EuGH verwirft Zwangsruhestand für Polens Richter
19. Oktober 2018Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat den sofortigen Stopp der Zwangspensionierungen von Richtern an Polens Oberstem Gericht angeordnet. Die rechtsnationale Regierung in Warschau müsse die Senkung des Ruhestandsalters für die Richter bis zum Erlass eines Urteils aussetzen, teilte der EuGH in Luxemburg in einer einstweiligen Anordnung mit. Die EU-Kommission hatte gegen das im Juli in Kraft getretene Gesetz zur Senkung des Ruhestandsalters von 70 auf 65 Jahre geklagt.
Ernennung von Nachfolgern verboten
Die Anordnung gelte auch rückwirkend für die bereits pensionierten Richter, teilte der EuGH weiter mit. Die Regierung in Warschau müsse nun dafür sorgen, dass die betroffenen Richter ihre Aufgaben wieder wie vor dem umstrittenen Gesetz ausüben könnten. Überdies dürfe die Regierung zunächst keine neuen Juristen als Nachfolger für die zwangspensionierten Richter ernennen. Auch der Posten der Gerichtspräsidentin darf laut EuGH einstweilig nicht neu besetzt werden.
Die polnische Regierung müsse überdies der EU-Kommission über die Umsetzung der Anordnung regelmäßig Bericht erstatten. Das Luxemburger Gericht erließ die Anordnung nach eigenen Angaben, noch bevor Polen Stellung zu dem Antrag der Kommission bezogen hatte. Der EuGH begründete dies mit einer "unmittelbaren Gefahr eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens".
Mit dem Gesetz der Warschauer Regierung können 27 der insgesamt 72 Richter zwangsweise in den Ruhestand geschickt werden, seit Juli mussten bereits 20 gehen. Darunter war auch die Erste Präsidentin des Gerichts, Malgorzata Gersdorf. Kritiker sehen in den Zwangspensionierungen einen weiteren Versuch der rechtsnationalistischen Regierungspartei PiS, die polnische Justiz auf Linie zu bringen. Nach Ansicht der EU-Kommission verstößt das Gesetz über das Oberste Gericht unter anderem "gegen den Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit".
Brüssel liegt mit Warschau wegen einer ganzen Reihe umstrittener Gesetze zum Umbau der Justiz im Streit. Die polnische Regierung beharrt seit Monaten darauf, dass diese Reformen nicht gegen EU-Recht verstießen. Ministerpräsident Mateusz Morawiecki sagte am Rande eines Gipfels in Brüssel, er werde das Urteil gründlich prüfen und sich dann äußern.
sti/pg (afp, dpa, rtr)