Aján: "Anschuldigungen sind Fake News"
19. April 2020Die Trumpsche Art ist nun endgültig im Sport angekommen. "Viele der Anschuldigungen sind Fake News", sagt Tamás Aján, der vor wenigen Tagen als Präsident des Internationalen Gewichtheberverbandes IWF zurückgetreten ist, in einem Telefon-Interview mit der DW. Es geht um schwerwiegende Vorwürfe - Sportbetrug, Korruption, Manipulation und Vetternwirtschaft, verschwundene Millionen und Dopinggeständnisse, sogar um das Dopen von Kindern. Das alles berichtet die ARD in der Dokumentation "Geheimsache Doping - der Herr der Heber", ausgestrahlt Anfang Januar dieses Jahres.
Dass er durch die Recherchen des ARD-Teams gezwungen war, nach 20 Jahren sein Amt niederzulegen, bestreitet Aján. Seine Entscheidung sei allein durch die Verschiebung der Olympischen Spiele in Tokio ausgelöst worden. "Ich dachte, ich will nicht noch ein Jahr länger arbeiten. Ich habe die Tür geöffnet, um der jungen Generation die Möglichkeit zu geben, den Gewichtheberverband zu übernehmen, und das war der Grund, warum ich zurückgetreten bin", so der 81-Jährige.
Ein Mann für bestimmte Ermittlungen: Richard McLaren
Dass er tatsächlich freiwillig gegangen ist, darf bezweifelt werden. Spätestens seit seiner vorläufigen Suspendierung Ende Januar soll es laut Recherchen der ARD-Doping-Redaktion einen Machtkampf zwischen Interimspräsidentin Ursula Papandrea und Aján gegeben haben. Die ehemalige Gewichtheberin aus den USA wirft demnach Aján vor, sie Anfang März massiv bedroht zu haben. Zudem habe er unerlaubt die Amtsgeschäfte weitergeführt. Für eine Stellungnahme war Papandrea nicht zu erreichen.
Der Mann, der die ganzen Vorgänge innerhalb des IWF nun aufklären soll, ist Richard McLaren. Laut Aján zahlt der Verband dem kanadischen Rechtsprofessor und seiner Ermittler-Kommission eine Million Euro - einen Abschlussbericht wird McLaren voraussichtlich Mitte Juni vorlegen. Angeblich soll es bereits nächste Woche einen Vorbericht geben. McLaren ist Spezialist: Er verfasste bereits den Bericht über systematisches Doping in Russland.
Aján: Kein Präsident mehr, dafür Botschafter
Im DW-Interview bestätigt Aján, dass das IWF-Exekutivkomitee ihn als künftigen Botschafter des Gewichthebens akzeptiert habe. Dass Aján trotz der schwerwiegenden Vorwürfe nun als Repräsentant seines Sports fungieren soll, ist problematisch. Schließlich ist er seit fünf Jahrzehnten - seit 1970 IWF-Vizepräsident, dann dessen Generalsekretär, dann sein Präsident - in entscheidenden Funktionen des Verbandes tätig. Und damit ist er auch verantwortlich dafür, dass aufgrund zahlloser Dopingfälle in den vergangenen Jahren in den Medien über das Olympia-Aus einer der ältesten olympischen Sportarten spekuliert wurde - und dies durch die neuerlichen Anschuldigungen gegen Aján aktuell wieder debattiert wird.
Aján selbst ist sich keiner Schuld bewusst. "Alle wichtigen Entscheidungen sind mit dem Exekutivrat getroffen worden", so Aján. Deshalb sei er auch nicht, wie in der ARD-Dokumentation behauptet werde, als Schuldiger auszumachen. Zwar gibt er zu, dass Doping ein großes Problem in seiner Sportart sei, tut dies jedoch als regionale Angelegenheit ab: "Leider wurde in einer bestimmten Region der Welt der Einsatz von Doping in der Vorbereitungszeit beim Gewichtheben absolut akzeptiert." In der ARD-Dokumentation wurde Aserbaidschan als Schauplatz des Dopings erwähnt. Aján wollte dies jedoch nicht näher kommentieren.
Enge Verbindung zum IOC
"Die drei letzten Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) - darunter Herr Samaranch oder Herr Jacques Rogge oder auch Herr Thomas Bach - haben mehrmals betont, dass in der Sportart Gewichtheben eines der besten Dopingkontrollprogramme erarbeitet wurde", sagte Aján weiter. Doch auch diese Aussagen dürften mit Vorsicht zu genießen sein. Denn zwischen 2000 und 2010 war Aján ebenfalls Mitglied des IOC. Inzwischen endete seine Mitgliedschaft aus Altersgründen, Ehrenmitglied des IOC ist er allerdings immer noch.*
Das Interview führte Arpard Szoczi.
*Richtigstellung seitens der Redaktion: Anfang März 2020 erklärte Tamás Aján seinen Rücktritt als IOC-Ehrenmitglied.