Europarat: Angriffe auf viele Journalisten
20. April 2017Verleumdung und Einschüchterung, Gewalt und Zensurversuche, Verfolgung und juristischer Druck: Eine Vielzahl von Journalisten in Europa hat schon Bekanntschaft mit solchen Methoden gemacht, sie in ihrer Arbeit zu behindern. Was sie in den letzten drei Jahren so alles erlebten, hat der Europarat in einer Untersuchung zusammengetragen. Für seine Studie "Journalisten unter Druck: Unerwünschte Einmischung, Angst und Selbstzensur in Europa" wurden 940 Journalisten in den 47 Mitgliedstaaten des Europarats sowie Weißrussland befragt. Für die nicht repräsentative Umfrage wurden sie per Fragebogen um Auskunft gebeten. Die Mehrheit gehört fünf großen Journalistenvereinigungen an.
Besonders häufig gaben die Befragten an, dass sie zur Zielscheibe psychischer Gewalt wurden. 69 Prozent der Journalisten berichteten von psychischer Gewalt, Verleumdung und Demütigung. 53 Prozent erfuhren Online-Belästigungen, 35 Prozent Einschüchterungen durch die Polizei. Unter sexuellen Belästigungen litten 13 Prozent der Befragten. Insgesamt 23 Prozent der Journalisten erlebten Festnahmen, Ermittlungsverfahren oder -androhungen und Strafverfahren.
Vor gezielter Überwachung fühlten sich der Umfrage zufolge drei Viertel der Befragten nicht geschützt. Die größte Gruppe unter den befragten Medienvertretern, die sich einer gezielten Beobachtung ausgesetzt sahen, war dem Bericht zufolge türkischer Herkunft (fast 87 Prozent). Am häufigsten stützten sich die Behörden bei der Verfolgung von Journalisten auf Gesetze gegen Rufschädigung. In der Türkei wurden besonders häufig Anti-Terrorgesetze, Sicherheitsgesetze und Gesetze zum Staatsschutz herangezogen.
Folgen für die Gesundheit
Nach Angaben der Befragten hatten der Druck, die Drohungen und Verfolgungen in vielen Fällen auch gesundheitliche Folgen für die Betroffenen: von Stress bis hin zu Depressionen und Verfolgungswahn.
Fast ein Drittel der Medienvertreter gab zudem an, sich selbst zu zensieren, von der Arbeit an bestimmten Themen ganz abzusehen oder bestimmte Informationen nicht zu nutzen. Umgekehrt erklärten 36 Prozent, dass sie sich unter Druck erst recht keine Beschränkungen auferlegten und ihre Informationen dann gerade veröffentlichten.
Der Bericht des Europarats spricht angesichts der Einschüchterungen, Bedrohungen und Gewalt gegen Journalisten und der häufig registrierten Straffreiheit der Täter von einer der "bedeutendsten Herausforderungen" für die Pressefreiheit in der Gegenwart.
kle/sti (afp, kna)