Europäische Rechtsfront
20. Januar 2017Frauke Petry ist auf ihren Ruf bedacht. Sie will nicht als rechtsextrem wahrgenommen werden. Ihre Partei, die Alternative für Deutschland (AfD), soll auch nicht in diese Ecke geraten. Den thüringischen AfD-Chef Björn Höcke mit seiner umstrittenen Rede über eine angeblich falsche deutsche Geschichtsauslegung hat sie als "Belastung für die Partei" bezeichnet. Petrys Bedenken haben sie auch lange davon abgehalten, Kontakt zu Marine Le Pen vom französischen Front National aufzunehmen. Denn der FN gilt als mindestens eine Nummer radikaler als die AfD.
Erfolg hat der Front National trotzdem - oder gerade deswegen. Bei der jüngsten Europawahl wurde er stärkste Partei in Frankreich, Marine Le Pen wird auch zugetraut, in die Stichwahl für die Präsidentschaft im April und Mai zu kommen. Und in der Grundrichtung liegen beide Parteien nicht allzu weit voneinander entfernt: Sie sind gegen Einwanderung und sehen den Islam sehr kritisch, sie lehnen die Europäische Union jedenfalls in der jetzigen Form und auch den Euro ab, und sie wollen die Nation stärken. Dasselbe gilt auch für den Niederländer Geert Wilders von der Partei für die Freiheit.
Meuthen: "Mit der AfD hat das nichts zu tun"
Im vergangenen Sommer hatte sich Frauke Petry noch heimlich mit Marine Le Pen getroffen. Jetzt sucht sie den öffentlichen Auftritt mit Le Pen, Wilders und Matteo Salvini von der italienischen Lega Nord. Trotzdem ist die AfD nicht Gastgeber des Parteientreffens. Eingefädelt hat es Petrys frisch angetrauter Ehemann, der nordrhein-westfälische AfD-Vorsitzende Marcus Pretzell. Er sitzt für die AfD im Europaparlament und hat sich dort als einzelner Abgeordneter der Fraktion der Nationen und der Freiheit, ENF, angeschlossen - deren dominierende Kraft ist der Front National. Pretzells einzige Parteikollegin in Straßburg, Beatrix von Storch, ist dagegen in der Fraktion Europa der Freiheit und der direkten Demokratie, wo die britische Unabhängigkeitspartei und die italienische Fünf-Sterne-Bewegung den Ton angeben.
Es gibt Leute in der AfD, die Petrys Auftritt in Koblenz falsch finden. "Das ist eine reine ENF-Sache, mit der die AfD nichts zu tun hat", meint pikanterweise Jörg Meuthen, der zusammen mit Petry das Führungsduo der Partei bildet. Auch der Berliner AfD-Fraktionsvorsitzende Georg Pazderski meint, die AfD solle sich vom Front National distanzieren. Dessen Wirtschaftspolitik ist ihm zu "sozialistisch". Tatsächlich setzt der FN viel mehr auf Abschottung gegen die Globalisierung als die eher wirtschaftsliberale AfD.
Die Nationalisten geben sich international
Von Unterschieden wollen die in Koblenz versammelten Rechten jedenfalls nichts wissen. "In Koblenz versammeln sich die Spitzenpolitiker des neuen Europa. Sie stehen kurz davor, in ihren Ländern Regierungsverantwortung zu übernehmen", steht, etwas verfrüht, in der Einladung. Im März wird das niederländische Parlament, im April und Mai der französische Präsident und im September der deutsche Bundestag neu gewählt.
In allen drei Fällen werden den Rechten zwar gute Ergebnisse, aber eben keine Regierungsverantwortung vorhergesagt. Emmanuelle Reungoat von der Universität Montpellier glaubt, Le Pen, Wilders und Petry gehe es vor allem darum, "von der Beliebtheit zu profitieren, die jeder von ihnen" hat. Und Claire Demesmay von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik fügt hinzu: "Für diese Parteien ist es ganz wichtig zu zeigen, dass sie internationale Partner haben."
Es ist klar, dass das Treffen nicht überall auf Begeisterung stößt. Die Stadt Koblenz fürchtet um ihr Ansehen. SPD-Oberbürgermeister Joachim Hofmann-Göttig hat gesagt: "Die Rechtspopulisten sind uns in Koblenz herzlich unwillkommen." Doch rechtlich konnte er nicht verhindern, dass die Rechtspopulisten die Rhein-Mosel-Halle bekamen. "Hätten wir das nicht gemacht, hätten sie sich eingeklagt", so der Bürgermeister.
Befriedigt wird er aber darüber sein, dass sich ein breites Gegenbündnis mit dem Motto "Koblenz bleibt bunt" gebildet hat und am Samstag demonstrieren will. SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel will mitmarschieren, Vertreter der Grünen und Linken und sogar der sozialdemokratische luxemburgische Außenminister Jean Asselborn. "Wir dürfen das Schicksal dieses Kontinents nicht den Nationalisten überlassen", sagte Asselborn der Deutschen Presse-Agentur.
Umstritten ist aber nicht nur das Treffen der Rechtspopulisten an sich, sondern auch ihr Umgang mit den Medien. Denn wegen angeblich einseitiger Berichterstattung hat Pretzell vielen Pressevertretern die Akkreditierung verweigert. Dazu gehören auch viele öffentlich-rechtlichen Medien. Sie alle wollen aktuell berichten - auch die Deutsche Welle.