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Sicheres Netz - aber wie?

Silke Wünsch4. November 2013

Seit dem Beginn der NSA-Affäre sind Deutschlands Politiker in Sachen Internet sensibler geworden. Jetzt soll ein neues Gesetz her, das das Internet sicherer vor Spionageangriffen aus dem Ausland machen soll.

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Symbolbild Firewall. Foto: Fotolia
Bild: Alexandr Mitiuc - Fotolia.com

Während Deutschland mit den USA über das sogenannte "No Spy-Abkommen" verhandelt, will Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich Nägel mit Köpfen machen. Deutsche Internetanbieter sollen den Datenverkehr in Zukunft nur noch über deutsche bzw. europäische Netze leiten. Damit soll es US-Geheimdiensten schwerer gemacht werden, Internetnutzer in Deutschland auszuspähen. Schon am Mittwoch (06.11.2013) soll der Vorschlag in die Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD mit aufgenommen werden.

Gefahr der zunehmenden Überwachung

Der Bundesvorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Frank Bsirske, Foto: Sebastian Willnow/dapd
Frank Bsirske fürchtet eine schärfere Internetüberwachung in DeutschlandBild: dapd

Details zur technischen Umsetzung des Vorhabens sind nicht bekannt. Entsprechend vorsichtig sind auch die Äußerungen der deutschen IT-Experten, die nicht öffentlich im Nebel stochern wollen. Das Thema sei vielen zu "heiß", sagte ein Branchen-Insider gegenüber der DW.

Eines scheint aber bereits klar zu sein: Ein solches eingeschränktes Netz würde zwar Spähangriffe von US-Geheimdiensten erschweren, gleichzeitig könnte es aber den deutschen Geheimdiensten sowie der Polizei Tür und Tor öffnen, um Bürger auszuspähen, zum Beispiel durch das Anzapfen wichtiger inländischer Datenknoten wie dem DE-CIX in Frankfurt.

Und genau das ruft Kritiker auf den Plan: Der Chef der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di, Frank Bsirske, meinte gegenüber dem Online-Magazin "Heise", eine Überwachung des fließenden Datenverkehrs gefährde die Meinungs-, Presse- und Koalitionsfreiheit und so die Demokratie als Ganzes.

Auch der Datenschutzbeauftragte der Bundesregierung, Peter Schaar, kritisierte den Vorstoß im Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Er zeigte sich vom Innenminister "arg enttäuscht" und stellte fest, dass Deutschland bereits einen großen Schritt in Richtung Überwachungsstaat gegangen sei.

Die netzpolitische Expertin der CSU, Dorothee Bär, versuchte derweil per Twitter, die aufgeregte Netzgemeinde zu beschwichtigen: "Laßt uns nicht über ungelegte Eier bzw. nicht/oder nie freigegebene Papiere gackern. Das kommt so nicht." Skeptiker dürfte das wohl kaum beruhigen.

Internet ist nicht an Grenzen gebunden

Technisch wird es nicht leicht sein, ein Internet zu schaffen, das in nationalen Grenzen verläuft. Denn das WWW ist so strukturiert, dass der komplette Datenverkehr dezentral läuft – das heißt: über viele Server und Knotenpunkte, die auf der ganzen Welt verteilt sind. So kann selbst eine E-Mail, die von Köln nach Köln geschickt wird, in Bruchteilen von Sekunden um die ganze Welt gehen.

Um E-Mails vor der Ausspähung durch ausländische Geheimdienste zu schützen, gibt es bereits Initiativen: Einige Internetprovider in Deutschland, wie die Telekom, GMX und Web.de bieten den Nutzern mit der Kampagne "E-Mail made in Germany" einen sicheren E-Mailverkehr an. Das heißt: die Mails gehen nur noch über deutsche Server und nehmen nicht den Umweg über etwa britische Knotenpunkte, wo sie von etwaigen Spitzeln abgegriffen werden könnten. Mitspielen können da allerdings nur Provider mit Rechenzentren in Deutschland. Nutzer von Diensten wie Googlemail oder Yahoomail sind da außen vor. Und die gibt es schließlich auch in Deutschland.

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) Foto: Bernd Riegert, DW
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) möchte die IT-Gesetzte in die Koalitionsverhandlungen bringenBild: DW/B. Riegert

Ausländische Webportale schwerer zu erreichen?

So wirkt auch die Idee eines innereuropäischen Netzes (nationales bzw. europäisches Routing) zum Schutz gegen Spähangriffe aus dem Ausland wenig durchdacht. Immerhin nutzen sehr viele Menschen die Internetangebote US-amerikanischer Portale.

Viele Twitteruser reagieren auf den Vorstoß erwartungsgemäß mit Staunen und der üblichen Häme. So möchte User Electroheinz wissen, wie Friedrich "eine DEUTSCHE Leitung zu Google legen will". Diese Frage ist gar nicht so abwegig: denn sollte es tatsächlich zu einem innerdeutschen oder -europäischen Netz kommen, werden Suchanfragen bei einer US-amerikanischen Suchmaschine wie Google nicht mehr so selbstverständlich sein wie jetzt, da man deren Server nicht mehr erreicht. Es sei denn, Google würde Server zur Verfügung stellen, die nur an den europäischen Datenverkehr gebunden sind. Das wäre laut Experten technisch zwar machbar, aber mit immensem Aufwand und mit ebenso hohen Kosten verbunden.

Google data center in Hamina, Finland. (AP Photo/Google)
Das Google-Datenzentrum in Finnland - hier findet nur ein Bruchteil des weltweiten Google-Datenverkehrs stattBild: picture-alliance/AP/Google

Gleiches würde dann auch für weltweite soziale Netzwerke wie Facebook gelten, für Fotoplattformen wir Flickr, für Musikdownloads bei iTunes, Recherche bei Wikipedia und bei vielen weiteren internationalen Webservices, deren Nutzung für uns heute selbstverständlich geworden ist.

Noch nicht genug Wissen über die Spähprogramme

Über allem steht die Frage, ob das nationale Routing tatsächlich gegen Spionage von außen helfen kann. Experten geben zu bedenken, dass man noch nicht genau dahinter gekommen sei, wie die Spionage-Programme PRISM und TEMPORA wirklich funktionierten. Wenn, wie bisher vermutet wird, tatsächlich irgendwo im Atlantik Seekabel angezapft worden sind, um Daten abzugreifen, kann nationales Routing durchaus helfen - schließlich würde der inländische Datenverkehr gar nicht mehr durch diese Kabel geleitet. Sollten die Geheimdienste die Daten allerdings schon irgendwo innerhalb von Deutschland abgreifen, dann würde das nationale Routing nicht viel Sinn machen.