Euro-Gruppe berät Griechen-Hilfen
7. Juli 2015"Letzte Chance für eine Einigung", "Crunch Talk", "Grexit-Gipfel" - wieder einmal blickt Europa gespannt nach Brüssel, wo am heutigen Dienstag die Euro-Finanzminister und dann die Staats-und Regierungschefs erstmals nach dem Referendum in Griechenland über Wege aus der griechischen Schuldenkrise beraten.
Die verhaltenen Hoffnungen der Finanzminsiter zerschlugen sich schnell: Der neue griechische Finanzminister Euklid Tsakalotos präsentierte wider Erwarten keine neuen schriftlichen Vorschläge zur Lösung der Schuldenkrise. "Wir warten gespannt darauf zu erfahren, was die griechische Regierung für Vorstellungen hat", hatte Finanzminister Wolfgang Schäuble bei seiner Ankunft in Brüssel gesagt und war sich darin völlig einig mit Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem. "Hoffentlich gibt es heute neue Vorschläge und hoffentlich sind sie glaubwürdig", sagte Dijsselbloem.
Ohne ein "glaubwürdiges und umfassendes" Paket an Reformvorschlägen der griechischen Regierung sei es unmöglich, das Vertrauen unter allen 19 Mitgliedern der Eurozone wiederherzustellen, warnte der für den Euro zuständige Vizepräsident der Europäischen Kommission, Valdis Dombrovskis.
"Grexit" steht im Raum
Ein möglicher "Grexit", ein Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone, sei ein "Versagen, ein fürchterlicher Fehler", sagte Pierre Moscovici, der für Finanzen zuständige EU-Kommissar. Laut dem spanischen Finanzminister Luis de Guindos ist der "Grexit" eine Lösung, die niemand wolle.
Doch Maltas Finanzminister Edward Scicluna sieht die Chancen für einen Grexit bei 50 zu 50: "Der Grexit ist eine realistische Möglichkeit" sagte er. Und für den slowakischen Finanzminister Peter Kazimír muss zügig eine Entscheidung her, "so oder so".
Am Morgen hatte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker vor dem Europäischen Parlament in Straßburg indes klar gemacht, dass er einen "Grexit" nicht wolle. Eine Lösung erwarte er von dem heutigen Tag allerdings nicht. "Aber wir werden den Weg ebnen, um im gemeinsamen Gespräch die Dinge in Ordnung zu bringen", versprach Juncker.
Zeit drängt - jetzt wirklich
Viel Zeit ist indes nicht um "die Dinge in Ordnung zu bringen". Griechenland kann sich nur noch minimalen Kapitalabfluss leisten– seit über einer Woche sind die Banken geschlossen und Abhebungen am Automaten auf täglich 60 Euro begrenzt. Eine Schuldenrate beim Internationalen Währungsfonds, die Anfang vergangener Woche fällig gewesen wäre, hat Griechenland nicht bedient. Experten und Beobachter wie der Financial Times-Korrespondent Peter Spiegel sind sich einig, dass Griechenland spätestens am 20. Juli Bankrott erklären müsste - dann müssen Schulden bei der EZB beglichen werden.
Begrenzte Optionen
Allerdings erscheint der Handlungsspielraum begrenzt. Da das zweite Hilfsprogramm für Griechenland am vergangenen Dienstag ausgelaufen ist, müsste ein gänzlich neues Abkommen verhandelt werden. Dafür steht nunmehr der ständige Euro-Rettungsfonds ESM (European Stability Mechanism) zur Verfügung. Doch die Hürden für Hilfen daraus sind hoch. So hatte denn auch Bundeskanzlerin Angela Merkel am Montagabend (06.07.2015) nach ihrem Treffen mit dem französischen Präsidenten François Hollande die Voraussetzungen zur Aufnahme von Verhandlungen zu einem ESM-Programm als "nicht gegeben" bezeichnet.
Ohnehin müsste zunächst Griechenland ein formelles Ersuchen auf Hilfen aus dem ESM vorlegen. Dann könnten die Euro-Finanzminister nach eingehender Prüfung der Europäischen Kommission einen Auftrag erteilen, die Voraussetzungen für die Hilfen zu prüfen. Das würde unter Beteiligung der Parlamente und gemeinsam mit der EZB und möglichst auch dem IWF erfolgen. "Der ESM ist ein langfristiges Programm, das langfristige Verhandlungen und langfristige Reformzusagen erfordert", sagte denn auch der finnische Finanzminister Alexander Stubb. Insofern könne es bei diesem Treffen nur darum gehen, über kurzfristige Finanzhilfen für Griechenland zu reden. Ein Schuldenschnitt jedenfalls - wie ihn Griechenland in den vergangenen Wochen wiederholt gefordert hatte - käme überhaupt nicht in Frage.