Europaweite Demos gegen neues Urheberrecht
23. März 2019Lautstark forderten Menschen in etlichen europäischen Städten die Streichung von Artikel 13. Demnach sollen Plattformen wie YouTube künftig stärker in die Pflicht genommen werden: Sie sollen bereits beim Hochladen überprüfen, ob Inhalte urheberrechtlich geschütztes Material enthalten. Kritiker befürchten, dass dies nur über automatisierte Filter möglich ist, was einer Zensur gleichen könnte.
Protest in acht europäischen Ländern
In Österreich, Polen, Tschechien, den Niederlanden, Zypern, Finnland, Portugal und Deutschland gingen Tausende Menschen auf die Straße. In Deutschland fanden unter dem Motto "Save the Internet" (Schützt das Internet) Demonstrationen in mehr als 40 Städten statt. In Berlin waren laut Polizei rund 2000 Menschen angemeldet, ein Vertreter des Bündnisses "Save the Internet", das den Protest mitorganisiert, rechnete mit bis zu 6000 Teilnehmern.
Zum Auftakt versammelten sie sich auf dem Potsdamer Platz im Stadtzentrum. Der Protestzug soll am Nachmittag an der deutschen Wikipedia-Zentrale vorbei zum Brandenburger Tor führen. Auch in anderen Großstädten wie Köln, Hamburg, München oder Dresden kam es zu Protestaktionen.
"Bundeskanzlerin hat Druck gemacht"
Unterstützung bekamen die Demonstranten von SPD, Grünen, Linken und FDP. Die SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Katarina Barley, rief die Union aus CDU und CSU bei einem Parteikonvent in Berlin dazu auf, die Regelung im Europaparlament zu verhindern: "Wir halten Uploadfilter für den falschen Weg."
Deutschland hatte der Reform auf europäischer Ebene mit Einverständnis von Justizministerin Barley zugestimmt. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sagte zuletzt: "Frau Barley hat ihre Position immer deutlich gemacht, aber natürlich ist klar, dass man in einer Kabinettsdisziplin ist, dass auch die Bundeskanzlerin Druck gemacht hat, dass Artikel 13 kommt."
Die Grünen fordern neue Verhandlungen. Urheber müssten an der Wertschöpfung ihrer Werke in der digitalen Welt angemessen beteiligt werden, aber dabei dürften keine Hürden für freien Meinungsaustausch und Informationsfluss entstehen, sagte Fraktionschef Anton Hofreiter der Deutschen Presse-Agentur. "So lange diese Ziele nicht miteinander vereinbart werden, ist diese Richtlinie ein echter Rückschritt und sollte abgelehnt und zur Not neu verhandelt werden."
Der FDP-Politiker Jimmy Schulz warnte: "Uploadfilter wären der Grundstein für eine europaweite Zensurinfrastruktur und würden die Meinungsfreiheit einschränken." Linken-Chef Bernd Riexinger twitterte: "Die geplanten Uploadfilter nützen nur den Großkonzernen. Ohne massiven Druck vieler Menschen wird diese Bundesregierung an ihrer Zustimmung gar nichts ändern."
Forderung nach fairer Beteiligung
Am Dienstag soll das Europaparlament über die Copyright-Reform abstimmen. Sie soll das veraltete Urheberrecht in der EU an das Internet-Zeitalter anpassen. Unterhändler des EU-Parlaments und der EU-Staaten hatten sich Mitte Februar auf einen Kompromiss verständigt. Er sieht unter anderem ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage sowie in Artikel 13 - der in der aktuellen Version des Gesetzestextes nun der Artikel 17 ist - deutlich mehr Pflichten zum Urheberrechtsschutz für Plattformen wie YouTube vor.
Kritiker fürchten, dass Plattformen wie YouTube den Vorgaben nur nachkommen können, wenn sie Uploadfilter einsetzen, mit denen sie beim Hochladen prüfen können, ob Bilder, Videos oder Musik urheberrechtlich geschützt sind. Dies führe zu Zensur, weil die Filter auch legale Inhalte wie Zitate, Parodien oder Satire blockieren könnten.
Rund 260 Verlage, Zeitungen, Nachrichtenagenturen, Rundfunk-Anbieter, Produktionsfirmen und Medienschaffende hatten dagegen zur Unterstützung der Reform des Urheberrechts aufgerufen. Sie forderten "eine faire Beteiligung am Geschäft mit den Inhalten, um damit ein reichhaltiges und vielfältiges Internet zu sichern, in dem Information und Kultur ihren festen Platz haben."
"Dem einzelnen wird nichts genommen"
EU-Kommissionsvize Frans Timmermans verteidigte das Vorhaben. Es sei nicht gerecht, wenn nur Konzerne wie etwa Google mit geistigem Eigentum Gewinne machten, sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. "Daher versuchen wir, das über europäische Gesetzgebung zu regeln. Wir müssen Künstlerinnen und Künstler schützen."
Der Europapolitiker Axel Voss (CDU) sagte der "Rheinischen Post": "Wir wollen mit der EU-Urheberrechtsnovelle nichts anderes erreichen, als die Urheberrechte auch auf Internet-Plattformen besser zu schützen und durchzusetzen." Sie sollten haftbar sein. Wie die Unternehmen die Vorgabe technisch umsetzten, sei letztlich ihre Aufgabe. "Hier geht es um knallharte wirtschaftliche Interessen der großen Plattformen, die dem einzelnen Bürger vermitteln, die Freiheit des Internets sei in Gefahr. Das stimmt jedoch nicht. Dem einzelnen wird nichts genommen." Voss hatte den vorliegenden Reform-Kompromiss für das Parlament federführend mit den EU-Staaten ausgehandelt.
pgr/kle (dpa, afp)