Megaupload. Bei ihr können Dateien im Netz abgelegt und über Links abgerufen werden. Nach Angaben von US-Ermittlern landen dort reihenweise illegale Kopien von Filmen - vor allem aus US-Produktion.
Über Megaupload werden, so die Vorwürfe der US-Ankläger, diese illegalen Kopien von Filmen und Musik massenhaft verbreitet. In der Anklageschrift sind Auszüge aus E-Mails enthalten, die belegen sollen, dass Dotcom und andere Megaupload-Manager von den Copyright-Verletzungen gewusst und die Nutzer sogar dazu animiert hätten.
Megaupload verdient Geld mit Werbung, aber auch mit Gebühren für schnellere Datenübertragung. Nach den Berechnungen der US-Ermittler verdient Dotcom allein im Jahr 2010 rund 48 Millionen Dollar mit seinem Filesharing-Projekt. Er weist die Vorwürfe zurück - er habe nur eine Plattform betrieben und keine Kontrolle darüber gehabt, was Nutzer speicherten.
Nachdem die Behörden im Januar 2012 sein riesiges Anwesen in Coatesville nordwestlich von Auckland auf Antrag der US-Justiz durchsuchen, wird sein Besitz beschlagnahmt. Die Ermittler werfen Dotcom massive Urheberrechtsverletzungen bei Megaupload vor. Die Website wird vom Netz genommen.
Nach nur einem Monat in Haft kommt Dotcom im Februar 2012 gegen Kaution frei. Nachdem das Oberste Gericht Neuseelands im Juni 2012 die Razzia auf Dotcoms Anwesen für rechtswidrig erklärt, werden kurz darauf Gerichtsdokumente bekannt, die belegen, dass Dotcom vor seiner Festnahme Ziel einer illegalen Abhöraktion des neuseeländischen Geheimdienstes GCSB war. Für den nach den Gesetzen des Landes illegalen Einsatz gegen einen Ausländer mit unbefristeter Aufenthaltsgenehmigung entschuldigt sich Premierminister John Key öffentlich bei Dotcom.
Aus seinem im Januar 2013 gestarteten neuen Projekt, dem Speicherdienst Mega, ist Dotcom mittlerweile wieder ausgestiegen. Auch eine von ihm gegründete Internet-Partei bereitet dem exzentrischen Internet-Unternehmer wohl kaum Freude: Die Partei, die sich nach seinen Worten für Freiheit und Privatsphäre im Netz einsetzen sollte, scheitert bei den Wahlen im September 2014 grandios.
Mittlerweile ist der 41-jährige Dotcom mit seinen fünf Kindern aus seinem riesigen Anwesen auf eine Jacht gezogen, die er sein "Piratenschiff" nennt. Von hier twittert er regelmäßig Fotos von sich und seiner Familie.
Jahrelanges juristisches Tauziehen
Nachdem am 23. Dezember ein neuseeländisches Gericht entschieden hat, dass Dotcom an die USA ausgeliefert werden kann, könnte es eng werden für den skandalumwitterten Ex-Hacker. Einer seiner ehemaligen engsten Mitarbeiter bei Megaupload, der Este Andrus Nomm, soll sich seit Monaten in den USA aufhalten. Nach Angaben von Dotcoms US-Anwalt Ira Rothken könnte Nomm einen Deal mit dem FBI vereinbart haben, nach der Zusicherung von Straffreiheit gegen seinen ehemaligen Chef und andere führenden Megaupload-Mitarbeiter vor einem US-Gericht auszusagen.
Das neuseeländische Gericht hatte jetzt allerdings nicht darüber zu urteilen, ob Dotcom und seine mitangeklagten früheren Megaupload-Kollegen schuldig sind oder nicht. Es ging lediglich darum zu klären, ob die Anschuldigungen der US-Strafverfolger stichhaltig genug für eine Auslieferung sind. Nach der Formulierung des Richters Dawson seien die Anschuldigungen "per se nicht belanglos" - deshalb sollten die Urheberrechtsbesitzer die Gelegenheit erhalten, vor Gericht gehört zu werden.
Dotcoms Anwälte haben angekündigt in Berufung zu gehen. Ob Dotcom ausgeliefert wird, muss am Ende Neuseelands Justizministerin Amy Adams entscheiden. Sie sagte, sie wolle zunächst Dotcoms Anfechtung abwarten. Beobachter rechen damit, dass sich das Tauziehen um Dotcoms Auslieferung noch mehrere Jahre hinziehen könnte.
tko/hb (afp, dpa, rtr)